Musikbücher von Wolfgang Doebeling
„Ready, Steady, Go!“ (Fourth Estafe, ca. 30 Euro) von Shawn Levy ist nicht die Geschichte der legendären TV-Show gleichen Namens, sondern nur ein weiterer, allerdings sprachlich fulminanter Versuch, das Epizentrum des Pop in den Sixties neu zu vermessen: „Swinging London And The Invention Of Cool“, so der Untertitel, ist Sittengemälde und Fashion-Fibel zugleich. Aus der Sicht eines Amerikaners, der nicht dabei war. Was er mit Recherche-Wut wettzumachen sucht. Levy stellt ein paar hübsche Fundstücke in seinen literarischen Schaukasten, die zum Wundern taugen. Ansonsten ist es die alte, aulregende Angelegenheit einer Stadt in kulturellem Aufruhr. Erzählt entlang der Kapriolen ihrer Galionsfiguren und Katalysatoren. Die Beatles/Stones-Achse, Terence Stamp und Michael Caine, David Bailey und Girls, Girls, Girls. Das London der Jahre 1963 bis 1967 wurde von Kunst, Kino, Mode und Musik geprägt und war so sexy, weiß Levy, wie keine andere Stadt davor und danach. Dann begann der Putz zu bröckeln, Geld und Drogen bestimmten zunehmend die Szene, Hippies verunzierten das Straßenbild, die Siebziger warfen ihre Schatten voraus, 4,0
„Liverpool: Wondrous Place“ (Virgin, ca. 30 Euro) von Paul Du Noyer geht weit zurück in die Geschichte der Hafenstadt, um das dort bis heute vorherrschende Faible für Singalongs zu erklären, für Folk und Country 8. Western, für das Ohrwurmige schlechthin. Liverpool als Durchlauferhitzer für Einflüsse aus Irland, Wales und Amerika, als Heimat eines so freundlichen wie trinkfreudigen und direkt denkenden Menschenschlags. Patent, sagt der Autor, immerhin dort geboren, seien die Leute von der Merseyside. Und unkompliziert. Weshalb sich die berühmtesten Söhne der Stadt von dieser entfremdeten, als sie zu psychedelisieren anfingen. Weshalb auch Egomanen wie Ian McCulloch oder Julian Cope eher gelitten als geliebt sind. Vorwort von Paul McCartney. 3,5
„Turn!Hirn!Tum!“ (Backbeat,ca.22 Euro) von Richie Unterberger ist eine sprachlich eher bescheidene, fachlich aber gewissenhafte Analyse der „60s Folk-Rock Revolution“. Alles angelesen freilich, ohne eigenen Erlebnishintergrund. Dafür lässt Unterberger diverse handelnde Personen ausführlich zu Wort kommen, von Al Kooper über Donovan bis John Sebastian. Und nennt noch die entlegendsten Künstler und Platten, die mit der Verschmelzung von Folk-Tradition und elektrifizierter Popmusik zu tun hatten. Komisch nur, dass sich so gut wie keiner zum hier untersuchten Genre bekennen mag. Folk-Rock, nein danke, sagt sogar Roger McGuinn. Unterbergers Stilgeschichte endet 1966 mit „Blonde On Blonde“, die Fortsetzung ist für den Herbst angekündigt. 4,0
„Hang On To A Dream“ (HeiterSkeker, ca. 22 Euro) von Martyn Hanson ist „The Story Of The Nice“, einer Band mithin, die umstritten zu nennen eine Untertreibung wäre. Gilt sie den einen als ‚ apokalyptische Vorreiter des Prog-Rock, erinnern andere an die schiere Energieentfaltung ihrer Konzerte, wieder andere an den ingeniösen Psych-Pop der frühen oder die inventiven Klassik-Jazz-Rock-Fusionen der späteren Tage. Hanson ist Fan und findet für jeden Aspekt bewundernde Worte und erhellende Fakten. Keith Emersons Umgang mit Messern und den Stars & Stripes wird ebenso ausgeleuchtet wie seine Funktion als Synthesizer-Pionier und Sargnagel des Rock’n’Roll. Letztere Eigenschaft, darauf legen Kenner großen Wert, kam so recht erst später zum Tragen, im Pomp-Zinnober von Emerson, Lake & Palmer. Interessanter sind eh die Werdegänge von Lee Jackson, Brian Davison und vor allem David O‘ List, der so talentiert war wie wunderlich und bald von der Bildfläche verschwand. 3,5
„Madcap“ (Short, ca. 20 Euro) von Tim Willis biografiert das beschädigte Leben des Syd Barrett, mit dem erklärten Ziel, dem Acid-Opfer ein wenig Würde zurückzugeben. Die Charakterisierung des Titels möchte Willis positiv gewertet wissen: „madcap“ als Schelm und Hofnarr, nicht als „nutcase und Irrer. Dieses Ansinnen muss er glaubhaft vertreten haben, denn es gelang ihm, beinahe das gesamte Umfeld Barretts zur Mitarbeit zu bewegen, von David Gilmour als auch Roger Waters über die Schwester des Dropouts bis zu diversen Ex-Girlfriends. Und er wechselte ein paar Worte mit Syd selbst, an der Gartenpforte. „It’s nothing to do with me“, beschied ihn der vormalige „Crazy Diamond“ in bezug auf früheres Musikschaffen, im Duktus von Peter Seilers in „Being Tbere“, auch er ein Gärtner und TV-Glotzer.
Bezeichnend in diesem Zusammenhang das Foto von Barrett auf dem Fahrrad, eingemummelt, mit ein paar Besorgungen im Korb. „He’s home“, resümiert der Autor und gesteht dem Leser sein schlechtes Gewissen ob der Störung dieser eher unheimlichen als heimeligen Idylle in Cambridge. „The half-life of Syd Barrett“, nennt Willis Syds Vorleben, hier sensibel ausgebreitet. Etwas zu kurz gekommen dabei sind die musikalischen Meriten des, so die geltende Sprachregelung, genialen Kauzes. Dazu hören wir „The Piper At The Gates Of Dawn“, immer wieder, und warnen unsere Kinder, immer wieder, 4,0