GEORGE HARRISON 1943 – 2001 – L’Angelo nmisterioso
Seit er sich am 29. November auf den Weg ins Nirwana machte, sind der Würdigungen genug geschrieben. Statt einer weiteren Laudatio erinnert David Fricke an zehn Sternstunden im Leben des Mannes, der sich selbst scherzhaft „L’Angelo misterioso“ – und den Lennon „the invisible man“ nannte CRY FOR A SHADOW von Gcorve Harrison &John Lennon 2Z/23.Juni 1961, Friedrich-Ebert-Halle, Hamburg 1 in instrumentaler Rohdiamant, fast im – Alleingang von dem 18-jährigen George geschrieben und bei der ersten professionellen Aufnahmesession quasi nebenher eingespielt – und nicht nur das: „Cry For A Shadow“ war der erste genuine Beatles-Song, der auf Platte erschiensechs Monate vor der Veröffentlichung von „Love Me Do“ in England im Oktober ’62. Harrison, Lennon, McCartney und ihr erster Drummer Pete Best hatten damals ihr zweites ausgedehntes Engagement in Hamburg. Der Schlagerproduzent und Bandleader Bert Kaempfert sah sie im „Top Ten“, wo sie mit Tony Sheridan auf der Bühne standen. Kaempfert schickte sie umgehend ins Studio. Sieben Songs nahmen sie auf, und im Oktober packte Kaempfert „My Bonnie“ und „The Saints“ auf eine Single, veröffentlichte sie unter dem Namen „Tony Sheridan and the Beat Brothers“ – und entschied sich für „Cry For A Shadow“ als einziges aufnehmenswertes Originalstück der Beatles. Es hieß ursprünglich „Beatle Bop“ und klang ziemlich nach den Shadows – mit einer Melodie, die praktisch aus nur einer einzigen Note bestand, zum Staccato zerhackt und heulendnach unten gezogen. Yon Lennons Rhythmusgitarre angefeuert (deshalb durfte er sich auch Co-Autor nennen) und von den Schreien McCartneys akzentuiert, demonstriert der Song Harrisons spielerische Präzision in voller Blüte – wenngleich noch auf halbem Weg zwischen seinen frühen Einflüssen, den Rockabilly-Göttern Carl Perkins und Scotty Moore, und dem ganz eigenen twang späterer Solos. „Ich merkte sofort, dass sie enorm talentiert waren“, sagte Kaempfert später über seine Zöglinge. „Aber niemand – die Jungs eingeschlossen – wusste dieses Talent richtig einzusetzen – oder ahnte, wohin sie das noch führen würde.“ Immerhin war Kaempfert weise genug, Harrisons Gitarre ganz nach vorn zu mischen – da, wo sie hingehörte. DON T BOTHER ME ton George Harnson 11./12. September 1963, EMI-Studios, London Der erste Harrison-Song, der es auf ein Beatles-Album schaffte; entstand im August 1963, als sie eine Woche lang in Bournemouth spielen mussten – und George tagsüber krank im Hotelzimmer lag. Der unverblümte Text („So go away/ Leave me alone/Don’t bother me“) verweist deutlich auf Harrisons Skepsis gegenüber dem Star-Rummel, auf das dringende Bedürfnis nach mehr Privatsphäre in Zeiten der Beatlemania: In dem Moment, als sich die Welt ihm zu Füßen warf, sang George schon von seinem Problem mit diesem Erfolg – und mit der Band, die diesen Erfolg ermöglicht hatte. „Es fiel mir immer schwer, John, Paul und Ringo zu sagen, dass ich auch einen Song für ein Album hatte“, gestand Harrison 1969., Jch kam mir vor wie in einem Wettbewerb – bei dem die Latte ganz schön hoch lag: John und Pauls Songs waren sehr gut Ich will ja nicht, dass die Beades Müll aufnehmen, nur weil er von mir ist.“ Als Beatle und spät gereifter Songwriter wurde Harrison nie in dem Maß mit Lorbeeren überschüttet wie Lennon und McCartney. Aber seinen legitimen Status als dritter im Bunde zweifelte er nie an: „Manchmal kriegt halt einfach der die meisten Songs auf ein Album, der sich am meisten ins Zeug legt das ist auch eine Charakterfrage“, sagte er im selben Interview. „Wenn ich Songs auf einer Platte singen soll, können es genauso gut meine eigenen sein.“ A HARD DAY’S NIGHT mnjohn Lennon und Paul McCartney 16. April 1964, EMI Studios, London j v an hört die Beatles im Studio nicht oft etwas verhunzen. Aber die diversen Outtakes dieses Pop-Klassikers dokumentieren auf faszinierende Weise Harrisons Ringen um Perfektion. Lennon hatte den Song erst am Tag vor der Session fettig geschrieben, und die Beades nahmen ihn in halsbrecherischen drei Stunden auf. Im Take One, zu finden auf“Anthologyl“, weiß Harrison für sein Solo noch keine Struktur, versucht sich zögernd an einem Riff auf seiner 12-saitigen Rickenbacker. Bei einem weiteren Take, der in den 80er Jahren auf einem Bootleg erschien, fummelt George buchstäblich auf den Saiten herum, kommt ständig aus dem Takt und greift häufig total daneben. Aber als die Beatles die Session – und den Song um zehn Uhr abends beenden, hat sich Harrisons lismus inspiriert. Part zum prägnantesten Element eines ihrer größten Hits gemausert. Seine Rickenbacker ist es, die die Harmonien über Lennons Eingangsakkord fließen lässt, sein klingelndes Arpeggio im Fade-Out Und in der Mitte spielt er eines seiner flüssigsten Soli, einen leuchtenden Lauf aufsteigender Töne, die George Martin am Klavier aufgreift und beantwortet. „George brauchte immer ziemlich lange, um seine Soli auszufeilen“, erinnert sich Toningenieur Geoff Emerick. „Ihm fiel alles ein bisschen schwerer – es kam nie wie von selbst.“ Aber Harrisons bemühte Sorgfalt gehörte essenziell zum Arbeitsprozess der Beatles, er war die ausgleichende Kraft zwischen Lennons Sturm und Drang und McCartneys melodischer Leichtigkeit. „Wenn man ihn im Studio mit seiner Gitarre ackern sah“, sagt Emerick, „war klar, dass er als Musiker ganz bewusst weiterkommen wollte.“ EVERYBODY S TRYIMG TOBEMY BABY von Carl Perkins 25. November 1964, Playhouse Theater, London > ei einer Aftershow-Party der Beatles im Mai ’64 marschierte Harrison auf Carl Perkins zu, stellte sich vor und fragte die Rockabilly-Legende: „In welcher Tonart steht ,Honey Don’t‘?“ In E, sagte Perkins. Harrison drehte sich zu Lennon um: „Ich hab dir’s ja gesagt, wir spielen’s falsch.“ In ihren frühen Jahren coverten die Beatles mehr Lieder von Perkins als von jedem anderen Songwriter, und der größte Perkins-Fan unter ihnen war George. Als angehender Rock’n‘ Roller nannte er sich zeitweilig Carl Harrison, und sein nur scheinbar schlichter Stil auf der Gitarre – dieser präzise Rhythmus, die prägnant reduzierten Solo-Ideen – waren ganz deutlich von Perkins‘ sonnigem Country-MinimaBei „Everybody’s Trying To Be My Baby“ durfte Harrison schon früh seine gesanglichen Qualitäten demonstrieren. Zwischen ’63 und ’65 nahmen sie den Song mehrmals für die BBC auf, und die offizielle Fassung für „Beatles For Säle“ hauten sie am 18.10. ’64 in der Abbey Road auf Band – ein Take genügte. Perkins textliche Anspielungen auf Rockstar-Egos und sexuelle Eskapaden besaßen für Harrison noch zusätzliche Ironie: Wenn er da die ersten Zeilen singt -„Well they took some honey from a tree/Dressed it up and they called it me“ -, dann kommentiert das spöttisch den plötzlich auf dir lastenden Ruhm. In einem Interview mit BBC-Moderator Brian Matdiew vor einer Ausstrahlung des Songs 1964 sagt Harrison trocken: „Ich hab den Song nicht geschrieben, obwohl er ziemlich hochnäsig klingt.“ – Die anfängliche Unschuld der Beatlemania zeigt bereits Risse. IF I IVEEDED SOMEOIVE Harnson 16. /18. Oktober 1965, EMI Studios, London f „^ leses hwing-Juwel war Resultat eines ganz erstaunlichen Austausches von Einflüssen zwischen den Beatles und einer ihrer liebsten neuen Bands, den Byrds. Roger McGuinn, Gene Clark und David Crosby hatten 1964 in L. A. Demos aufgenommen, lauter akustische Folknummern – bis McGuinn „A Hard Day’s Night“ im Kino sah, genauer gesagt: die kirschrote elektrische 12-String-Rickenbacker, die Harrison da spielte. „Ich schleppte meine akustische und mein Banjo gleich in das nächste Musikgeschäft“, erzählte McGuinn später, „und tauschte sie gegen eine elektrische ein.“ McGuinns 12-String-Rickenbacker wurde zum Markenzeichen der Byrds, zum prägenden Instrument der FolkDie Beatles erwiderten die Verneigung. Lennon und McCartney sahen sich Anfang ’65 eines der ersten Byrds-Konzerte in England an, und im August, an einem freien Tag ihrer US-Tour, besuchten Harrison und McCartney eine Studiosession der Byrds in L. A. „Wir nahmen gerade ,She Don’t Care About Time‘ auf“, erinnert sich McGuinn, „und George stand total auf dieses Bach-Ding, das ich im Mittelteil spielte“ (ein Zitat aus dem Choral Jesu bleibet meine Freude“). „George sagte: ,Super. Total gut.‘ Er war begeistert davon, wie ich das Zitat eingebaut hatte.“ Zwei Monate später erwies Harrison McGuinn die Ehre, ihn seinerseits zu zitieren – als die Beatles „If I Needed Someone“ aufnahmen. Die kristallinen Riffs waren eindeutig von McGuinns Leadfigur in „The Beils Of Rhymney“ abgeleitet, einem Song ihres Debütalbums ,JWr. Tambourine Man“. „George war da ganz offen“, sagt McGuinn. „Er schickte uns die Platte und schrieb: JDas ist für Jim – wegen des Licks.'“ TAXMAN von Gcorvc Harrison 20. ¿ 22. April 1966, EMI Studios, London McCartney spielte dieses wüste Gitarrensolo, Lennon steuerte Ideen zum Text bei. Aber in seinem Zynismus und dem reduzierten rhythmischen Kick war „Taxman“ ganz und gar Harrisons Triumph, und die anderen drei Beatles wussten das: Harrisons hämischer Hieb gegen steuerlichen Straßenraub durch „her majesty’s government“ gewann die begehrteste Position auf „Revolver“: Seite 1, Track 1. „Zur Zeit von .Taxman‘ fiel mir erstmals auf, dass wir zwar so langsam richtig Geld verdienten, aber den größten Teil wieder abliefern mussten“, schrieb Harrison in seiner Autobiographie“LMeJVIine.“ Im ersten Couplet des Texts („Let me teil you how it will be/ there’s one for you, nineteen for me“) zieh Harrison die britische Krone außer des Diebstahls auch noch der Heuchelei: Die eine Hand verteilte Orden, derweil sich die andere das Gros des Beatles-Gelder griff. Wobei die Beatles keine parteilichen Präferenzen erkennen ließen: In „Taxman“ trällern Lennon und McCartney in spöttischem Falsett die Namen von Harold Wilson als auch Edward Headi – den jeweiligen forsitzenden von Labour und Tones. Von der Politik abgesehen, kann man den Song auch als Brückenschlag zwischen dem frühen Gitarrenpop und den allmählich aufkommenden psychedelischen Experimenten verstehen: „Taxman“ ist letztlich minimalistischer Funk, Harrisons verzerrte Akkorde gegen einen tanzbaren R&B-Beat – offenbar hatte er bei einigen Hits der Saison genau hingehört, bei James Browns „I Got You“ oder „Somebody Help Me“ von der Spencer Davis Group. Wenn man indes den Raga-Touch der Melodie in Betracht zieht und die vielen Überstunden, die Harrison und Geoff Emerick bei „Taxman“ – und „Revolver“ überhaupt in den Gitarrensound investierten, klingt hier auch schon Zukünftiges an: die Auseinandersetzung mit der Sitar und indischer Musik, Songs wie „Within You Without You“ und „The Inner Light“. „Wir waren extrem pingelig in Soundfragen“, sagt Emerick über seine Arbeit mit Harrison. „Und ich glaube, er war langsam frustriert. Er hatte die ganzen Gitarrensachen ja nun gemacht und wollte in eine andere Richtung. ,Within You Without You‘ – da zog es ihn hin. Die drei anderen waren entsetzt, aber George meinte es vollkommen ernst.“ WITHIN YOU WITHOUT YOU von Gcorvc Hamson 15 J 22. März und 3. April 1967, Abbey Road Studios, London ine Party in L. A. im August 65 veränderte Harrisons musikalisches Leben für immer. Die Beatles waren für ein Konzert in town. In dem Haus in den Hollywood Hills, wo sie wohnten, bekamen sie Besuch von den Byrds. Man saß zusammen, rauchte Joints. „Wir hockten auf dem Boden und spielten Gitarre“, erinnert sich Roger McGuinn. David Crosby zeigte Harrison „ein bisschen was von Ravi Shankar. Er stand da drauf, weil Dick Bock vom Vforld Pacific Studio (wo die Byrds ihre Demos eingespielt hatten) gerade Ravi Shankar produzierte.“ Harrison hatte kurz vorher zum ersten Mal eine Sitar gesehen – bei dem Dreh zum zweiten Beatles-Film „Help!“ „Wir waren bei der Szene im Restaurant, wo der Typ in die Suppe fliegt“, erklärte er in einem Interview, „und da spielten indische Musiker im Hintergrund. Ich griff mir die Sitar und dachte:, Was für ein seltsamer Sound.'“ Der Sound wurde zu seiner Leidenschaft – und zur Blüte gebracht in diesem Song für „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. BADGE TOiifcnc Clapton & Georve Htirriwn Oktober 1968 Wenn er mich um irgendetwas bittet“, sagte Eric Clapton in einem ROLLING STONE-Interview über Harrison, „bekommt er es – so gut ich kann und wann immer ich kann.“ Dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit und war Basis einer musikalischen wie persönlichen Freundschaft, die fast 40 Jahre hielt und nicht einmal zerbrach, als Clapton seinem brüderlichen Freund ganz unbrüderlich die Frau ausspannte. (Auf „Layla And Other AssortedLore Songs“, seinem ’70er Album mit Derek and The Dominoes, sang Clapton offen und unverblümt über seine Liebe zu Patti Boyd.) Die beiden lernten sich Ende ’64 kennen, als Claptons Band, die Yardbirds, bei den Weihnachtsshows der Beatles im Londoner „Hammersmith“ den begehrten Platz als Vorgruppe ergatterte. „Er checkte mich ab“, erinnert sich Clapton, „und ich ihn – wollte mal sehen, ob er ein richtiger Gitarrist war. War er.“ „Badge“, bis heute ein Standard in Claptons Live-Repertoire, war ihr erstes Co-Writing-Abenteuer und entstand füt „Goodbye* 1 , sein letztes Album mit Cream. Harrison – der in den Credits als „LAngelo Misterioso“ auftaucht – spielte auch die Rhythmusgitarre, und sein melodisches Feingefühl prägt den Song. Clapton sollte zwar noch in zwei Bands spielen — Blind Faith und den Dominoes -, bevor er den Solopfad einschlug, doch Harrisons Pop-Einfluss auf seine spätere, weniger puristische Musik ist schon bei „Badge“ spürbar. Der Song ist eine textlich etwas kryptische Reflexion über eine missglückte Beziehung, mittendrin unterbrochen durch ein typisches, durch Leslie-Boxen gespieltes Clapton-Riff. Dieser Mittelteil, diese bridge, gab dem Song seinen Namen, wie Harrison erzählte: „Ich hatte den Text fertig, Eric hatte die Bridge und die ersten Akkorde. Als ich den Text aufschrieb und zum Mittelteil kam, notierte ich: ,Bridge‘. Eric saß mir gegenüber und fragte:, Was heißt das – „Badge“?‘ Dabei blieb’s, weil er bei dem Titel immer lachen musste.“ SOMETHING von Georvc Harrison 25. Februar bis 15. August 1969, EMI Studios, London m 25. Februar anno ’69, seinem 26. Geburtstag also, nahm Harrison in den EMI-Studios drei Demos auf. Er sang und spielte Gitarre und Klavier, unterstützt nur von Techniker Emerick. Ergebnis der Session: je zwei Takes von „Old Brown Shoe“ – das die Beatles wenig später für eine B-Seite aufnahmen – und „All Things Must Pass“, Titelsong seines Soloalbums von 1970. Und: die Rohversion einer Ballade, die er bei den Aufnahmen zum „JVhite Album“im Vorjahr geschrieben hatte: „Something“. Harrison 8t Co. sollten an diesem Song im Lauf des nächsten halben Jahres noch viel herumlaborieren; immer wieder kamen sie während der Aufnahmen zu ,^AbbeyRoad“ darauf zurück, änderten Teile, schliffen am Arrangement, nahmen Parts neu auf- bis er perfekt war. Lennon gestand später, er halte „Something“ für den besten Song aai >y Abbey Road“. Es war auf alle Fälle der Song, mit dem Harrison sowohl künstlerisch wie auch kommerziell als Popkomponist erwachsen wurde, mit dem er sich endlich den Respekt erwarb, den ihm Lennon und McCattney so lange verwehrt hatten – und in gewisser Weise auch George Martin. „Der Song verschlug mir die Sprache“, sagte der später über „Something“, „weil ich George das nie zugetraut hätte. Er schrieb damals schon verdammt gute Songs. Er war in einer schwierigeren Position als die anderen beiden, weil ihm ja ein inspirierender Counterpart fehlte. Das machte ihn zum Einzelgänger. Dass er aber wirklich Talent besaß, merkte ich erstmals bei ,Here Comes The Sun‘. Doch ,Something‘ war nochmal eine ganz andere Dimension… und gleichzeitig so ungeheuer simpeL“ Am 15. August, dem letzten Aufnahmetag, stand Harrison bei den Streicher-Overdubs neben Martin auf dem Dirigentenpodium und spielte sein Solo neu ein, diese funkelnde Mixtur aus dreckigen Slidelicks und romantischem Schmelz. „Er spielte tatsächlich live zum Orchester“, erinnert sich Geoff Emerick. „Er war stets nervös, wenn es um seine Songs ging“, sagt George Martin, „weil er ja wusste, dass er nicht der Nummer-Eins-Songwriter in der Band war. Er musste sich immer mehr bemühen als die anderen.“ Mit „Something“ aber bewies sich der Gitarrist vor sich selbst und vor der ganzen Welt „Ich machte mir zeitweilig forwiirfe, weil ich ihm früher nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatte“, gesteht Martin. „Nur muss man auch sehen, dass ich es mit Lennon und McCartney zu tun hatte – wer wollte mir vorwerfen, dass ich mich auf sie konzentrierte? Sie waren die wohl größten Songwriter, die wir je hatten, und lieferten Hochkarätiges am laufenden Band. Aber“, fügt er hinzu, „am Ende hat George es geschafft. Trotz all der Ermutigung und Unterstützung, die ich ihm vorenthalten habe.“ MY SWEET LORD von George Harrüon Aufgenommen zwischen Mai und August 1970 Es war ein achtzeiliges Gebet, das zum erfolgreichsten Hit von Harrisons Solokarriere avancierte. Und so zwingend war seine Melodie, so bezwingend seine Glaubensbotschaft, dass es selbst Lennon, den alten Antichrist, dazu bewog, seine Position zu überdenken. „Langsam fange ich an zu glauben, dass es doch einen Gott gibt‘, sagte er zu „My Sweet Lord“. Harrisons Solo-Debüt „AU Things Must Pass“ war letzdich ein sechs Plattenseiten langer Gottesdienst, eine autobiografische Hymne auf seine Wiedergeburt durch Krishna. Das Gros der 15 Eigenkompositionen darauf entstand 1969, als er sich nicht länger von den Grenzen, die ihm die Beatles setzten, einengen und bremsen lassen wollte. „My Sweet Lord“ flog ihm zu, als er bei einer Delaney 8C Bonnie-Tournee als Gast-Gitarrist einsprang. Inspiriert vom Erfolg der Edwin Hawkins Singers mit „Oh Happy Day“, schrieb Harrison „My Sweet Lord“ bei einem Tourstopp in Kopenhagen, wurde nach Erscheinen der Single aber in einen endlosen Rechtstreit verwickelt, weil er angeblich drei Töne der Melodie aus „He’s So Fine“geklaut hatte, einem ’63er Hit der Chiffons. Dabei war „My Sweet Lord“ eigentlich ja eher ein legitimer Spross der US-Gospeltradition, ein Psalm an Krishna, den Harrison und Coproduzent Phil Spector mit etwas kommerziellem Zucker und ökumenischem Swing angereichert hatten. „Nähmen wir das Album heute auf, würde ich es ganz anders produzieren“, sagte Harrison, als „AH Things Must Pass“ 2001 als edle CD-Box neu veröffentlicht wurde. „Aber es war meine erste Soloplatte, und deshalb hatte ich Phil Spector dazugeholt. Jeder, der ihn kennt, kennt auch seinen ,waüofsound‘. Heute würde ich das jedoch wesentlich schlichter produzieren.“ Harrison verlor den Prozess um die drei Töne auf „My Sweet Lord“ und musste knapp #600 000 Schadenersatz zahlen. Und ließ sich eine kleine Rache aber nicht nehmen: Für das Album „Thiriy-Three And 1/3“ nahm er eine schlicht „This Song“ betitelte Satire auf, deren Text betont, sie sei rechtlich völlig unbedenklich: „This tune has nothing bright about it/This tune ain’t good or bad and come ever what may/My expert teils me it’s OK.“ J3