Zurück aus der Zeitblase
Seine Swing-Bigband hat BRIAN SETZER noch nicht ausgemustert, doch liegt ihm der zündende Rock'n'Roll des '68 Comeback Special nun mehr am Herzen
Palm Springs ist pervers. Eine sündhaft teure Oase inmitten der Wüste, nur gut 100 Meilen landeinwärts von Los Angeles. Saftiges Grün vor jedem Haus, Goliplätze, Wasserfontänen in flirrender Hitze. Woher das Nass kommt, wie lange es unterwegs ist, bis es die prächtigen Blumenbeete netzt und die zahllosen Pools füllt, scheint hier niemanden zu interessieren. Warum auch, man hat dafür einiges hingeblättert Senioren beherrschen das Bild. Er in schreiend bunten Karos, Sie ganz in Pastell, pink und purple.
Noch 1968 dichtete Van Dyke Parks in seiner Eloge auf die unberührte Landschaft: „Palm Desert not fade away/ Palm Desert, I wish I could stay/ Palm Desert sages abound/ So head your head to the ground round“. Damals war Palm Springs noch ein trockener, trostloser Flecken. Inzwischen lebt hier fest eine viertel Million Menschen, jedes Jahr lassen sich 20 000 Neuankömmlinge nieder. Ein gigantisches Geschäft für Real Estate Agents und Hersteller von Klimaanlagen. California dreamin‘.
Brian Setzer lacht So dramatisch, sagt er, sehe er das nicht „Ich habe mir hier ein Haus gekauft, weil ich in der Hektik von LA. kaum zum Arbeiten komme, und weil meine Frau und ich einen Ort brauchten, wohin wir uns zurückziehen können. L.A. ist nur zwei Stunden entfernt, und in unserem Haus dort verbringen wir eh die meiste Zeit“ Was die ökologische Komponente betreife, so sei Verschwendung so sehr Teil der kalifornischen Lebensart wie die berühmte Unbeschwertheit. Er selbst habe dazu ein eher distanziertes Verhältnis, ganz entziehen könne man sich der kollektiven Laidback-Haltung aber nicht „Worauf es mir ankommt“, sagt er ernst, „ist, meinen eigenen, schnelleren Rhythmus zu leben und mich mit den Menschen und Dingen zu umgeben, die mir etwas bedeuten.“ Setzer sieht sich vielsagend um.
Der Mann lebt in einer Zeitblase. Aus der man sich nie wieder verabschieden möchte. Fifties-Decor bis ins kleinste Detail. Alles Originale, wie der Hausherr nicht ohne Stolz versichert. Möbel, Lampen, Vorhänge. Die Gläser, in denen Setzer selbstgemachte Limonade serviert. Die Teller, von denen wir „die beste Pizza von Palm Springs“ essen. An den Wänden eine Gemälde-Galerie der Helden. Elvis, Eddie, Buddy und Gene. „Nichts gegen Jerry Lee oder Chuck Berry, aber diese vier sind für mich die Essenz des Rock’n’Roll.“ Eine längere Erklärung über die ästhetischen Meriten der Vorbilder folgt, die Setzer mit der bündigen Feststellung abschließt: „As for Elvis, he had it all.“ Draußen neben dem Pool, auf einer Säule, thront eine Statue des King, der über ein ihm wohlvertrautes Ambiente wacht, spöttisch lächelnd.
’68 Comeback Special hat Brian Setzer sein neues Trio getauft, natürlich in Anlehnung an die damals triumphale Wiederkehr des Idols. „Elvis war aufreizend lässig, hatte aber mehr Energie und Genie in der Stimme als all die angesagten Acts jener Zeh.“ Setzer verhehlt nicht, dass ihn zeitgenössische Kultur weitgehend kalt lässt und verweist auf das mehr als nur emblematische Glanzstück seiner neuen LP J[piitwn!“ titeis ,,’59“: J was born back in ’59/ 1 didn’t come late, I was right on time“, singt er autobiografisch und bekennt im Refrain: „Everything I love is from ’59“.
Was nun nicht als selektive Wahrnehmung missverstanden werden soll.“Ich erinnere mich gut daran, wie schwer mein Vater schuften musste, um uns über die Runden zu bringen, daher ja auch die Zeile ,times were hard for the working man‘. Trotzdem steht es für mich außer Frage, dass es mit Amerika ab 1960 bergab ging. Schau dir die Autos an oder die Gitarren, die seither gebaut wurden, denk an Vietnam, hör dir den Müll an, den das Radio absondert. Selbst die Dinge des täglichen Gebrauchs haben an Qualität verloren. In den 50er Jahren hat man sich noch bemüht, alles so herzustellen, dass es hält. Dann erkannte man, dass es lukrativer ist, Wegwerfware zu produzieren. Was schnell kaputt geht, muss öfter ersetzt werden.“
Mit der Rhythm Section seiner neuen Formation, Drummer Bernie Dresel und Slap-Bassist Mark W.Winchester, hatte Setzer schon in einem ungleich größeren Rahmen Erfahrung gesammelt. Als Teil des Brian Setzer Orchestras, jenes verwegenen und immens erfolgreichen Klangkörpers, mit dem Brian nicht nur ein paar Millionen Platten verkaufte und diverse Grammys einsackte, sondern mit dem er die Speerspitze einer weltweiten Bewegung bildete, des Swing-Revivals.
„In Japan läuft es noch auf Hochtouren“, berichtet Setzer, „doch überall sonst ist die Xlküe abgeebbt. Ein Wunder eigentlich, dass der Swing-Boom so lange angedauert hat, aber alle guten Dinge gehen einmal zu Ende.“ In Zahlen ausgedrückt: Verkaufte sich das Album ,J7ieDirryßoogie“1998 gut drei Millionen Mal, ging vom Nachfolger „Vavoom!“ zwei Jahre später nur noch ein Zehntel dieser Auflage weg. Brian Setzer zuckt mit den Schultern. „Als ich 1992 eine 16-köpfige Big Band zusammenstellte, lachten mich die cleveren Business-Heinis aus und prophezeiten mir ein finanzielles Fiasko.“
Aufgelöst hat Brian das Orchestra indes nicht Demnächst geht es nach Japan, wo sogar große Hallen bereits ausverkauft sind. Dann, Setzer reibt sich die Hände, wird das Modell ’68 Comeback Special auf Tour geschickt, mit einer musikalischen Mischung aus Rockabilly und R&B, aus Hot Rod und Surf, aus Hillbilly und Blues, aus Nitro und Glyzerin.
Eine klassische Dreierbesetzung, mit einem Brian Setzer, der sämtliche Register ziehen wird, befeuert von einem Dutzend neuer cooler Tunes. Gretsch as Gretsch can. Wie mit den Stray Cats? „Viel besser“, verspricht Setzer, „schon weil Mark und Ernie bessere Musiker sind als Lee und Jim.“ Nein, mit den alten Kollegen käme er nicht mehr so häufig zusammen, dafür gut mit ihnen aus. Slim Jim Phantom betreibt einen Gub in L.A. „Ein guter Rock’n’Roll-Schuppen, wie ich gehört habe“, meint Brian generös. Dort war er noch nicht Lee Rocker tingelt mit eigener Band durch die Lande. „Nichts Besonderes, eher traurig.“ Eine Reunion? „Kommt nicht in Betracht.“