Zwei Kavaliere schlucken Staub
Die jungen Two Gallants haben tief in den Rillen des Blues die brennende, krähende Wahrheit gefunden
Heutzutage gibt es über eine junge Band wahrlich Aufregenderes zu sagen, als daß ihre Musik von altem Blues und amerikanischem Folk inspiriert ist (weil das doch so wahnsinnig schick geworden ist zuletzt).
Zum Beispiel: Die Band betreibt nebenbei eine Waschsalon-Kette, der Sänger trägt einen Knochensplitter des Heiligen Antonius um den Hals. Stimmt beides leider nicht bei Two Gallants, den zwei windumheulten, wüstenbuschhaarigen Männern aus San Francisco, dem Sänger und Gitarristen Adam Stephens und dem Schlagzeuger Tyson Vogel, beide 24, die zu allem Überfluß manchmal doch so klingen wie die White Stripes. Aber: ohne Soli, ohne Rock-Rahmstufe, mit fliegenden Schlagzeugstöcken und – im Zweifel – viel, viel nerviger. Man braucht eiserne Synapsen. um da weghören zu können: Räuberpistolen, Staubhöllen-Gedichte, Todeszellen-Geschichten, Blues, dem jeder Grind abfällt, gepickt und gekräht von Stephens, mit wehenden Haaren feingetrommelt von Vogel. Eine unheimlich aufregende Old-Style-Band.
„In der High School habe ich angefangen, Traditional Music zu hören“, krächzt Adam Stephens, wenn er spricht. „Rancid, die ganze Heavy-Musik, das hat mich nach einiger Zeit schrecklich gelangweilt. Da fand ich es plötzlich viel reizender, einen neuen Blick für die alte Musik zu kriegen, alles auf die akustische Gitarre runterzubrennen, Lieder zu singen, die richtige Geschichten erzählen. Wenn Tyson und ich einen neuen Song spielen, fühlt sich das nicht so an, als ob sich irgendwelche Energie freisetzt. Was man hört, kommt nur aus unserer Liebe zu dieser Art von Musik und davon, wie sehr sie uns geprägt hat.“
Die zwei haben sich schon im Kindergarten kennengelernt, gingen später auf dieselbe Privatschule und entwickelten den Act Two Gallants aus Konzerten heraus, die sie in Küchen und bei Hausparties in San Francisco gaben, daher auch die platzsparende Duo-Formation: „Früher gehörte es zum Auftritt dazu, daß mich mindestens ein betrunkener Teenager beim Singen umrempelte.“ Die erste Platte „The Throes“ wurde in England entdeckt, immer eine gute Aufstiegshilfe für obskure US-Bands. Jetzt das zweite Album „What The Toll Tells“, schon ein Meisterwerk.
Interessant ist, wie Adam Stephens seine Kunst nicht nur an die Musiker John Fahey, Skip James oder Dock Boggs knüpft, sondern auch ans tiktionale Schriftstellerwerk von William Faulkner und James Joyce. Die steinige Gefühls-Authentizität, die viele Zuhörer fälschlicherweise gerade von Roots-Musik erwarten, bedient er nicht: „The Train That Stole My Man“ singt Stephens sogar aus der Ich-Perspektive einer Frau, und für Lieder über den Bürgerkrieg wälzt er Bücher zur Recherche. „Obwohl-wenn einer sich hinsetzt und eine Geschichte schreibt, kommt immer etwas aus seiner eigenen Gefühlswelt hoch. Keiner würde so viel Zeit investieren, wenn es für ihn keine Bedeutung hätte.“ Folk-Punks, Blues-Umstürzler sind die wilden Two Gallants also nicht. Sie nehmen diese Musik so kompromißlos ernst, daß sie dabei halt oft richtig, richtig laut werden.