Nachgerufen
Erinnerungen von einstigen Weggefährten
Ich hörte das erste Mal von Michael und seinen Brüdern, als sie zu Motown kamen – und dann hörte ich diese Stimme. Wie Michael Songs wie „I Want You Back“ oder „I’ll Be There“ sang, bewegte einfach jeden. Oder später „The Way You Make Me Feel“ – einer meiner Favoriten. Einmal fuhren Michael und ich zusammen im Aufzug, und ich fing an, „The Way You Make Me Feel“ zu singen. Er machte mit, und wir sangen die Zeilen abwechselnd. Ich sagte ihm, dass mir die Stelle so gut gefallt, wo er „Go on, girl“ singt – und er antwortete, die habe er aus meinem Song „Go Home“. Da fühlte ich mich ziemlich gut.
Lionel Richie
Die erste Single aus „Thriller“ ‚war „The Girl Is Mine“ mit Paul McCartney, und ich war ein Riesenfan von Paul McCartney. Michael wusste das. Ich arbeitete im selben Studio, in dem sie nachts um eins oder zwei den Song aufnahmen, und er rief an und sagte: „Lionel, komm doch mal rüber.“ Ich dachte, er wollte mir einen Track vorspielen – und dann gehe ich in das Studio, und da steht Paul McCartney. Klar, dass meine Session für den Abend beendet war. Quincy ging, glaube ich, irgendwann nach Hause, weil wir so viel redeten. Paul und Michael hatten hinsichtlich ihres Ruhms so viel gemeinsam, und Michael war der reinste Schwamm. Er fragte einfach alles. Ich glaube, Paul fuhr damals einen geschwärzten Chevrolet Suburban, und bis er ging, hatte Michael auch einen.
Das Ironische war, dass Paul McCartney, Quincy Jones und ich Freunde hatten, bevor wir 21 waren. Alle mussten wir auf dem Spielplatz kämpfen, bevor wir 21 waren. Jeden von uns hatte eine Freundin verlassen, bevor wir 21 waren. Wir durchliefen die ganz normalen Erfahrungen eines Heranwachsenden. Aber bei Michael gab es kein „normal“. Ich -weiß noch, wie er vom Unterricht kam und direkt ins Studio ging. Die Jacksons hatten keine Zeit für den Spielplatz. Jackie und Jermaine bekamen noch ein paar realere Sache mit, weil sie älter waren. Aber für Michael schloss sich diese Tür sehr früh.
Sein ganzes Streben war, der Größte und Beste zu sein. Nur war es später dann nicht der Spielplatz, der „Wacko Jacko“ sang – es war die ganze Welt. Wie soll man über so was hinwegkommen? Das macht einen fertig. Und das Ergebnis: Ein großer Künstler ist vor unseren Augen zerbröckelt.
Ich lernte Michael 1987 bei den Proben für die „Bad“-Tour kennen, für die ich als Sängerin engagiert war. Ich fand ihn erstaunlich schüchtern. Wir probten das Duett „I Just Can’t Stop Loving You“ und hatten dabei einen kleinen Insider-Witz – wir sangen einen Lovesong und taten so, als würde uns das sehr verlegen machen, und wenn wir uns berührten, kicherten wir los. Diese Naivität beim größten Entertainer der Welt zu sehen fand ich schon sehr verblüffend.
In den ersten Wochen spielten wir vor 75 000 Menschen in Tokio. Michael begann mit „Human Nature“ und machte seinen Moonwalk seitwärts. Ich weiß noch, wie ich an der Seite der Bühne stand und dachte: „Ein solches Talent werde ich den Rest meines Lebens nicht mehr sehen.“
Quincy Jones
Michael war ein Meister darin, sich jeden Song ganz zu eigen zu machen – von „Human Nature“ mit diesen ganzen kaleidoskopischen Parts bis hin zu „Billie Jean“ mit seinen schlichten drei Akkorden. Wenn man „Baby Be Mine“ analysiert, das ist wie John Coltrane, getarnt mit Pop-Lyrics und -Arrangement.
Slash
Cool fand ich an Michael, dass er mich einfach machen ließ. Wir spielten eine Show in Italien, und seine Gitarristin Jennifer Batten wollte, dass ich ihre Tanzschritte mitmachte. Und davon wollte ich nichts wissen, das kam nicht in Frage. Wir waren in der Garderobe, und sie beschwerte sich und rannte zu Michael. Es war das erste Mal, dass ich ihn laut und ernst werden sah. Er war der Chef, und er sagte ihr, sie solle Slash gefälligst in Frieden lassen.
Ich ging immer einfach auf die Bühne und machte mein Ding, aber manchmal schaute ich auch auf und war fasziniert, wie natürlich und flüssig bei ihm alles aussah. Es war wirklich toll, ihn aus der Nähe zu erleben. Er konnte mit 80 Leuten auf der Bühne sein, und alle machen die gleiche Tanzbewegung – aber er hatte einen Flow, bei dem kein anderer mitkam.
Martin Scorsese
Als wir das „Bad“-Video machten, war er für alles offen. Etwa bei der Szene in dem langen Gang, als Wesley Snipes sagt: „Are you down, or what?“ Wir haben das bestimmt 30 Mal gedreht. Wesley hat eine enorme Präsenz, aber da konnte Michael mithalten. Was mich am meisten beeindruckte, war die wirklich ungewöhnliche Kraft seiner fast schamanenhaften Bühnenfigur. Es war hypnotisch, wie er tanzte. Und wie er in der ersten Einstellung zur Kamera hochblickt, da hatte er so etwas Einsames, Opferhaftes. In diesen Bildern schwang viel mit.
Bei einem Dreh in Harlem standen auf der anderen Straßenseite abgewrackte Häuser. Er nahm mich beiseite: „Wohnen da Leute?“ Er war überwältigt. In einer Erdgeschosswohnung des Hauses, in dem wir drehten, lag jemand im Bett, leidend, hustend und wirklich am Ende. Michael sagte: „Siehst du das?“ Ich sagte: „Ja, ich weiß.“ Aber selbst dieser arme Typ im Bett wusste, wer Michael war.
John Landis
Michael fand die Verwandlung eines Menschen in einen Wolf in „An American Werewolf In London“ so toll. Er rief mich an und fragte, ob ich einen Film mit ihm machen würde, in dem er sich „in ein Monster verwandeln könnte“. Michael arbeitete hart und war total kooperativ. Ich erklärte ihm, warum die Zeile „I’m not like other guys“ einen Lacher kriegen würde, und er war damit einverstanden. Jahre später wurde ich für „Black Or White“ nochmal engagiert, weil die Firma, die die Videos für „Dangerous“ produzieren sollte, Probleme hatte, Michael an den Drehort zu kriegen. Bei dem Video war ich viel mehr Angestellter. Es war Mikes Geld, und ich bekam ein Wochenhonorar dafür, seine Ideen umzusetzen, ohne dass er am Ende zu verrückt dabei aussah.