Zwei für die Indie-Disco
AN MUSS VIELLEICHT wissen, dass Brian oft nein sagt“, erklärt Shins-Sänger James Mercer irgendwann grinsend, als Brian Burton alias Danger Mouse gerade wieder ein paar vermeintliche Erwartungen platzen lässt. Die beiden sitzen auf der Couchgarnitur einer Interviewsuite im Berliner Hyatt Hotel, um über „After The Disco“, ihr zweites gemeinsames Album als Broken Bells, zu sprechen. Burton – 2004 bekannt geworden mit einem nicht sehr legalen Mash-up aus Jay Z und den Beatles, später grammybehangen als eine Hälfte des Hip-Pop-Soul-Duos Gnarls Barkley – stemmt sich gegen die angedeutete Vermutung, die Broken Bells seien das Projekt eines Hip-Hop-Produzenten und eines Indie-Rockers, dessen Band einst durch einen Song im Slackerfilm „Garden State“ bekannt wurde. Die Vermutung wirkt diesmal besonders attraktiv, weil das Album gegenüber dem psychedelischen, sixties-inspirierten Vorgänger von 2010 einige Jahre vorwärts gerückt ist und mit einigen schicken Disco-und Synthie-Grooves überrascht.
„Die Leute denken immer, es gäbe diese Arbeitsteilung“, sagt Burton. „Aber wir arbeiten deswegen so selbstverständlich und leicht zusammen, weil es eben nicht so ist, dass ich kein Songwriter wäre oder umgekehrt James nicht groovy Basslines und so was schreiben könnte. Im Gegenteil.“ Mercer wiederum erklärt, wie ihn Burtons Songarbeit beim stilistischen Update der Shins auf deren letztjährigem Album „Port Of Morrow“ inspiriert habe. „Bei Brian wird der Computer zum Kompositionsinstrument. Er nimmt sofort auf und beschäftigt sich, während er ein Stück entwickelt, mit bestimmten Stellen, anstatt zu Hause etwas zu schreiben und das dann im Studio auszumalen.“
Man könnte diese Art des schnipselweisen Auskomponierens recht HipHop-nah finden, aber Burton will davon nichts wissen: „Ich habe seit vielen Jahren nichts mehr mit HipHop gemacht, und ich habe auch nicht als DJ aufgelegt. Ich könnte auch im Leben nicht scratchen. Und mit Indie-Rock – Superchunk oder Pavement – hat unsere Musik doch auch nichts zu tun. Ich habe seit 30 Jahren keinen Indie-Rock mehr gehört.“
Mercer lächelt dabei. Die Abgrenzung dient ja nur dazu, auf die tolle Fülle oft widersprüchlicher Ideen hinzuweisen, mit denen die beiden hier zu einem seltsam eigenen, kompakten Popsound finden. Aber natürlich tauchen neben ein paar erkennbaren Mercer-Songmomenten die eingängige Dynamik Gnarls Barkleys, ein paar verschüttete Black-Keys-Glamrockbeats und die Soundtrackatmosphären auf, die Burton mit Fuzzgitarren und panoramischen Streichern inszeniert. Wie zuletzt hat dabei der italienische Komponist und Arrangeur Daniele Luppi geholfen, mit dem Burton 2011 die Morricone-Hommage „Rome“ eingespielt hat.
Darüber hinaus tönen aus den selbstbewussten, melodisch dichten und samplefreien Hooks diesmal Bee-Gees-Falsett, Kraftwerk und Achtziger-Studiostimmung – und vielleicht, wie Mercer einmal unvorsichtig meint, auch Jan Hammer. „Ich habe dir gesagt: Nenne niemals Namen, sie verfolgen dich bis nach Deutschland“, sagt Burton lachend. „Aber Kraftwerk halte ich für die einflussreichste Band seit den Beatles – der Minimalismus, die Tempi, die Rhythmen. Ich wollte hier ganz schamlos das Kraftwerk-Ding übernehmen.“
Der Albumtitel „After The Disco“, verneint Burton einmal mehr, habe wenig mit Disco zu tun. Es gehe darum, wie man sich positioniere, wenn man mit einer gewissen Erfahrung zurückblicke: „Meine Jugenderinnerung klingt eben nach diesen Synthie-Sounds. Es war für uns beide ein sehr persönliches Album, aber der Rückblick ist nicht bitter. Es geht eher um die Frage: Liegen die besten Zeiten schon hinter einem? Kommen vielleicht noch 40, 50 tolle Jahre? Und wovon will man in Zukunft träumen?“
40 % Jugenderinnerung
25 % Glamrock
25 % Kraftwerk
10 % Bee Gees