Rare Trax: first wave – part one
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre war New Wave ein Sammelbegriff für alles, was nach Punk kam und dessen Versprechen einhielt: atemberaubende, unprätentiöse Popmusik. Der erste Teil unserer "First Wave" zeichnet die Geschichte von New Wave nach. Kein Wunder, dass sich da auch die eine oder andere Perle aus Punk und gar Proto-Punk-Zeiten findet.
Dass der Weg vom Punk zu perfektem Pop kein weiter ist, zeigte wohl keine Band besser als die PSYCHEDELIC FURS. Klang Sänger Richard Butler auf dem selbstbetitelten Debüt noch wie ein – zumindest besser erzogener – Bruder von Johnny Rotten, rückte Produzent Todd Rundgren die Band auf ihrem dritten Album „Forever Now“ von 1982 mit Streichern, Bläsern und Background-Sängern in die Nähe XTC’scher Popbrillanz. Die ironische Reagan-Attacke „President Gas“ beweist, dass das nicht zu Lasten von Scharfsinn und Treflsicherheit ging.
Unter der Prämisse, dass The Velvet Undergrounds „White Light/White Heat“ eines der ersten Punkalben überhaupt war, kann man Wales (die Heimat von John Cale) vielleicht mit einiger Berechtigung als ein Mutterland des Punk bezeichnen. Jay und Michael Ashton, die beiden Köpfe von GENE LOVES JEZEBEL stammen aus Wales. Wie bei Bauhaus und Siouxsie And The Banshees kann man auch bei ihnen erhebliche Gothic-Einflüsse finden. Nach ihrem ersten Album „Promise“, einer US-Tour mit – na klar -John Cale und ständig wechselnden Band-Besetzungen hatten sie auf „Immigrant“ endlich zu einer gewissen Stabilität gefunden. Das wurde mit grandiosen Songs wie „Coal Porter“ und „The Rhino Plasty“ belohnt.
Wiege des Britpop ist natürlich Liverpool. Auch New-Wave-technisch hat die Merseyside einiges zu bieten. So ist neben Elvis Costello auch Julian Cope ein echter Liverpudlian. Ende der 70er Jahre stand er aber eher auf Krautrock als aufPunk. Das hört man dem furiosen Debüt „Kilimanjaro“ seiner Band THE TERADROP EXPLODES weitaus weniger an als dem 81er Nachfolger „Wilder“. David Balfes Keyboards und Clive Langers Produktion bestimmen den Sound dieses dunklen Stilmixes. „The Culture Bunker“ ist gar kantiger Funk.
Kein Funk, aber nicht weniger sexy, wenn auch ganz und gar anders: die AU PAIRS. Ein wichtiger Verdienst der sogenannten Punkrevolution war die Wiederentdeckung der Ironie, gepaart mit dem Camp des Glam-Rock. Die lesbische Feministin Lesley Woods kannte sich aus mit ironisch gebrochenen Rollenspielen und gender trouble und nannte das Debütalbum ihrer Band dann auch gleich „Playing With A Different Sex“.
Im England der Thatcher-Ära war das natürlich äußerst gewagt.
Unser Lieblingsgrantler, der notorisch übel gelaunte Mark E. Smith, darf auf einer solchen Zusammenstellung natürlich nicht fehlen. Bevor er 1977 THE FALL (nach einer Novelle von Albert Camus) gründete, arbeitete er in den Docks von Manchester, und irgendwie hatte er als Bandvorsteher immer etwas von einem werter- und schicksalsgegerbten Seemann – von Captain Ahab aus Moby Dick vielleicht: manisch, mürrisch, rücksichtslos. Wer nicht spurte, flog raus. Das pumpend-nervöse „Totally Wired“ stammtvom 80er Album „Grotesque (After The Gramme)“.
Wenn man über unberechenbare Bandleader spricht, muss man auch über Spizz sprechen. Unter Namen wie Spizz 77, Spizz Oil, Spizzles, SPIZZENERGI, Spizzenergi2, Atletico, Spizz 80 oder Spizzorwell (um nur einige zu nennen) veröffentlichte er zahlreiche Singles, EPs und wenige Alben. Neben der Single „Where’s Captain Kirk?“ ist wohl das Roxy Music-Cover „Virginia Piain“ ein Höhepunkt seines Schaffens.
Die Debüt-Single „Oh Bondage, Up Yours“ der X-RAY SPEX kann man getrost als eine der großen Punk-Singles bezeichnen. Auf dem ersten X-Ray Spex-Album „Germ Free Adolescents“ von 1978 ist sie aber – wie sich das damals für Singles gehörte – nicht enthalten. Auch die Saxofonistin Lora Logic war leider nicht mehr dabei Nichtsdestotrotz war der Punkpop der Band um die wundervolle PolyStyrene elektrisierend, wie man beim Titelstück hört. Leider blieb es beim Debüt.
Bleiben wir beim Punk, bleiben wir bei unkonventionellen Sängerinnen. THE SLITS sind wohl eine der Aü-female-Punkbands schlechthin. Auf ihrer ersten Tour mit The Clash musste Mick Jones die Instrumente stimmen, da die Bandmitglieder zu diesen ein eher gestörtes Verhältnis hatten. Ihr erstes (Reggae-infiziertes!) Album „Cut“ machten sie zwei Jahre später, ohne allerdings viel dazugelernt zu haben. Sängerin Ari Up schien, wie hier auf „Newtown“, in jedem Song nach Tonlage und Melodie zu tasten – irgendwo zwischen Nico und Björk.
An den musikalischen Fähigkeiten von Frank Tovey gibt es dagegen keine Zweifel, denn er scheint alle Stile spielerisch zu beherrschen, ob Blues, Folk oder Elektronika. Unter dem Namen FAD GADGET spielte er mit ständig wechselnden Besetzungen vier Alben und etliche Singles ein. „Swallow It“ stammt vom dunklen zweiten Album Jncontinent“, das weniger geschlossen und weniger elektronisch als das Debüt „Fireside Favourites“ daherkommt.
Gegründet von zwei Studenten elektronischer Musik spielten die Kalifornier von Tuxedomoon alles von NewWave-Pop über Jazz-Fusion bis zu experimentellen Synthesizerdesigns. Auf letztere spezialisierte sich einer der Gründer, BLAINE L. REININGER, auch nach seinem Bandausstieg. Zusammen mit Mikel Rouse spielte er die wundervolle Solo-Debüt-EP „Colorado Suite“ ein. Obwohl die EP erst in ihrer ganzen Pracht richtig wirkt, ist „Windy Outside“ schon isoliert ehrfurchtsgebietend.
Nicht nur an den Stränden Kaliforniens spülte die New Wave Songperlen an Land. Auch im australischen Brisbane warfen zwei junge Songschreiber und ihre Schlagzeugerin die „Surfing Magazines“ in den Sand und spielten bassgetriebenen „metallic folk“. Die dunkle, noch etwas tapsige Schönheit von „Send Me A Lullaby“, dem ersten Album der GOBETWEENS, ließspätere Großtaten bereits erahnen. Die Singleauskopplung „Your Turn, My Turn“ war einer der ersten Songs von Grant McLennan, doch die musikalische Hoheit lag hier noch unüberhörbar in Robert Forsters sprödem Gesang.
Auch ein Go-Between, ein Seiltänzer zwischen Punk, Pop und naiver Poesie, ist Jonathan Richman. Das selbstbetitelte 73er Debüt seiner MODERN LOVERS war ganz klar von The Velvet Underground beeinflusst, und das lag wohl nicht nur daran, dass Richman seine ersten Wochen in New York auf der Couch des Velvet-Managers verbrachte: Bei den Demo-Aufnahmen, aus denen sie ihr erstes Album zusammensetzten, saß John Cale an den Reglern. Auf „First Wave“ gibt’s das frühe Highlight „Pablo Picasso“.
Vbn den 60ern lernen, heißt siegen lernen. Das wussten auch Chris Difford und Glenn Tilbrook von SQUEEZE. Die beiden wurden zu Beginn der 80er als legitime Erben von John Lennon und Paul McCartney verehrt Die Meisterschaft der Vorbilder hatten sie auf ihrem Debütalbum noch nicht erlangt, doch den Charme von Songs wie „Out Of Control“ erreichten sie später nur selten.
Noch vor Elvis Costello war GRAHAM PARKER der erste angry young man von der Insel. Sein beißender Sarkasmus und ätzender Scharfsinn sorgten Anfang der 70er Jahre in der englischen Pub-Rock-Szene für Aufsehen. Ebenso wie Costello und seine Attractions wurden auch Parker und seine Begleitband, die Rumours, von Jesus Of Cool“ Nick Löwe produziert. „The Heat In Harlem“ stammt von Parkers drittem Album „Stick To Me“ von 1977.