South By Southwest-Festival – Austin, Texas
Das texanische Branchen-Treffen rechtfertigt seinen Ruf als ultimative Talentbörse.
Alljährlich herrscht Ausnahmezustand im sonst eher beschaulichen Austin, wenn im Rahmen des South-By-Southwest-Festivals um die 1500 Bands an vier Tagen um Aufmerksamkeit buhlen. In Kirchen, jeder noch so kleinen Bar oder einfach draußen auf der Straße.
Neben jungen Talenten stellen in Austin stets auch bereits etablierte Kräfte Aktuelles vor. Besonders gespannt durfte man in diesem Jahr auf den Auftritt der Band Of Horses sein, deren drittes Album „Infinite Arms“ unmittelbar vor der Veröffentlichung steht. Der Auftritt der Band – mit neuen Songs wie „Factory“ – im Stubb’s, einer der schönsten und größten BBQ-Locations, zählte dann auch zu den Höhepunkten des Festivals. Am Tag danach spielten Band Of Horses sogar noch eine weitere Show, deren sakrale Anmut dem Ambiente der Central Presbyterian Church angemessen war. Auch fiel auf, dass Sänger Ben Bridwell mittlerweile viel entspannter auf der Bühne ist als in früheren Tagen. Bisweilen präsentiert sich der einst als Griesgram Bekannte gar als erfrischend fröhlicher Entertainer reinsten Wassers.
Beim Interview auf diesen Umstand angesprochen, führt Bridwell die neue Leichtigkeit auf das inzwischen stabile Bandgefüge zurück. Nachdem er den Vorgänger „Cease To Begin“ noch fast im Alleingang geschrieben hatte, nahmen die Kollegen nun ein Stück der kreativen Last von seinen Schultern.
Am Tag zuvor hatten bereits The Walkmen, Broken Bells und Spoon am selben Ort gespielt. Die ewig unterschätzten Walkmen präsentierten sich bei dieser Gelegenheit – unterstützt von der Austin Horn Section – beinahe als die besseren Spoon. Natürlich war es die stets nur knapp an der Schwelle zur Arroganz vorbeischrammende fiebrige Intensität des Sängers Hamilton Leithauser, die in diesem Fall den Unterschied machte. Der Broken-Bells-Auftritt geriet derweil zur fast schon erwarteten One-Man-Show von Shins-Sänger James Mercer, da Partner Brian Burton überwiegend Schlagzeug spielte.
Wenn wir schon bei den großen Bands des Nordwestens sind, dürfen Death Cab For Cutie nicht fehlen. Leider bot der Solo-Auftritt von Ben Gibbard jedoch wenig mehr als leichte Entspannung, bevor der erste große Hype des Festivals anrollte: Surfer Blood kommen aus Florida, haben soeben ihr Debüt „Astro Coast“ veröffentlicht und orientieren sich an den großen amerikanischen Indie-Bands Pavement, Yo La Tengo und Pixies. Mit zehn Shows innerhalb von vier Tagen zählt die Band zu den Gewinnern des diesjährigen SXSW. Ende Mai kommen Surfer Blood für einige Konzerte nach Deutschland.
Was sonst noch neu und aufregend war: Die Local Natives, die bereits bei uns auf Tournee waren, in den USA gerade 50 ausverkaufte Shows am Stück spielten und neben den Fleet Foxes aktuell die wohl besten Harmonie-Gesänge aufbieten. Außerdem die schottische Band Frightened Rabbit, mit dem dritten Album endlich auch in Deutschland wahrgenommen. Die Songs vom Vorgänger „The Midnight Organ Fight“ kommen in Austin trotzdem besser an.
Noch interessanter: The Lonely Forest aus Anacortes, einem kleinen Ort in der Nähe von Seattle. Sie haben den typischen Sound der ehemaligen Grunge-Metropole, paaren diesen aber mit guten Songs, zu denen Sänger/Gitarrist John Van Deusen sein Herz auf die Bühne zu legen scheint, selbst wenn es Austin-untypisch kalt ist an diesem Tag. Das bereits zweite Album der Band heißt „We Sing The Body Electric!“ und erscheint auf dem Label von Chris Walla (Death Cab For Cutie) – der direkt vor uns im Publikum steht. Ebenfalls aus Seattle kommt die orchestrale Pop-Band Hey Marseilles. Das Septett gilt im Nordwesten der USA als ungeschliffenes Juwel und könnte demnächst auch international eine Rolle spielen. Musikalisch und textlich von erstaunlicher Reife, gerät ihr Auftritt in der St. David’s Historie Sanctuary Kirche zum schwelgerischen Sturm der Gefühle. Eine der ganz großen Entdeckungen des Festivals. Und vielleicht die Band, die das Warten auf das nächste Arcade-Fire-Album ein bisschen versüßen könnte.