Nostalgie aus der Pinte
Seit 30 Jahren spielt der Waliser Geraint Watkins das, was in Britannien schlicht „Pub-Rock" heißt. Afrikanische und französische Musik ist darin manchmal inbegriffen.
Vielleicht liegt’s ja doch am großen Bruder: „Es bleibt doch irgendwie hängen, wie du autwächst.“ Jedenfalls gab Davy, drei Jahre älter, immer den Sänger, wenn sie im Familien- und Freundeskreis loslegten, damals in Abertridwr in Südwales. „Schade, dass er aufgehört hat“, sagt Geraint Watkins. „Wir hätten die nächsten Sam & Dave werden können.“ So wurde der Bruder Cellist in der Welsh Opera, und er selbst als Pianist und Akkordeonspieler-ein geschätzter Begleitmusiker, dessen Arbeitsnachweis aus über3O Studiound Bühnenjahren Namen wie Carl Perkins, Dave Edmunds, Van Morrison und Paul McCartney zieren. Als Solist ist Watkins — das rare Vinyl-Frühwerk „Geraint ‚Watkins & The Dominators“ (1979) eingerechnet-jetzt mit „In A Bad Mood“ gerade mal beim vierten Album angelangt „Ich frage mich oft, warum’s nicht mehr geworden sind“, sinniert er. „Aber du brauchst diese Mentalität, berühmt sein zu wollen. Ein Shakin‘ Stevens, der hat dieses Ego, der will da raus, und du kannst das fühlen, wenn du mit den Leuten arbeitest. Aber ich habe das einfach nicht in mir. Oder nur ein bisschen. Würde ich mir mehr davon wünschen? Gute Frage. Klar, irgendwann will jeder mal Ray Charles sein. Aber dann bist du halt ein anderer. Nick ist großartig dann. Er ist einfach immer Nick Löwe und kann damit umgehen.“
„In A Bad Mood“ entsprang derselben Aufnahmesession wie Lowes letztes Album, „At My Age“. Wie hat man sich das vorzustellen: Durtte Geraint immer für eine Stunde nach vorn, wenn Nick eine kleine Auszeit im Pub nebenan brauchte? „Könnte man vielleicht denken“, lacht Watkins, „und manchmal, wenn wir an Nicks Album gearbeitet hatten, probierten wir auch noch einen Song von mir. Aber meistens haben wir das getrennt, denn dein Kopf ist einfach woanders, auch wenn es dieselbe Band ist. Sicher haben wir uns gegenseitig beeinflusst, aber doch eher unbewusst.“
Immerhin reaktivierte Watkins den alten Lowe-Kracher „Heart Of The City“ für sein Repertoire in einer unvermuteten Cajun-Variante, auch eine Referenz an die Balham Alligators, mit denen Watkins den Geist des großen Pub-Rock-Aufbruchs bis in die 90er Jahre pflegte. „Ich war 1976 gerade erst nach London gekommen und spielte mit dieser Blues-Band in Süd-London. Doch selbst die hatte plötzlich mehr Biss, wo doch der Blues sonst so langweilig geworden war. Es lag was in der Luft, ohne dass man genau den Finger drauflegen konnte. Aber vielleicht sehe ich das auch so, weil ich damals in meinen Zwanzigern war. Jeder Gig fühlte sich wie der letzte an, also hast du alles gegeben aber dann kam doch wieder der nächste.“ Für die Balham Alligators irgendwann nicht mehr, denn „wir konnten das nicht länger durchziehen. Da war ein Gig nie nur ein Gig, es wurde immer exzessiv, immer zu viel getrunken. Wir haben versucht reifer zu werden, aber das hat nicht geklappt“.
Auf „In A Bad Mood“ reicht Watkins‘ musikalischer Horizont weit über trunkene Pub-Swinger hinaus, bis nach Afrika, das in einem der schönsten Songs, „Bourgeoise“, sanft nachhallt. „Es klang noch viel afrikanischer“, rekapituliert Watson, „bis mir klarwurde, dass es eher eine Disney-Version von Afrika ist. Ich dachte: Mann, du bist doch kein Afrikaner! Lass die Finger davon! Mit meinen Freund Charlie Hart spiel ich viel solches Zeugs. Aber es klingt einfach nie so, wie es klingen sollte. So ähnlich wie mit irischer Musik. Ich hab diese Jigs Note für Note gelernt und gespielt – aber es klingt kein bisschen irisch.“
Mit „Chagrin“, französisch gesungen, gibt sich der Edith-Piaf-Fan zu erkennen. „Ich mag den Klang der Sprache, dieses Romantische und Herzzerreißende und versuche mir einzubilden, dass es da noch eine tiefere Bedeutung gibt.“ Rieh‘ tig tief ins Nähkästchen seines Begleitmusikerdaseins mag Geraint Watkins auch nicht einsteigen. Nur soviel: „Mit Van Morrison zu arbeiten war großartig. Es ist eine Schande, denn meistens erzählen die Leute nur, wie schwierigund furchtbar er ist. Aber sie erwähnen fast nie, wie fantastisch viele Gigs und Aufnahmesessions mit ihm waren. Wahrscheinlich bekommt man bei ihm das eine einfach nicht ohne das andere.“
Ein bisschen berühmt ist Geraint Watkins jetzt auch. Oder wie soll man es nennen, wenn Bob Dylan, der Radiomann, gleich zweimal dem Album-Motto „Dial ,W‘ For Watkins“ (2004) entsprochen hat?