Michael Jackson: Thriller
Bringen wir den einsamen Kritikpunkt hinter uns: Das sein Jahrzehnt definierende Album hätte eine aufregendere Verpackung verdient gehabt. Nein, das watteweichgezeichnete Brustporträt eines dahingelagerten Michael Jackson wird niemals die Exegeten auf den Plan rufen wie ein „„Sgt. Pepper“. Andererseits: Der lässige Hedonismus, den Jackson auf dem Cover von „Thriller“ demonstriert, und der sich in der Musik fortsetzt, bringt den Zeitgeist durchaus adäquat auf den Punkt. Angesichts von Waldsterben und Nachrüstung bietet „Thriller“ Eskapismus auf denkbar höchstem Niveau. Für den Tanz am Rande des Abgrunds hat sich Produzent Quincy Jones nun aber für elektronische, bisweilen fast metallische Beats entschieden.
Die sanfte Wärme von „Off The Wall“ ist verschwunden, stattdessen grummelt sich die Gruselstimme von Vincent Price durch den Titeltrack. So wird der Ansatz des Vorgängeralbums einerseits perfektioniert, gleichzeitig aber auch systematisch erweitert: Die Dominanz von Soul und RÖB verschwindet, Rock und Pop treten endgültig gleichberechtigt an ihre Seite. Nirgendwo wird das so augenfällig wie beim knarzenden Gitarrensolo von Eddie Van Halen in „Beat It“, dem ersten echten Rocksong von Michael Jackson, und natürlich in „The Girl Is Mine“, dem kurz vor dem Schmalztod stehenden Duett mit Paul McCartney.
Mit „Thriller“ wird Jackson tatsächlich der erste Star der internationalen Popmusik, der alle Rassenschranken endgültig überwindet. Seine Phrasierung und der Einsatz seiner Kopfstimme zeugen von einer bislang unerreichten technischen Meisterschaft, während aus majestätischen Bläsern und effektiv tuckernden Synthies, aus futuristischen Stimmverzerrungen und anderen Studiotricks Hit auf Hit fusioniert werden. Aber nicht nur „Beat It“, „Thriller“ oder „„Billie Jean“ sind makellose Popstücke: Vom pumpenden Eröffnungstrack „„Wanna Be Startin‘ Something“ über das so verträumte wie verschachtelt konzipierte „Human Nature“ bis hin zur abschließenden Ballade „„The Lady In My Life“ sucht man Füllmaterial oder gar Ausfälle vergeblich. Dass sieben dieser neun Songs Top-Ten-Hits werden, ist nur ein Symptom: „„Thriller“ ist womöglich das einzige tatsächlich perfekte Album in der Geschichte des Pop.