Zurzeit noch selten und nicht gerade billig, soll die DVD AUDIO im Windschatten des DVD-Booms die Musikbranche aus der gegenwärtigen Absatz-Krise führen
Ertrinkende greifen ja nach dem sprichwörtlichen Strohhalm – und in Zeiten, in denen die deutschen Tonträgerfirmen hinter kaum noch vorgehaltener Hand von Umsatzeinbrüchen um die 15 Prozent im vergangenen Jahr klagen, versprechen die neuen digitalen Formate Rettung. Aber das Bild hinkt. Schon längst hat sich vor allem die Musik-DVD als Hoffnungs- und Profitbringer erwiesen.
„Wenn eine Musik-DVD 5000 Einheiten erreicht, kann man das schon als Erfolg werten“, erklärte Smudo, Rapper und Wirtschaftsexperte bei den Fantastischen Vier, als seine Sprechgesangstruppe Ende 2000 ihr „MTV-Unplugged“-Konzert auf DVD veröffentlichte. Inzwischen verkaufen Toptitel wie zuletzt Robbie Williams‘ visuelle Rat-Pack-Eingemeindung „Lve At The Albert“ in wenigen Wochen 50 000 Einheiten. In solchen Höhen bewegen sich auch die Topseller 2001: Peter Maffays Zeitreise „Heute vor 30 Jahren – live“ oder der Buenos-Aires-Ausflug der Toten Hosen, „En Misión Del Senor“. Doch zu frühes Freuen ist nicht angebracht Auch wenn die Erlöse von 1998, als die ersten Musik-Titel weniger als eine Million Markt einbrachten, für 2001 auf geschätzte zehn Millionen Mark kletterten, sind diese Zahlen immer noch verschwindend gering gegenüber dem Absatz, den die CD der Branche einst bescherte.
Auf dem Weg der DVD zu einem Massenmedium stehen Barrieren. Zwar stieg im Weihnachtsgeschäft die Ausstattung deutscher Haushalte mit DVD-Playern erneut massiv an, aber noch dominert CD-Hardware. Und auch erst allmählich entwickelten sich Musik-DVDs, die Live-, Video- und Dokumenationsmaterial kreativ kombinieren, zum neuen Standard. „Wir müssen daran arbeiten, das VHS-Video-Image der DVD abzustreifen. Die Musik-DVD ist der Mercedes unter den Musikprodukten“, erklärte Joe Hugger, Leiter des DVD-Departments bei BMG Ariola Media, dem Branchenblatt „musikwoche.de“. Er gab auch die Stoßrichtung vor, die fortan die Entwicklung bestimme: „Die DVD wird sich zunächst additiv, dann substitutiv zur CD verhalten.“ In anderen Worten: Irgendwann soll die DVD die in die Jahre und unter die Code-Knacker gekommene CD ablösen. Problem: Da melden sich inzwischen auch weitere Thronanwärter. Neben der DVD plus, einer doppelseitig bespielten Disc, deren zweite Seite auch im CD-Spieler läuft, greift vor allem die DVD Audio an. Eine Studie, die jüngst Universal und Warner – praktischerweise der Hauptanbieter von Audio-DVDs vorstellten, zeigt die Chancen dieses Formats auf, das – wie die Tonspur der meisten aktuellen Musik-DVDs – einen fünfkanaligen Sound offeriert. Der natürlich nur bei entsprechender Anlage zu Hause fiinktoniert. Während hier die alte Debatte zwischen Hifi-Freaks und Indie-Fans, die den rauen Charme der Strokes eh lieber in Mutters altem Küchenradio entdecken, in eine neue Runde geht, zeigt die Studie, dass 93 Prozent der befragen Pop-Hörer ohne Surround-Erfahrung die DVD-Audio für das überlegene Format halten – allerdings würden nur 35 Prozent bei einem Ladenpreis um 25 Euro in die Geldbörse greifen.
Und um diese Bereitwilligen bemüht sich mit der Superaudio CD (SACD) seit geraumer Zeit noch ein dritter Kandidat, den Sony und Philips ins Rennen schicken. Wie die DVD und die DVD Audio bietet sie Mehrkanal-Klang, wenn auch technisch anders generiert. Identisch sind jedoch die Hindernisse, die sich allen Formaten in den Weg stellen: Vorrangig Pop-Klassiker, Klassik- und Jazz-DVDs stehen in den Regalen, gleichzeitige Veröffentlichungen sind noch rar.
Immerhin: Für 2002 haben die Firmen bereits deutlich mehr aktuelles Material angekündigt.