Zum Tod von Donna Summer: Loved To Love You, Baby
Gestern Morgen starb Donna Summer, die Pop-Königin im Exil, in Florida. Sie wurde 63 Jahre alt. Ein Nachruf von Arne Willander.
Zuletzt war sie ein Relikt aus einer versunkenen Zeit, die sie geprägt hatte wie sonst nur die Bee Gees, die Eagles und ABBA. In den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts regierte Donna Summer nicht nur den Dancefloor, sondern das Radio, die Plattenbranche, die populäre Kultur schlechthin. Im Jahr 1979 gelangen ihr vier Nummer-eins-Hits, zugleich war ein Album auf dem ersten Rang. Erfolgreicher war nie eine Sängerin, waren auch Elvis und die Beatles nicht. Die Songtitel gehen jetzt ein letztes Mal um die Welt: “Hot Stuff”. “Bad Girls”. “Love To Love You Baby”. “Last Dance.” Sie sind Insignien einer Zeit, die man die Jimmy-Carter-Jahre nennen könnte: Die Popkultur hatte gewonnen, das Studio 54 in New York war der Nabel der Welt, die Hippies waren abgemeldet.
Als LaDonna Gaines wurde sie am 31. Dezember 1948 in Boston geboren, sang bald im Gospelchor die Songs von Mahalia Jackson und stand schon mit 17 Jahren der Rock-Band Crow vor. 1968 bewarb sie sich für die erste deutsche Inszenierung des Musicals “Hair” und reiste nach München, wo sie neben Reiner Schöne, Ron Williams und Jürgen Marcus zur Besetzung gehörte. In dem damals gedrehten Afri-Cola-Werbespot von Charles Wilp ist Donna in einer Internationale des guten Geschmacks zu sehen. Sie trat dann in anderen Musicals auf, begeisterte an der Volksoper Wien angeblich die große Julia Migenes mit ihrem Gesang und heiratete den Schauspieler und späteren Zahnarzt Helmuth Sommer – so kam sie zu ihrem Namen.
Wie bei allen Märchen gibt es auch in Donna Summers Karriere die Zampanos im Hintergrund, die grauen Herren, die damals in München bunte Vögel waren: Giorgio Moroder, ein aufstrebender monomanischer Produzent aus Tirol, und Pete Bellotte, sein Songwriting-Adlatus. 1973 nahmen sie mit Donna Summer die ersten Songs auf, Harmlosigkeiten wie “Lady Of The Night”, die in Deutschland und umliegenden Ländern moderate Hits wurden. Der Legende nach war es Donna, der die Sentenz “I’d love to love you baby” nicht mehr aus dem Kopf ging, woraufhin sie Moroder bat, einen Song zu dem Spruch zu komponieren. Im Sommer 1975 explodierte das 17-minütige Disco-Monster “Love To Love You Baby” – ein Stück, dessen Bedeutung nur in den Kategorien der großen Erfindungen und Umstürze der Menschheitsgeschichte gemessen werden kann. Damals war es nur zu lang für Ilja Richters “Disco”, aber heute treten DJs und Techno-Schamanen die Tränen in die Augen, wenn von dem Geniestreich die Rede ist. Das Stück erschien auf dem Casablanca-Label von Neil Bogart und brachte es bis auf Platz zwei in den USA. Das “aufreizende Stöhnen” der Sängerin führte in Deutschland zum üblichen Radio-Skandal, doch reichte es nur für Platz sechs.
Donna Summer zog mit einem Münchner Maler nach Los Angeles, Giorgio Moroder war schon dort, und 1977 gelang ihnen mit “I Feel Love” der Hit des Jahrzehnts: eine eiskalte, vollkommen synthetisierte Version von Tanzmusik, in der Brian Eno schon damals die Zukunft der Popmusik erkannte. Donna Summer hatte den begreiflichen Wunsch, endlich beweisen zu können, dass sie RICHTIG SINGEN konnte, dabei war sie als Stimmenerfinderin (die Kindfrau, das Falsett, die Domina) doch großartig. Mit “Last Dance” glückte 1979 auch die glamouröse Las-Vegas-Nummer. Sie sang mit Barbra Streisand, machte Jimmy Webbs runderneuerten “MacArthur Park” zur Nummer eins und gewann einen Grammy.
Dann ging alles furchtbar schief. Donna Summer unterschrieb (wie John Lennon und Neil Young) einen Vertrag bei Geffen Records, der Firma des Musik-Managers David Geffen. “Cold Love”, die erste Single auf dem neuen Label, etablierte 1980 einen neuen Dance-Sound, sogar Lennon war begeistert. Ein Jahr später weigerte sich Geffen Records, das Album “I’m A Rainbow” zu veröffentlichen, die Zusammenarbeit mit Moroder und Belotte wurde beendet: Donna sollte als R&B-Künstlerin etabliert werden, man ließ Songs von Jon Anderson, Vangelis und Bruce Springsteen schreiben. Das Album “Lush Life” überzeugte aber nicht. 1983 hörte man noch einmal die hartleibige Rock-Mutti, die sich in “She Works Hard For The Money” mit einer Putzfrau identifiziert.
Danach begann eine lange Phase des Rückzugs ins Private, der gescheiterten Comeback-Versuche, der Charity-Veranstaltungen, Lifetime-Achievement-Awards und Auftritte bei Friedensveranstaltungen. Man warf ihr homophobe Äußerungen vor, die sie bestritt – dafür sang sie dann unermüdlich bei Aids-Galas und für Homosexuellen-Verbände. 1991 nahm sie eine Single mit den britischen Ballermann-Produzenten Stock-Aitken-Waterman auf, 1994 erschien ein Weihnachts-Album, dann lange nichts mehr. Im Jahr 2008 veröffentlichte Donna Summer “Crayons”, eine Platte, auf die das Verdikt “ganz gut” passte. Das amerikanische Publikum hatte sie nicht vergessen: “Crayons” erreichte Platz 17. Die letzte Single heißt “Fame (The Game)”.
Heute Morgen starb Donna Summer, die Pop-Königin im Exil, in Florida. Sie wurde 63 Jahre alt. Loved to love you, baby.