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1985: Das größte Musikspektakel aller Zeiten – Live Aid

Für die Afrika-Hungerhilfe veranstalten Bob Geldof und Midge Ure das bis dato größte Musikereignis der Geschichte. Bei Live Aid treten in London und Philadelphia unter anderem Queen, U2, Bob Dylan, Madonna, Mick Jagger, Paul McCartney und David Bowie auf.

„It’s twelve noon in London, seven AM in Philadelphia, and around the world it’s time for: Live Aid ….“

Bis heute ist es der Maßstab aller Charity-Konzerte. Live Aid. Am 13. Juli 1985 organisierten Bob Geldof und Midge Ure Veranstaltungen im Londoner Wembley Stadium und im JFK Stadium in Philadelphia. Bei den zeitgleichen Konzerten, insgesamt 16 Stunden lang, versammelte sich eine bis dato nie gesehene Zahl von Stars, die zu Spenden für die Hungerhilfe in Äthiopien aufriefen. Knapp zwei Milliarden Menschen in 150 Ländern schauten zu.

Queen, U2, Bob Dylan, Madonna, Mick Jagger, Paul McCartney, David Bowie, Sting, die Beach Boys, Tina Turner, The Who, Led Zeppelin, George Michael, sogar Paul Weller und Elvis Costello … fast alle, die 1985 (noch) einen großen Namen hatten, die notorischen Schwänzer Michael Jackson, Springsteen und Prince ausgenommen, waren dabei.

Queen lieferten nach Meinung vieler einen der besten Auftritte bei Live Aid

Phil Collins bestieg sogar nach seinem Auftritt in London die Concorde, um sich auch in Philadelphia pünktlich ans Klavier setzen zu können und nach dem britischen „Against All Odds (Take A Look At Me Now)“ auch ein amerikanisches „In The Air Tonight“ zu spielen.

Die damalige Technik machte es möglich. Die blitzschnelle Concorde gibt es heute ja nicht mehr. Dafür blieb uns dank des Jahres 1985 und damit einhergehender schlechterer Nachrichtentechnik das Schlimmste erspart: ein per Satelliten-Übertragung gesteuertes Duett zwischen Bowie und Jagger.

Die zwei wollten ihre Zappelphilipp-Coverversion von „Dancing in the Streets“ als interkontinental gesungenes Stück aufführen, was aufgrund der Übertragungsrate von Bild und Ton nicht klappte und deshalb als Idee schon im Vorfeld verworfen werden musste.

Telefon, kein Internet

Was damals während beider Konzerte an Terminen abgestimmt wurde, die Auftritte, Ansagen, und das nur mit Telefon- und Satellitenleitungen: Das ist im Internet-Zeitalter kaum noch vorstellbar. Und die Spenden wurden gar über Telefonleitungen der BBC gesammelt.

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Phil Collins flog also einmal über den großen Teich. Aber auch andere Auftritte sind in die Geschichte der Livemusik eingegangen. Die denkwürdigeren Momente haben sich dabei eindeutig in London abgespielt. Viele Fans und Kritiker loben aber ausgerechnet das Mini-Set von Queen.

Quasi-Medley aus sechs Songs in 20 Minuten

Ein sehr aufwändig einstudiertes Quasi-Medley aus sechs Songs in 20 Minuten, dem Spontanität fehlt und einem eben leider nicht das Gefühl vermittelt, bei einem Konzert vieler Freunde mit ungeahnten Live-Paarungen dabei sein zu dürfen (eher bei einem Freddie-Mercury-Festakt in Zeitraffer). Queen hatten für ihre taffen 20 Minuten lange geprobt; nach ihrem perfektionistischen Live-Aid-Auftritt und damit bester Werbung in eigener Sache waren sie wieder in aller Munde.

Bob Geldof and the Boomtown Rats, Live Aid Concert, Wembley Stadium, London

David Bowie sowie U2 übertrumpften dafür alle. Ein im elefantengrauen Blazer gewandeter Bowie eröffnete, ziemlich gewagt, sein Set mit dem Anti-Fernsehen-Song „TVC 15“  und modelte es vom passiv-agressiven Pop um in eine Partyhymne. Hat funktioniert. Aber es war vor allem „Heroes“, das seitdem einfach zu jeder Stadion-Situation passt, und mit dessen dramatisch-trotziger Steigerung ab der Songmitte Bowie sein Publikum einnahm.

Die nachfolgenden Dire Straits hatten keine Chance mehr

Ähnliches leisteten U2, bei deren Auftritt die meisten Fahnen in der Menge zu sehen waren. Und die mit dem wütenden „Sunday Bloody Sunday“ und einem viel länger als geplanten „Bad“ – die Band musste, weil Bono wieder mal ins Publikum springen wollte, deshalb auf den dritten Song, „Pride“, verzichten – einen ungeahnten Energieschub entfachte.

An diesem Nachmittag wurde klar, dass U2 dank ihrer Fähigkeit zur Kommunikation mit der Masse bald eine noch größere Rolle spielen würden. Die nachfolgenden Dire Straits hatten keine Chance mehr.

David Bowie

Live Aid in Philadelphia war etwas unspektakulärer besetzt, bot aber die lustigeren Anekdoten. Mick Jagger etwa wollte nicht mit den Rolling Stones auftreten, da er sich mit seinem ersten Soloalbum, „She’s The Boss“ auch eine eigene Karriere vorstellen konnte.

Für das Solo-Stück „Just Another Night“ und „State Of Shock“ holte er sich Tina Turner dazu. Jaggers Stones-Kollegen Keith Richards und Ronnie Wood dagegen hatten das große Pech, das Quasi-Finale – den letzten Auftritt vor dem „USA For Africa“-Finale aller Musiker – mit Bob Dylan bestreiten zu müssen.

Der schlechte Sound, vielleicht Dope

Bis heute existieren unterschiedliche Versionen darüber, was und warum die drei so schlimm aussahen, so schrecklich spielten und so stark schwitzten; kaputte Gitarren, gerissene Saiten, Wood musste kurzzeitig, das mag man sich gar nicht vorstellen, Luftgitarre spielen.

Der schlechte Sound, vielleicht Dope, ein ständig vor dem Ausbrechen stehender, unrhythmischer Richards … ihr Drei-Song-Set ist ein unfreiwillig witziges Lehrstück darüber, wie schlecht drei Stars zusammen harmonieren können.

Bob Dylan

Wer sich beim letzten Philadelphia-Lied des Abends, „We Are The World“, das Wimmelbild auf der Bühne genau ansieht, erkennt darin auch einen total kaputten Keith, der sich mit dem Rücken zum Publikum auf die Monitorbox setzt um sich endlich auszuruhen, während die anderen hundert Musiker Arm in Arm mit Blick aufs die Zuschauer schunkeln.

Richards Geil-abgeliefert-Lächeln gefriert ihm sogleich, als ein Ordner den krumm gebeugten Stones-Mann auffordert, sich doch bitte in den wiegenden Kreis zurück zu bewegen, denn schlapp machen ist nicht.

Und dann war Live Aid auch schon vorbei.

Die aktuellen Schätzungen gehen davon aus, dass durch Live Aid zirka 150 Millionen Britische Pfund an Spendengeldern (heutiger Gegenwert: ungefähr 175 Millionen Euro) gesammelt wurden. Kritik an den Veranstaltungen richtete sich vor allem gegen die Planer des Line-Ups.

„Klassische alte Rock-Aristokratie“

So hätte man, argumentierte Andy Kershaw von der BBC, vor allem auch afrikanische Bands um eine Teilnahme an den Konzerten bitten müssen. Stattdessen präsentierten Geldof und Kollegen die „klassische alte Rock-Aristokratie“. Tatsächlich waren Run DMC die einzigen Künstler, die mit Rap eine musikalische Richtung repräsentierten, die neuartiger war als die sonst in London und Philadelphia vertretene Mischung aus Rock, Soul und Folk.

Live 8

Und aus Live Aid wurde Live 8: 20 Jahre nach den spektakulären Benefizkonzerten in London und Philadelphia organisierte Bob Geldof am 2. Juli 2005 ein weiteres Musik-Event um auf die Hungersnot in Afrika aufmerksam zu machen.

Die Forderung: „Make Poverty History“ – „Macht Armut zur Vergangenheit“ war an die G8-Mitgliedstaaten adressiert (daher das Wortspiel mit der acht), deren Regierungsvertreter vom 6. bis 8. Juli in Gleneagles (Schottland) tagen würden. In Gleneagles sollte über Schuldenerlass und Entwicklungshilfe für Afrika verhandelte werden.

Geldof und sein diesmaliger Co-Organisator, U2-Sänger Bono, hofften mit den Konzerten Druck auf die Politik ausüben zu können. Am Ende übergab man den G8-Staatschefs eine Petition mit mehr als 24 Millionen Unterschriften. Anders als Live Aid galt Live 8 nicht als Veranstaltung um Spenden zu sammeln, sondern Stimmen. Geldof: „Wir wollen nicht Euer Geld, wir wollen Euren Namen!“

An elf Orten – London, Paris, Rom, Berlin, Philadelphia, Barrie/Toronto, Chiba, Johannesburg, Moskau, Cornwall, Edinburgh – auf vier Kontinenten traten an die 170 Bands und Künstler auf, darunter 21, die auch schon 1985 bei Live Aid dabei gewesen waren.

Live Aid: Bob Geldof reagiert scharf auf „White Savior“-Vorwurf

Am 13. Juli 1985 hatte Bob Geldof gemeinsam mit seinem Kollegen Midge Ure die Wohltätigkeitskonzerte Live Aid zu Gunsten der Afrika-Hungerhilfe veranstaltet. Insgesamt 16 Stunden lang traten zahlreiche Musiker:innen zeitlich im Londoner Wembley Stadium und im JFK Stadium in Philadelphia auf, um Spenden für das unter Hungersnot leidende Äthiopien zu sammeln. Mit dabei waren Queen, U2, David Bowie, Paul McCartney, Madonna, Led Zeppelin, Bob Dylan und weitere. Jetzt gerät der 72-jährige Organisator erneut in die Kritik, da ihm „White Saviorism“, also weißes Rettertum, vorgeworfen wird.

Herbalassendes Bild von Afrika?

Der Begriff des Weißen Rettertums beschreibt das Phänomen, bei dem weiße Menschen nicht-weißen Menschen aus eigennützigen Gründen helfen, etwa um von anderen bewundert zu werden. Darunter fallen etwa Entwicklungs-, Aufklärungs- oder Hilfsarbeit. Die Vorwürfe an Geldof kamen von der „Guardian“-Kritikerin Arifa Akbar, die das neue Bühnenmusical „Just For One Day“, das dieses historische Event fast 40 Jahre später noch einmal Revue passieren lässt, zum Anlass nahm, um ihre Kritik an dem Musiker zu äußern.

Sie ist nämlich der Meinung, der Wert des Charity-Gigs und des neuen Theater-Stücks sei massiv durch das Weiße Rettertum beeinflusst und stelle Afrika generell in ein schlechtes Licht. Durch die Benefizveranstaltung sei „ein herablassendes Bild von Afrika als einem Kontinent, der verzweifelt nach westlicher Hilfe verlangt und von ihr abhängig ist“ entstanden.

Bob Geldof kritisiert „Guardian“

Bob Geldof ließ dieses Statement jedoch nicht unkommentiert und thematisierte es bei einem Auftritt im „Times Radio“ am Donnerstag (15. Februar). Dabei erklärte er, dass er mit der Vorstellung, ein weißer Retter zu sein, nicht einverstanden sei, und wies die Kritik als „große Ladung Schwachsinn“ zurück und behauptete, eine solche Äußerung „sei typisch für ‚The Guardian‘.“

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„Wenn es in Italien eine Hungersnot gibt und jemand reagiert und ist weiß, ist er dann ein weißer Retter‘? Sind die einzigen Menschen, die auf eine afrikanische Hungersnot reagieren dürfen, schwarz?“, erklärte er sich und fügte hinzu: „Sind sie die Einzigen, die das tun dürfen? Denn, wow, die Menschen in Afrika sind schwarz, also kann es nur eine schwarze Person sein, die das tut. Wenn es eine Hungersnot gibt, wo die Menschen grün sind, muss man dann grün sein, um das zu tun?“

Abschließend sagte er: „Das ist ein unsinniges, absolut abwertendes Argument. Das ist es. Ich halte es für Blödsinn.“

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