Zum Tod von Ravi Shankar
Der indische Sitarspieler und Komponist Ravi Shankar ist am Dienstag in einem Krankenhaus in San Diego gestorben. Der " Godfather Of World Music", wie ihn sein einstiger Schüler George Harrison nannte, wurde 92 Jahre alt.
Ravi Shankar ist es zu verdanken, dass die indische Musik ihren Weg in die vielleicht größten Momente der westlichen Popmusik fand. Vor allem durch seine Freundschaft zu George Harrison, seinem Einfluss auf die Beatles und seine Inspiration für Künstler wie John Coltrane, die Rolling Stones und Grateful Dead wird man ihn in Erinnerung behalten.
Aber selbst wenn sich Shankar dieser Bedeutung bewusst war, hat er sie nie verklärt, sondern auch in späten Interviews immer offen gesprochen. In einem Gespräch mit unserem Magazin im Dezember 1997 sagte er zum Beispiel über den Song „Norwegian Wood (This Bird Has Flown)“ von den Beatles, in dem man Harrison an der Sitar hört: „Ich hielte von seinen Sitar-Gehversuchen darauf ehrlich gesagt nicht so viel. Meine Nichten und Neffen spielten es mir vor und waren völlig hingerissen. Ich konnte es kaum glauben, weil ich es ganz schrecklich fand.“
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Auch seinen Schritt in die Hippiekultur, den Harrison ihm ermöglichte, sah er in diesem Gespräch nicht durchweg positiv: „Als George mein Schüler wurde, kamen die jungen Leute in Scharen, weil mit den Hippies auch das Interesse für indische Kultur kam. Leider wurde dann alles in einen Hut geworfen: Drogen und Kamasutra und Hasch und alles. Ich war so etwas wie ein Rockstar.“
Ähnlich kritisch fiel sein Blick auf Woodstock und das Monterey Pop Festival aus, bei denen er aufgetreten war: „Ich war schockiert. All diese verrückt angezogenen Leute – und alle stoned! Für mich war das eine ganz neue Welt. Ich mochte Otis Redding, die Mamas & Papas und Peter, Paul and Mary – die hatten etwas Beruhigendes. Jimi Hendrix dagegen… Er spielte wunderbar Gitarre, aber dann legte er mit seiner Show los – nicht genug, daß er sich an seine Gitarre ranmachte wie an eine Frau, zum Schluß verbrannte er sie auch noch! Das war mir dann doch zuviel. In unserer Kultur werden Instrumente verehrt, sie sind wie ein Teil Gottes.“
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Auch an anderer Stelle übernahm Ravi Shankar die Rolle eines Vermittlers indischer Musikkultur. Jazz-Ikone John Coltrane wertete den Einfluss und die persönliche Freundschaft so hoch, dass er seinen Sohn gleich Ravi Coltrane nannte.
Ravi Shankars eigene Kinder machten derweil ebenfalls musikalisch Karriere. So ist Shankar der Vater von Norah Jones, die es bekanntlich gleich mit ihrem Debüt „Come Away With Me“ an die internationalen Chartspitzen schaffte.
Mit seiner Tochter Anoushka Shankar, die sich selbst als Sitarspielerin etablierte, tourte er noch bis in die Nullerjahre. Als der ROLLING STONE Anoushka Shankar im Dezember letzten Jahres zum Interview über ihr Album „Traveller“ traf, erinnerte sie sich auch an die Zeit mit Harrison und ihrem Vater: „George war der Schüler meines Vaters, mein Onkel und mein Freund. Die Atmosphäre war also nicht besonders formell, sondern eher familiär und sehr gemütlich.“
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Neben seiner musikalischen Karriere war Ravi Shankar auch politisch aktiv. So war er Mitglied des Oberhauses des indischen Parlaments. Premierminister Manmohan Sing würdigte ihn erst kürzlich als „nationalen Schatz und weltweiten Botschafter des indischen Kulturerbes“.
Ravi Shankar ist gestern in einem Krankenhaus im kalifornischen San Diego gestorben. Seine Familie äußerte sich auf seiner Website zum Tod: „Mit schwerem Herzen informieren wir euch darüber, dass Pandit Ravi Shankar, Ehemann, Vater und Musikseele heute, am 11. Dezember 2012, gestorben ist. Ihr wisst ja alle, dass er in den letzten Jahren nicht mehr gesund war. Am Donnerstag wurde er operiert und wir hatten gehofft, dass ihm das zu einem neuen Leben verhelfen würde. Unglücklicherweise, trotz der größten Mühen aller Ärzte, hat sein Körper die Belastung der Operation nicht überstanden. Wir waren bei ihm, als er starb. Wir wissen, dass ihr genauso wie wir einen großen Verlust fühlt und danken euch für all eure Gebete und guten Wünsche in dieser schweren Zeit. (…) Sein Geist und sein Vermächtnis wird für immer in unseren Herzen und in seiner Musik weiterleben.“
Ravi Shankar wurde 92 Jahre alt.