Zukunftsmusik: „Wir glauben an eine Jamba-freie Zukunft.“
Das kommende Jahr wird spannend: Hier entscheidet sich, ob der Musik-TV-Zuschauer bereit ist, sein Nutzungsverhalten komplett aufs Internet zu übertragen. Denn mit putpat.tv startet im Netz eine zeitgeistige Neuinterpretation des Prinzips Musikfernsehen, wie man es früher kannte.
Ray Cokes ist hellauf begeistert. Feuilletons philosophieren, ob hier ein neues YouTube geboren wird. Die Aufregung ist groß: Wird putpat.tv, von dem es bislang bis auf eine Startseite noch nichts zu sehen gibt, den Zugang zur Musik auf der Mattscheibe revolutionieren? Tobias Trosse, ehemaliger VIVA-Mann und nun einer der beiden Köpfe hinter putpat, ist sicher: „Musikfernsehen hat keine zeitgemäße Form mehr. Da wurde eine Entwicklung verschlafen – eine technische, aber auch eine Entwicklung in der Zielgruppe: Wie ist die Kommunikation? Auf welchen Wegen begegnet man sich?“
Es gibt zahlreiche Gründe für diesen Niedergang. Neben dem täglichen Reality-Trash sei vor allem die enorme Banalisierung von Musik der Sargnagel für das klassische Musik-TV, glaubt Trosse: „Diese ganze Jamba-Arie war für MTV und VIVA das Heroin, das anfangs noch Spaß gemacht hat, wovon man später aber nicht mehr los kam. Das hat die Sender in einen inhaltlichen Ruin getrieben. Wir bei putpat glauben an eine Jamba-freie Zukunft.“ Denn putpat wird eine Form von personalisiertem MTV sein. Trosse: „Als Schlagwort kann man sagen: MTV meets LastFM. Es geht nicht darum, zu jedem Genre einen Kanal zu machen, sondern für jeden Konsumenten seinen individualisierten Fernsehkanal.“
Von Noiserock bis Jazz, von Chanson bis Grindcore, von Volksmusik bis Klassik -alles ist denkbar, erwünscht und zunächst im Angebot. Jeder Videoclip bekommt eine Chance, jeder bereitgestellte Content ist willkommen – und auch nötig, bei einem derart individualisierten Angebot. Was am Ende aus dem einzelnen Clip, aus einer Band und ihrer putpat-Prominenz wird, entscheidet der Zuseher. „Sollten sich alle einig sein, dass ein Content scheiße ist, hat das natürlich seine Konsequenzen.“
Überzeugend daran sei die Benutzerfreundlichkeit und nahezu selbsterklärende Webpage-Gestaltung, ganz nach dem Motto: „KISS – keep it simple and stupid. Die Grundidee: Ich sehe nicht nur, was ich gezielt suche, sondern ich habe die Möglichkeit, auf simpelste Weise Dinge wieder- und neu zu entdecken. Wir wollen den Nutzer hierbei vom Diktat eines Programmdirektors befreien, ihn aber gleichzeitig nicht in den unüberschaubaren Möglichkeiten absaufen lassen.“
Hier kommen Leute wie Ray Cokes ins Spiel. „Es ist wichtig zu sehen, dass putpat keine reine Jukebox ist, sondern ein erlebbarer Sender mit Menschen und Köpfen“, erklärt Trosse. „So steuern wir auf die totale Demokratisierung des Konsums zu. Und das sogar bei der Frage, wie ich mein putpat sehen möchte, denn selbst hier hat der Nutzer die Wahl: zwischen Gratis-TV, dafür aber voller Werbespots, oder einem werbestörungsfreien Genuss per Monatsabo – wobei der Preis hierfür noch nicht festgelegt ist.“ Wie gut das funktionieren kann, wird sich an der Benutzerfreundlichkeit und den Inhalten entscheiden. Details zu Technik und Content der Seite werden aus strategischen Gründen nur in kleinen Happen weitergegeben – genau so, wie es bewusst keinen klar definierten Starttermin gibt. Ob wir hier also eine neue, schick aussehende, aber am Ende für die breite Masse nutzlose Totgeburt oder doch die sinnvoll durchstrukturierte nächste YouTube-Generation erleben, bleibt bis zur Markteinführung abzuwarten. Immerhin, so Trosse: „Wenn man die Latte für uns so hoch legt, können sich doch alle freuen, wenn wir versuchen, da drüber zu springen. So verfügt man zumindest über den Anspruch, den auch die User draußen an uns haben werden.“