Diverse – The Big Stiff Box

Im Jahre 1976 ein Indie-Label zu gründen, das vor allem auf Erfolg mit Singles setzte, grenzte schon an Hirnrisss. In dem Jahr verkauften die Plattenfirmen Langspielplatten millionenfach – von Stevie Wonder und Paul McCartney, Fleetwood Mac und Eagles, Rod Stewart und Elton John, Paul Simon, Pink Floyd, Steve Miller Band und anderen, für deren Erfolgs-LPs sich der neue Begriff „Megaseller“ einbürgerte.

Das hinderte Produzent/Promoter Dave Robinson und seinen Kumpel Andrew Jakeman, Tour-Manager der Pub Rock-Band Dr. Feelgood. aber nicht daran, das Indie-Label Stiff Records zu gründen und ihre Single-Strategie zu entwerfen. Dafür hatten sie 400 Pfund von Feelgood-Sänger Lee Brilleaux geliehen. Für die Aufnahme ihrer allerersten Single, Nick Lowes „Heart Of The City“, gaben sie die schwer rekordverdächtige Summe von 45 Pfund aus. In ihrem erfolgreichsten Geschäftsjahr nahm die Firma vier Millionen Pfund ein. Am Ende wurde sie, runtergewirtschaftet. für 300 000 Pfund an ZTT Records verkauft. Zwischendurch mit Chris Blackwells Island Records zu fusionieren, war eine krasse Fehlentscheidung gewesen, die Robinson rasch bereute. Da war die Unternehmensphilosophie wohl doch eine gänzlich andere. Für richtigen cash flow sorgten ab Mitte der 80er Jahre nur noch die Erfolge der Pogues.

Vorher hatte Stiff auch schon einige durchaus erfolgreiche LPs veröffentlicht – von Elvis Costello, Ian Dury und Graham Parker etwa. Aber langfristigen Karrieren ebnete man kaum jemals umsichtig den Weg. Der richtig gute Jona Lewie war für ein paar Hits und zwei noch bessere Langspielwerke gut. aber Devo zogen doch lieber bald zur Konkurrenz und Richard Bransons Virgin weiter, um die Debüt-LP zu veröffentlichen. Was Nick Löwe klugerweise und nach ihm Elvis Costello beim zweiten Album dann auch tat. Richtig loyal waren einige Jahre lang nur Madness, bevor die nach ihrer famosen Serie von Top-LPs 1985 dann doch ihr eigenes Label gründeten. Bis dahin hatte man bei der Firma wohl noch ungebrochen an den Slogan geglaubt, mit dem man einmal angetreten war und der viele T-Shirts zierte: „If It Ain’t Stiff It Ain’t Worth A Fuck!“

Der Grund dafür, dass nach dem Box-Set, das Rhino 1992 vorlegte, auch dieses neue ausschließlich mit Singles – 98, stolze zwei Titel mehr als Rhino! – aufwartet, liegt auf der Hand. So dokumentiert man, dass Stiff (vermeintlich zumindest) kompromisslos eine Singles-Philosophie kultivierte, von Mickey Jupp gibt es als Kostprobe hier darum nur „Old Rock ’n‘ Roller“, von Ian Dury und Nick Löwe die frühen Evergreens, von Jona Lewie natürlich „You’ll Always Find Me In The Kitchen At Parties“ und „Stop The Cavalry“, von Madness und Pogues nur ausgewählt wenige Aufnahmen. Von Lili Premilovich alias Lene Lovich (wie Rachel Sweet einer der „US-Importe“ des Labels) „Say When“ (ihr Top-3-Hit) und die wenig denkwürdige Cover-Version von „I Think We’re Alone Now“. Any Trouble und Kirsty MacColl machen in dieser Umgebung keine üble Figur. Und „White Line Fever“ von Motörhead ist eine Kuriosität.

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