Nach kommerziellen Misserfolgen und privaten Krisen hofft der kanadische Songschreiber Ron Sexsmith nun auf seinen Durchbruch
Eigentlich liest sich die Geschichte von Ron Sexsmith wie eine Erfolgsstory aus dem amerikanischen Traumbuch: 1987 mit 23 Jahren mit Frau und Kind vom Lande in die große Stadt Toronto, tagsüber Job als Kurier auf der Businessmeile, abends Konzerte in den Bars. 1991 ein erstes Album im Eigenverlag, 1994 schließlich Plattenvertrag. Man setzte ihm niemand Geringeren als Mitchell Froom zur Seite, der kurz zuvor „Brutal Youth “ von Elvis Costello produziert hatte. Als Froom Elvis in einer Bar traf und ihm ein Tape von seinen Arbeiten mit Sexsmith gab, war der hellauf begeistert. 1995 erschien „Ron Sexstnith“. Dann ging alles ganz schnell: John Hiatt liebte es und nahm ihn mit auf Tour, Nick Löwe coverte einen seiner Songs, Paul McCartney lud ihn zum Tee ein, vor Bruce-Springsteen-Konzerten lief sein Song „Lebanon, Tennessee“, und mit Elvis Costello telefonierte er regelmäßig. „Ich mochte das Album zuerst selbst gar nicht so gerne. Mitchell hat meine Stimme sehr laut aufgenommen, und ich dachte, das nervt die Leute. Aber nachdem einige meiner persönlichen Helden so begeistert davon waren, begann ich, es anders zu hören. Ich meine, wenn Mitchell es anders produziert hätte, hätte es vielleicht geklungen wie Don Henley und ich säße heut wohl nicht hier hier und würde dieses Interview machen.“ Ich habe nicht zu viel versprochen, oder? Eine Erfolgsstory!
Einzig: Kaufen wollte das Album keiner. Als die beiden mindestens ebenbürtigen Nachfolger „Other Songs“ und „fVhereabouts“ auch kein Erfolg wurden, schob die Plattenfirma ihn zu einem Indie-Label ab. Das nächste Album, „Blue Boy“, nahm er mit Steve Earle auf. Zu der Zeit war gerade seine Ehe durch die ständigen Tourneen zu Bruch gegangen. „Und ich musste schon wieder auf Tour gehen. Da hab ich versucht, mich ein bisschen aufzubauen und hab viele neue Songs geschrieben, um meine Gedanken zu ordnen und allem wieder einen Sinn zu geben“, erzählt Sexsmith heute etwas zerknirscht. „Als ‚Blue Boy‘ schließlich herauskam, hatte ich schon wieder genügend Songs für ein neues Album, nur kaum Zeit, sie aufzunehmen.“ Als er bei einem Zwischenstopp in London mit dem Produzenten Martin Terefe in 40 Minuten „This Is Where I Belong“ für ein Kinks-Tribute aufnahm, kam ihm die Idee, mit dem Schnellarbeiter gleich ein ganzes Album zu machen. Da war nur ein Problem: Die Plattenfirma wollte nicht mehr.
„Wir gingen trotzdem eine Wbche ins Studio und nahmen einige der neuen Songs auf. Gitarre, Bass, Schlagzeug, mehr nicht Dann ging ich wieder auf Tour und überließ den Rest Martin.“ Der machte ganze Arbeit, fügte Spur um Spur hinzu, Streicher, Elektronik, Gospel-Chöre. „Er erzählte mir am Telefon, was er alles gemacht hatte, und als ich das alles zum ersten Mal hörte, dachte ich, ich höre das Album von jemand anderem. Das war toll. Nur mit der Disco-Bearbeitung von ,Dragonfly On Bay Street‘ hat er mich geschockt.“ Geschockt war Sexsmith auch, als er hört, dass man bei „Gold In Them Hills“ für eine Strophe seinen Gesang gelöscht hatte und stattdessen Coldplay-Sänger Chris Martin zu hören war. „Chris war ein großer Fan von ‚Blue Boy‘, und als Martin Terefe ihn fragte, ob er mein neues Album hören und vielleicht ein paar Harmonien singen oder Klavier spielen wolle, kam er vorbei.“ Dass Chris Martin schließlich eine ganze Strophe sang, ging Sexsmith dann aber doch zu weit: „Zuerst dachte ich: ‚Hey, so geht das aber nicht.‘ Doch es gefiel mir, und dann haben wir uns drauf geeinigt, eine Remix-Version mit Chris ans Ende zu stellen. Es schadet dem Album ja bestimmt nicht, wenn der Sänger von Coldplay dabei ist.“ Ein Label hatte man inzwischen auch gefunden, und in der Woche vor unserem Interview fragte Hollywood-Regisseur Mark Lawrence an, ob er den Song für seine romantische Komödie mit Hugh Grant und Sandra Bullock verwenden könnte.
Da leuchten Sexsmiths Augen: „Ich bin jetzt 38. Da wird es ja allmählich Zeit für einen Durchbruch.“ Vielleicht wird’s ja doch noch was mit der Erfolgsgeschichte.