Zwei CDs von Karl Ignaz Hennetmair und dem ORF ergänzen die Memorabilia vonTHOMAS BERNHARD – und lassen den Dichter selbst zu Wort kommen
Der Bernhard, der Gute! Tagelang hat das ORF-Team 1987 an seinem Vierkanthof in Obernathal geklingelt, geklopft, gehämmert wie nahezu alle ungebetenen Besucher und mancher gebetene. Dringesessen ist er, vermutlich Schreibmaschine schreibend, eingeschnürt in Pferdedecken. Aufgemacht hat er natürlich nicht. Am Ende mussten die Radioleute ihre CD „Thomas Bernhard das Porträt“ zusammenbasteln, ohne dass einer von ihnen den Porträtierten je persönlich getroffen hätte, was für ein solches Unterfangen ja sicherlich kein Schaden wäre. Also müssen andere Leute von Bernhard erzählen, die ihn kannten (und deren Anekdötchen hinreichend bekannt sind). Der allmächtige Suhrkamp-ferleger Siegfried Unseld darf über „herrliche Freundschaft unter Männern“ und peinvolles, halbstündiges Schweigen schwadronieren, Theatermacher Claus Peymann von aufwändigen Taxifahrten nach Obernathal berichten. Ergänzt werden die Zeitzeugen-Zitate durch Werkausschnitte und glänzende Schnipsel aus Bernhard-Interviews glücklicherer Journalisten. Neben vielzitierten, schon klassischen Bonmots – „Eines Tages fallt man hin und ist tot“, „Ich bin eine vollkommen glückliche katholische Existenz“ – berichtet Bernhard etwa heiter über sein Kindheitstrauma, im Beichtstuhl zwanghaft Lu-lu machen zu müssen und von seinem kindlichen Irrglauben, niemals sterben zu müssen, da er ja im Gegensatz zu den anderen Burschen keine Organe habe, die irgendwie hinfallig werden könnten. Stellenweise gemahnt die Collage ein wenig an den bärtigen Mann vom Telekolleg, verschafft sie doch einen recht soliden ersten Einblick in Leben und Werk, doch dann erheitert sie wieder durch charmante Details, etwa wenn die Jugendfreundin Ingrid Bühlau erzählt, der junge Bernhard sei zwar verhärmt und unterernährt gewesen, habe aber allezeit fabelhafte Schuhe getragen; oder wenn seine Gönnerin Gerda Maleta schildert, wie garstig der Bernhard werden konnte, wenn er beim 17-und-4-Spielen verlor, so dass ihn die mitspielenden Burgschauspielerinnen nebst der übrigen Damen stets unauffällig gewinnen ließen, um seiner Unleidigkeit zu entgehen. Hübsch auch der Auftritt einiger polternder Ohlsdorfer Wirtshaussitzer, die recht rustikal zu bedenken geben, Bernhard wäre sicher ein besserer, erfolgreicherer Schriftsteller gewesen,hätte er nicht gar so bös gegen Österreich geschrieben. Und natürlich tritt auch der Realitätenvermittler und Ferkelhändler Karl Ignaz Hennetmair auf, Bernhards Freund und heimlicher Tagebuchschreiber. Am Anfang seiner Bekanntschaft mit dem so genannten Unterganghofer, tröstet er die ORF-Männer, habe auch er vor verschlossenem Bauernhof gestanden und Steine aufi schmeißen müssen, ans Fenster, um eini zu kommen. Später habe er aber mit Bernhard ein Klopfzeichen vereinbart, das ihm jederzeit Einlass gewählte. Einige der schönsten Schnurren aus seinem ganz und gar fabelhaften Diarium „Ein Jahr mit Thomas Bernhard“, das hier bereits gewürdigt wurde, hat Hennetmair nun auch auf eine eigene Doppel-CD gesprochen. Breit und dröhnend erzählt er von Jänner bis Dezember mit Blunzngröstl in der Stimme, wie Bernhard mit Begeisterung scheißende Kühe streichelt, ungesund gemusterte Vorhänge ausrangiert und launig droht, alsbald Hennetmairs Omi abzustechen. Das ist zweifellos amüsanter als das mitunter doch etwas bräsige ORF-Porträt – dafür ist letzterem eine zweite CD beigegeben, auf der Bernhard „Midland in Stilfs“ und seine großartigen „Ereignisse“ liest Mit nonchalanter Stimme berichtet er, der frühere Gerichtsreporter der „Salzburger Nachrichten“, in lakonischen Zeitungsberichten von den Abgründen und Lächerlichkeiten des Lebens, von Trafikantinnen, Vorzugsschülern, von Kindern zu Tode getrampelten Schauspielern und versehentlich geköpften Schülerinnen, mit kratzigem Austria-R erzählt er von Kirchen und Mördern. Ausgezeichnet anzuhören, wenn man mit grollendem Herzen im überheiztem Zimmer auf dem Sofa liegt. Und schließlich – rührseliger Unseld und geschwätziger Peymann hin, scheißende Kühe her – das schönste Bernhard-Porträt, naturgemäß. Anja Rützel