Norman Petty: Entdecker, Produzent, Profitmacher
Norman Petty erkannte Buddy Hollys Talent sofort, perfektionierte seinen Sound - und kümmerte sich dann leider etwas zu sehr um den Nachlass
Noch in den letzten Jahren vor seinem Tod verging kaum ein Tag, an dem Norman Petty nicht an seinem Studio in Clovis/New Mexico herumbastelte, die Bandmaschinen wartete, die kalten Röhren unter Strom setzte und die Mikros für imaginäre Sessions ausrichtete. Als er im Sommer 1984 starb, verkaufte seine Witwe Violet zwar Teile des Anwesens, beließ im Studio jedoch alles beim Alten. Weshalb vier Pilger aus Texas – drei Austinites und ein Berliner – etliche Jahre später staunend und, ja doch, ergriffen jenen magischen Ort betraten, wo einst nicht nur Buddy Hollys beste Aufnahmen entstanden waren. Sicher, es lag eine dicke Staubschicht auf dem Mischpult und ein paar Katzen wurden aufgescheucht, als Vi die Tür zum Allerheiligsten öffnete, doch tat das unserer Andacht keinen Abbruch. Dies war das Bernsteinzimmer des Rock’n‘ Roll, hier hatte Norman Petty aus rohem Material Kleinode geschliffen, anfangs mit primitivsten Mitteln, hatte probiert und experimentiert, so lange, bis das Double-Tracking auf „Words Of Love“ saß wie angegossen, bis sich der Percussion-Effekt auf „Everyday“ anhörte, als klatsche jemand den Takt auf den Knien, bis der Puls von „Peggy Sue“ hypnotisierte. Dazu verlegte Petty die Drums nach draußen, jagte sie durch eine Echokammer und brachte sie dann in eine hochdynamische Balance zu Buddys Stimme, so prekär wie perfekt.
Nachts, wenn Norman Petty allein war, unterzog er die Resultate seiner akribischen Studioarbeit dem Härtestest, indem er Azetate von den Aufnahmen herstellte, die er über seinen hauseigenen, ohne Lizenz betriebenen Radiosender ausstrahlte. Danach tauchte er mittels zahlloser Laternen die Gegend um sein Anwesen in ein fahles Pink und fuhr in seinem Cadillac durch die rosa Wüste, im Autoradio den eben fertiggestellten Track. Erst wenn die Aufnahmen diese Prüfung bestanden hatten, gab sie Petty zur Veröffentlichung frei.
Anders als etwa die Produzenten der Studios in New York oder Nashville, gönnte sich Petty den Luxus, generös mit dem Faktor Zeit umzugehen. Wurde andernorts stundenweise abgerechnet, ließ er sich einfach pro Session bezahlen. Dauerte es länger, wurden seine Dienste nicht teurer. Ein Entspannungsmoment, das Buddy Holly zu schätzen wusste. Im Übrigen war der Sänger höchst unzufrieden mit den Recordings, die in Nashville für Decca entstanden waren. Wo man umgekehrt auch wenig von dem Texaner hielt. „Buddy Holly is the biggest no-talent I ever worked with“, hatte Deccas Paul Cohen gehöhnt. Norman Petty, dessen Ohr für Songs und dessen Riecher für Talent in vielen Jobs als DJ, Musiker, Bandleader, Toningenieur und Produzent geschärft worden waren, erkannte indes schnell: „This boy is dynamite“.
Ohne Norman Pettys Rolle als Pionier in Sachen Studiotechnik und Klangästhetik schmälern zu wollen: Als Manager wie als Erbwalter erwarb er sich einen eher dubiosen Ruf. Buddy Holly hatte 1958 nicht zuletzt deshalb sein Heil in New York gesucht, weil Pettys Promo-Aktivitäten unzulänglich waren und sein gewohnheitsrechtlicher Anspruch, sich selbst als Co-Autor von Hollys Hits zu verewigen – durchaus noch gang und gäbe in den frühen Fünfzigern -, dem Songschreiber inzwischen dreist erschien. Und so betreute Petty nach dem Split die Crickets und nach Buddys Tod dessen auch unveröffentlichten Nachlass. Den er mit Overdubs aufmöbelte und nicht selten in einem Streichermeer ertränkte.
Im Jahr 1973 verkaufte er seine Rechte am Holly-Katalog schließlich an Paul McCartney. Der glaubhaft versicherte, dies sei für ihn kein Geschäft, sondern eine Herzensangelegenheit, denn ohne Buddy Holly hätte es die Beatles so nicht gegeben.