The Fireman
Electric Arguments
One Little Indian
Ein grimmiger Bluesrockriff poltert einem entgegen, verhöhnt die Liebe, die verraten wurde, klagt die Betrügerin und die arglistige Täuschung an, übertönt alles Schönreden und lässt keinen Zweifel – Vergebung ist nicht in Sicht. Mit einer knurrigen Tirade beginnt dieses Album, mit einer Katharsis namens „Nothing Too Much Just Out Of Sight“, in die Paul McCartney all den privaten Frust der letzten Jahre hineinzupacken scheint.
Es fällt schwer, diesen knatternden und brummenden Wutausbruch, der sich einem auf „Electric Arguments“ breitbeinig in den Weg stellt, nicht als McCartneys Kommentar auf seinen Rosenkrieg mit Heather Mills zu verstehen. Dennoch führt einen dieser Aufreger auf eine falsche Fährte. So heftig lamentierend und autobiografisch verbindlich krachend wie der Opener wird keiner der folgenden Songs sein. Statt um Vergangenheitsbewältigung geht es hier um Versuchsanordnungen, Laborexperimente, um Finger- und Stilübungen. Spielten Paul McCartney und der Produzent Youth, die sich hinter The Fireman verbergen, bei den Alben „Strawberries Oceans Ships Forest“ (1993) und „Rushes“ (1998) vor allem mit den Möglichkeiten von Ambient, Trance und House, erproben sie nun ein paar Genres zusätzlich, widersetzen sich nicht mehr dem Gesang, gestalten den ersten Teil des Albums eher mit den Mitteln von Blues, Rock und Folk und kehren erst gegen Ende der Platte dahin zurück, wo ihr Projekt seinen Anfang nahm.
Ein Studiomitarbeiter hatte vorab ausgeplaudert, dass die Scheibe „like Arcade Fire meets Led Zeppelin“ klingen würde. Und wenn man nun Songs wie „Nothing Too Much Just Out Of Sight“, die akustische Ballade „Two Macpies“ oder das epische „Travelling Light“ hört, versteht man, was damit gemeint war. „Sing The Changes“ ist dagegen eigentlich ein typischer McCartney-Song. Aber einer, bei dem er den Refrain vergessen hat, dessen Strophe sich in einem Poploop verheddert. Steckt da der Versuch dahinter, Erwartungshaltungen zu durchbrechen? Oder hat es damit zu tun, dass jeder der 13 Songs auf dem Album an nur einem Tag aufgenommen wurde und einige Nummern nicht wirklich zu Ende gedacht werden konnten? Bei „Sun Is Shining“ zum Beispiel, das bei aller Melodieseligkeit doch arg nach Ideenskizze klingt. „Highway“ ist jedoch ein robust verpackter Rock-Ohrwurm, „Light From Your Lighthouse“ ein grandioses mit Banjo verziertes Sing-along. „Dance ‚Til We’re High“ euphorisierender Bombastpop.
Der Einfluss von Youth ist bis zu diesem Zeitpunkt kaum wahrnehmbar. Das zunächst folkloristisch anmutende „Lifelong Passion“ und der zarte Chill-out-Track „Is This Love?“ stellen aber den Wendepunkt des Albums dar. Zu „Lovers In A Dream“ könnte man sich dann auch selbstvergessen in Goa im Kreis drehen. Bei „Universal Here, Everlasting Now“ behauptet sich eine sanfte Klaviermelodie zunächst gegen klingelnde Telefone und verschwörerisches Flüstern, bevor es von einem drängelnden Beat fortgerissen wird. Der Gesang taugt in dieser meditativen Suite nur noch zur Verzierung. Und im opulenten „Don’t Stop Running“ schließlich, bei dem Paul McCartney mit Kopfstimme von still Liebenden und lächelnden Engeln singt, ist dann von dem brachialen Rocker und der Grimmigkeit, die am Anfang des Albums standen, nur noch eine zarte, durch den Song schwebende Ahnung übrig. (One Little Indian)