Zu smarten Grooves rapt das HipHop-Trio Fettes Brot mit großem Gefühl über kleine Gedanken aus der Vorstadt
Schiffmeister war beim Steuerberater. Harald Schmidt hat einen, Magarethe Schreinemakers einen schlechten, und Steffi Graf hatte nur den Vater. Die Rapper Schiffmeister, Dr. Renz und König Boris von Fettes Brot müssen wg. Waigel nun die Tantiemen aus ihren Single-Hits „Jein“ und „Nordisch By Nature“ verzinsen und versteuern. „Andere würden das leicht überblicken“, erklärt Schiffmeister. „Aber als Dorfdeppen bekommen wir das nicht hin.“
Das Twentysomething-Trio wuchs im Kreis Pinneberg auf, dem Hinterland von Hamburg. An ihrem neuen Album „Außen Top Hits – Innen Geschmack“ zeig, sich wieder einmal, daß Provinzler oft unbekümmerter und einfallsreicher streben als Großstadtgecken. Die Platte hat Witz, Verve, Sentiment, ist funky und mellow und will nicht mehr sein als eine Platte. Die besten Songs eignen sich klasse zum cruisen, denn in der Provinz ist Autofahren weiterhin cool, und die Brote rappen von Fliegen an der Windschutzscheibe, Imbißbuden und öden Klassenkameraden. „Hallo HipHop“ umfaßt ironisch ihren Kosmos aus Fernsehen, Fußball und Feten. Ihr Titel „Mikrokosmonaut“ ist da nur folgerichtig. Denn sogar Renz‘ ehemaliger Musiklehrer ließ ein Lob ausrichten. Als beste Nachwuchsband haben sie den Echo-Preis erhalten und sich bei der Gala betrunken.
Und wie schmeckt der Erfolg? Boris: „Mal süß, mal bitter.“ Renz: „Wie Eistee.“ Also „Jein“. Das Tanzlied mit Trompete und Melodien Morricones handelt, so Schiffimcister, „von Situationen, in denen man sich sofort entscheiden muß. Im Business müssen wir öfter – und gerne! – Entscheidungen treffen.“ Dies sei auch ein Beziehungslied, also kein Liebeslied, sagt Renz: „Wir verarbeiten authentische, nicht nur autistische Erlebnisse.“ So sind Mädchen – gerade im Kreis der Kumpels – blöde und also besonders liebenswert, und bei „Bravo“ häufen sich Fragen nach den drei Fragezeichen. „Sie haben mal ein Foto veröffentlicht, auf dem wir häßlich aussahen“, sagt Renz. „Seitdem waren wir nicht mehr drin. Wir lesen die ‚Bravo‘ gerne, aber es ist auch sehr unterhaltsam, ihre Anfragen abzulehnen.“
Ohnehin ist alles erklärt, seit 1994 die Serie „Das wahre Leben“ mit dem gleichnamigen Brot-Stück beginnt und so erzählen sie ihre Story gerne als Sketch. „Den Renz habe ich beim Judo kennengelernt. Wir haben uns wieder getrennt, da er keine Mastersof-Universe-Figuren gesammelt hat“, kalauert der König. Und der Doktor diagnostiziert: „Boris ist der stümperhafte Teenager, ich bin der intellektuelle Teil.“ In der Provinz jedoch trifft man sich immer wieder. Zumal Fettes Brot ihr Selbstverständnis auf die Rap-Szene gründen, „in der es einen starken Zusammenhalt zwischen echten HipHop-Aktivisten vom Breakdance bis S-Bahn-Surfen gibt“, sagt Schiffmeister, der Graffiti gesprüht hat Fettes Brot rappen mit Dub-Recorder und dem DJ Rabauke („Klassisch wie De La Soul“) und fühlen sich auf der genuinen Seite. Feinde nörgeln, sie seien die neuen Fantastischen Vier. Deren Erfolg erkennen die Brote an. „Sie beriefen sich jedoch nicht auf die Szene, erklärten nie etwas zu anderen Bands, und die Szene beleidigte sie als Kasper der Industrie. Nun gibt es ein neues Gemeinschaftsgefühl, weil die Fantas die Szene mehr respektieren, und die ihnen viel zu verdanken hat“ Banausen wie der Bürger Lars Dietrich werden natürlich ausgeschlossen. „Viele Plastik-Projekte mit einem Hit werden ausgebeutet von Produzenten, die auch Rock und Schlager bearbeiten. Die machen nur Musik“, definiert Dr. Renz. Und so veralbern sie in „.“und ich geh nicht zum Arzt“ die Refrains („Ich fühl mich scheiße“) der Comic-Mädels Tic Tac Toe.
HipHop bleibt Stammesritus und Nabelschau, und der Posse der Brote gehören Tobi und Bo ebenso an wie Eißfeldt, der in „Mal sehen“ mitrapt Er hat mit seiner Band Absolute Beginner gerade das Album „flashnizm (stylophet)“ herausgebracht, auf dem die Klänge und Reime das Chaos von Urbanität zum kosmischen Strom integrieren. Mehr als eine Platte. Und was die Brote flavor nennen, ist den Beginner style -Identität. Eißfeldt schätzt Fettes Brot, weil sie nie anders waren als heute. Denen sind Maulaffen zuwider, die sich im Underground verbunkern, wenn ihre Helden zu populär werden. „Wie bei Nirvana oder den Monty Pythons“, sagt Schiffineister. „Die Maus bleibt eine der geilsten Sendungen, auch wenn viele jetzt nur an Raab denken. Individualist ist nur, wer weiterhin dazu steht“ Das Trio hat vorgesorgt und im St Pauli-Stadion eine Bande gekauft, auf der stehe: „Fettes Brot ist doof.“