Krasse Weihnacht
Von Elvis Presley bis Rufus Wainwright – alle tun’s: Eine kleine Einführung in den Weihnachtspop der vergangenen Jahre und dieser Saison
Als bob dylan 2009 seine Benefiz-Weihnachtsplatte herausbrachte, gab er Obdachlosenzeitschriften ein Exklusiv-Interview. Konfrontiert mit dem Vorwurf eines Kritikers, seinen Interpretationen fehle Respektlosigkeit, entrüstete er sich: „Eine völlig verantwortungslose Aussage! Gibt es nicht schon genug Respektlosigkeit? Wer braucht noch mehr davon? Besonders zu Weihnachten.“ Auch Ironie wies er weit von sich. Bei Weihnachtsplatten verstehen die Amerikaner eben keinen Spaß.
Das war schon vor 55 Jahren bei Elvis Presley so. Dessen „Christmas Album“, inzwischen mit zweistelliger Millionenauflage das bestverkaufte in der US-Geschichte, richtete sich als Luxusausgabe mit beigeheftetem Fotoalbum an eine bourgeoise Klientel und wurde 1959 zum ersten Mal wiederveröffentlicht mit neuem staatstragenden Cover (der King in Uniform). Schlussfolgerung der Rock’n’Roll-Fraktion: Elvis war nun endgültig korrumpiert. Für Irving Berlin blieb Presley dagegen ein Rebell: Der berühmte Songschreiber klagte, Elvis hätte aus seinem „White Christmas“ eine „gottlose Parodie“ gemacht. Dabei hatte Elvis sein Vorbild, die R&B-Version der Drifters von 1954, doch schon weißgewaschen.
Saftiger, nämlich „aufgegeilt und irre“, sang er dagegen den Leiber/Stoller-Song „Santa Claus Is Back In Town“, urteilte jedenfalls Led Zeppelins Robert Plant, für den Elvis damit perfekt den Geist der Weihnacht getroffen hatte.
Man kann es zum Fest der Selbstbesinnung eben keinem recht machen. Weil Perry Farrell „Little Drummer Boy“ von Bing Crosby und David Bowie „makellos“ fand, schäumte Strangler Jean-Jacques Burnel: „Dieser Haufen Scheiße ist der Favorit des Jane’s-Addiction-Sängers? Wie geschmacklos!“
Auch aktuelle Platten dürften wieder Kontroversen anheizen. Direktvergleiche bieten sich dazu an. Das Duett „Baby, It’s Cold Outside“, von Frank Loesser 1944 für seine Frau geschrieben, singen Rufus Wainwright und Sharon Van Etten zur kuscheligen Klavierbegleitung erwartungsgemäß so, als wäre seit dem Zweiten Weltkrieg die Zeit stehen geblieben. Kaum moderner in der plüschigen Nachtklub-Atmosphäre, aber etwas aufdringlicher tönen die beiden „The Voice“-Castingshow-Coaches Cee Lo Green und Christina Aguilera. Auch das angeblich am häufigsten gecoverte Weihnachtslied, Mel Tormés „The Christmas Song“, geht wieder ins Rennen. Paul McCartney kann sich auf seine Seniorenpatina verlassen, bei Cee Lo stolpert der Beat. Rufus und McCartney sind neben den Shins und Calexico auch Teil der Compilation „Christmas Rules“, mitproduziert von Decemberist Chris Funk. Green hat das Album „Cee Lo’s Magic Moment“ im Alleingang (allerdings mit Gästen wie den Muppets und Rod Stewart) vollgesungen.
„Christmas Rules“ ist ganz auf Leichtverdaulichkeit angelegt und schunkelt, schwelgt und schwoft so selbstgenügsam (aber doch mit einigen schönen Momenten) vor sich hin, wie es die meisten „Indie“-Bands eben auch auf ihren eigenen Erzeugnissen tun. Während Cee Lo mit großer Pose vor allem beweist, dass sich die Uhr in die Ära, als Motown eine klasse Weihnachtsplatte nach der anderen heraushaute, doch nicht zurückstellen lässt.