Kleiner ist feiner
RUND 220 LEUTE PASSEN in den Notting Hill Arts Club, einen Betonkeller, der weder so schick noch so angeberisch aussieht, wie es Name und Ort vermuten lassen. Früher inszenierte Alan McGee, der Chef von Creation Records, in diesem Bunker – der sich dank altmodischer Diaprojektionen des Nachts verwandelt – den wöchentlichen Rock’n’Roll-Aufstand namens „Death Disco“ (die Libertines zitieren die Party in „Don’t Look Back Into The Sun“). Seit Sommer 2006 veranstalteten drei Musiker hier einen monatlichen Sonntagsevent namens „Communion“.
Zu den auftretenden Stars der ersten Stunde gehörten Laura Marling, Noah And The Whale und Mumford And Sons – schließlich ist Mumfords-Keyboarder Ben Lovett einer der Musiker, die Communion -das Event und das Label – gegründet haben. Allgemein und ziemlich unoriginell gilt die Clubnacht als „Nu Folk“-Event. Tatsächlich findet man im Programm auch das rumplige Frauen-Duo Deap Vally aus L. A. oder man hört Michael Kiwanukas zärtlich soulvolle Stimme und ambitionierten Indie-Pop-Nachwuchs. Diese Mischung erlebt man mittlerweile auf Communion-Abenden in ganz Großbritannien (und in Sydney, Brooklyn, Nashville, San Francisco). Aber in Notting Hill konzentriert man sich vor allem auf auffälligen Nachwuchs. „Wegen der besonderen Erlebnisqualität“ bleibt man mit dem Communion-Abend noch immer in den recht intimen Räumen.
„Ich glaube fest an unabhängige Clubs und diese Art von Gemeinschaft“, sagt Lovett. „Die Leute vom Arts Club arbeiten dort schon seit Jahren und das merkt man einfach.“ Nachdem Mumford And Sons eine längere Auszeit angekündigt haben, hat Lovett derzeit die Muße, sich in den USA um sein Communion-Label und dessen Künstler zu kümmern (dieser Brief kommt zwar aus London, ist aber via New York umgeleitet) – und einiges über die Probleme Londoner Clubbetreiber zu erzählen. „Niemand sollte es wegen des Geldes machen“, sagt er. „Es gibt wesentlich lukrativere Verdienstmöglichkeiten als Musikclubs oder Plattenlabels.“ Communion veranstaltet Konzerte und Partys in allen möglichen Londoner Venues – von Pubs wie dem Sebright Arms, einer holzgetäfelten Kneipe für Hackneys Hipster, über die schöne Union Chapel, eine neugotische Kirche in Islington, bis zu Lovetts Lieblingsclub, dem Shepherds Bush Empire, einer ehemaligen Music Hall mit 2000er-Kapazität. Allerdings befürchtet er, dass es durch die rasant steigenden Immobilienpreise einerseits und das Fehlen jeglicher staatlicher Förderung oder Subvention (wie es sie in Frankreich, Norwegen oder Kanada gibt) für unabhängige Clubs zunehmend schwieriger wird, zu überleben und ihren Charakter zu bewahren.
„Es vergeht kein Jahr, in dem man nicht vom Ende einer tollen Location hört“, erzählt er. „Wenn man die Treppen im Shepherds Bush Empire oder dem Borderline runterkommt, kann man die Bands wirklich spüren, die dort gespielt haben. So etwas entsteht nicht einfach von heute auf morgen. Wenn man einen Baum fällt, kann man natürlich einen neuen pflanzen – aber es dauert eben Jahre, bis er wächst. Und genauso wächst so ein Musikort aus seiner Geschichte.“
Unser Autor David Swindells war 20 Jahre Redakteur beim Londoner Stadtmagazin „Time Out“. Nächsten Monat schreibt David Fricke wieder aus New York.