Zum 75. Geburtstag von Bruce Springsteen: Alle Studioalben im Ranking
Von „Greetings from Asbury Park, N.J.“ bis „Only the Strong Survive“: Alle Springsteen-Alben im Ranking.
10 „The Ghost Of Tom Joad“ (1995)
Springsteen als fahrender Sänger und Chronist der amerikanischen Arbeiterklasse. In intensiven Vignetten singt er von den Ausgebeuteten und Entrechteten, und der Geist von Tom Joad aus John Steinbecks "Früchte des Zorns" geht um. Springsteen ging mit Proletarierjenas und Zopf auf Solo-Tournee.
Wertung: *** 1/2
9 „We Shall Overcome: The Seeger Sessions“ (2006)
Ein überschwänglicher Ausflug zu den amerikanischen Folk-Songs, die das Land begründeten. Vielleicht Springsteens heiterste Platte. 4 Sterne
8 „Greetings from Asbury Park, N.J.“ (1973)
Nachdem er bei Columbia einen Vertrag unterschrieben hatte, machte sich Springsteen an die Aufnahme des Debütalbums. Aufgrund des Wortreichtums seiner zuweilen surrealistischen Texte galt er vorübergehend als „neuer Dylan“, wahlweise als Van Morrison aus New Jersey. „Spirit In The Night“ und „Blinded By The Light“ erfreuten Manfred Mann’s Earth Band, deren Coverversionen einigermaßen erfolgreich waren. Der Columbia-Chef Clive Davis ließ es sich nicht nehmen, in einer Videobotschaft an die Belegschaft „Greetings …“ anzupreisen. Er las sogar den Vers mit „Go-Kart Mozart“ vor. Kommerziell wurde das Album kein Knüller.
Wertung: **** 1/2
7 „Born In The U.S.A.“ (1984)
Im Grunde würde es reichen, alle Songs von „Born In The U.S.A.“ aufzulisten, um die Bedeutung dieses Albums zu beschreiben – sieben der zwölf Stücke wurden zu Hit-Singles, und da waren zwei der bis heute heiß geliebten Hymnen – „No Surrender“ und „Bobby Jean“ – nicht mal dabei. Jon Landau und Chuck Plotkin produzierten die kompakten Songs mit Springsteen und Van Zandt auf den Punkt, in den 47 Minuten findet sich kein lauer Moment. Träume werden gefeiert und vom Alltag zerlegt, Leidenschaft kommt und geht – und was bleibt, ist eins der größten Rock-Alben aller Zeiten.
Wertung: **** 1/
6 „Tunnel of Love“ (1987)
Nach „Born In The U.S.A.“, dem unübertrefflichen Mega-Mainstream-Meisterwerk, musste Springsteen sich etwas anderes überlegen. Auf „Tunnel Of Love“ erzählt er in eher leisen Liedern vom Glück und den Herausforderungen der Ehe, vom Altern und davon, was es bedeutet, wirklich ein Mann zu werden. „Tougher Than The Rest“, „All That Heaven Will Allow“, „Walk Like A Man“: Die Romantik ist jetzt nicht mehr so dringlich, dafür aber größtenteils erstaunlich zuversichtlich. Und natürlich kommen Autos und Flüsse vor (und dem Jahrzehnt entsprechend auch etwas viele Synthesizer).
Wertung: **** 1/2
5 „The River“ (1980)
Wie oft bei solch ausufernden Werken stand bei Springsteens einzigem Doppelalbum immer die Frage im Raum, ob „The River“ reduziert nicht noch besser gewesen wäre. Aber auf welchen der 20 Songs hätte man verzichten wollen? (Okay, auf „Crush On You“ etwa. Oder „Ramrod“.) Doch die Schwermut des Sohns in „Independence Day“, das Feuer in „Hungry Heart“, die sanfte Resignation im Titelsong und bei „Point Blank“: Niemand kann besser kleine Geschichten mit solcher Wucht erzählen wie Springsteen mit der E Street Band im Rücken. Und die 83 Minuten sind dann doch fix vorbei.
Wertung: **** 1/2
4 „The Wild, The Innocent & The E Street Shuffle“ (1973)
Für „E Street Shuffle“ war erstmals die E Street Band zusammengekommen – mit David Sancious an den Keyboards und Vini „Mad Dog“ Lopez am Schlagzeug. Sancious war zu gut, Lopez nicht gut genug. Umso besser sind Springsteens Songs: die ausufernden Rhapsodien „Kitty’s Back“ und „Rosalita“, die Ballade „Incident On 57th Street“ und schließlich die sehnsuchtsvoll-ekstatische „New York City Serenade“ am Ende der Platte mit Suki Lahavs Violine. „4th Of July, Asbury Park (Sandy)“ blieb lange im Konzertprogramm. In den Songs passiert unglaublich viel – Springsteen ist näher an Van Morrison als an Bob Dylan. Mike Appel und Jim Cretecos produzierten die Platte mit dem Enthusiasmus von Amateuren.
Wertung: *****
3 „Nebraska“ (1982)
Nach „The River“ wohnte Springsteen in einem Holzhaus in Colts Neck/New Jersey. Dort nahm er mit einem Vier-Spur-Rekorder von TEAC die Songs von „Nebraska“ auf: Gesang, akustische Gitarre und Mundharmonika. Die Stücke handeln von Mördern und Verlorenen, von der Einsamkeit der Highways und dem Haus des Vaters. Später beschrieb Springsteen die Stimmung des Albums als die eines Film noir, als das dünne Wispern in den Straßen der Nacht. Er brachte die Stücke ins Studio, aber der E Street Band gelang es nicht, diese Songs zu spielen. Jon Landau schlug schließlich vor, die Demos als Album zu veröffentlichen. Zwischendurch fiel das Kassetten-Abspielgerät mit dem Band in den Fluss. Und Steven Van Zandt besteht darauf, dass er der Erste war, der es nach dem Anhören Springsteen vorgeschlagen hatte. Obwohl er dann nicht mitspielen durfte.
Wertung: *****
2 „Darkness On The Edge Of Town“ (1978)
Der Rechtsstreit mit dem ehemaligen Manager Mike Appel hinderte Springsteen fast drei Jahre daran, das nächste Album aufzunehmen. Derweil hatte sich sein Songwriting verändert: Songs wie „Adam Raised A Cain“, „Badlands“, „Streets Of Fire“ sind kürzer und konziser. Das Meisterstück ist aber die Erzählung „Racing In The Street“ mit einer Orgel- und Piano-Coda, die das halbe Stück einnimmt.
Wertung: *****
1 „Born To Run“ (1975)
Der Song „Born To Run“ war 1974 fertig und wurde an Radiostationen geschickt. Philadelphia war schon begeistert. Aber dann wusste Springsteen nicht, wie er mit der Platte weitermachen sollte. Er fragte den Rock-Kritiker Jon Landau, der freundlich über eines seiner Konzerte geschrieben hatte und nun Produzent wurde. Landau war ein Anhänger der Soul-Musik und von The Who, aber er half Springsteen beim Kanalisieren seiner Fantasie. Der Sound der Platte evoziert Roy Orbison, der die „West Side Story“ singt.
Der Legende nach kam Steven Van Zandt, den Springsteen seit der Jugend kannte, ins Studio und sang den Bläsern ihren Part von „Tenth Avenue Freeze-Out“ vor, der Geschichte der Band. Van Zandt blieb dann als Gitarrist der E Street Band. Kurz vor Abgabe der schon lange verzögerten Platte spielte Clarence Clemons das Saxofonsolo bei „Jungleland“. Das fertige Acetat soll Bruce Springsteen in den Swimmingpool geworfen haben, sagt die Anekdote.
Wertung: *****