Zoten und Quoten
Schweden baggern nicht und Amerikaner pixeln nackte Ehefrauen. Warum es zu früh ist, die Sexismus-Debatte zu beenden
Brüderle komm tanz mit mir/ beide Hände reich ich Dir/ Einmal hin/ Einmal her/ Rundherum das ist nicht …“
Ups, hab wohl wieder vor mich hingesummt! Aber Zweck erfüllt: Wir sind noch nicht fertig mit Dir, Freundchen, also Brüderchen, auch wenn Deine Polit-Kollegen längst versuchen, Dich durch patzige Clownereien aus dem Licht der Öffentlichkeit zu drängen. Nein, wir vergessen nie. Weder – wie es die „taz“ neulich richtig definiert hat – den Unterschied zwischen Flirt (wenn beide mitmachen) und nervigem Angraben (wenn einer die kalte Schulter der anderen ignoriert), noch die Verortung der Geschichte im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang: Nur weil die schwer definierbare „Sexismus-Debatte“ laut Medienkonsens vorbei ist, hat sich der Handlungsbedarf noch nicht erledigt.
Es fängt nämlich gerade erst an. Jetzt müsste man rasch Konsequenzen ziehen und hübsche Reaktionsangebote machen: Wieder kleine Kärtchen verteilen, auf denen steht „Sie haben gerade eine Frau sexuell belästigt“ und die mit einer Chemikalie getränkt sind, die die Finger des Halters für eine ziemlich lange Zeit rot färbt (gab es in den 90er-Jahren, haben sich leider nicht so durchgesetzt wie die drohenden „Parke nicht auf unseren Wegen!“-Sticker für die Autoseitenspiegel. Wahrscheinlich wegen der fehlenden Gummierung). Oder: Bei Redaktionssitzungen mit schüchternen Frauen und Zampano-Männern den von den Esos versauten, aber unglaublich praktischen „Talking Stick“ benutzen, der aus der Aborigine-Kultur kommt, und ein verzierter Holzstab ist, der dem ihn Haltenden als Einzigem das Sprechen erlaubt. Ich werde bei solch megademokratischen Regelungen zwar regelmäßig vor gebremster Redewut ohnmächtig, so wie Jennifer Saunders in „Absolutely Fabulous“, die bei einem Hippie-Sit-In „stick, stick, stick!!!“-schreiend die friedliche Schneidersitz-Runde aufmischt. Aber es erfüllt seinen Zweck: Jeder und jede kann sprechen, ohne unterbrochen zu werden, und man muss ja nicht gleich mit so einem Riesengerät wie dem berühmten Kwakwaka’wakw-Talking-Pfahl ankommen, schließlich wollte man doch eh weg von zu viel Phallus.
Oder: Mir ist zwar nicht (also theoretisch schon, aber praktisch weniger) klar, wie Schweden sich vermehren, weil sie selbst bei einer Arbeitstemperatur von mehreren Promille keine Frauen in Bars ansprechen, sondern einfach nur besoffen in sich hineinlallen (das war die übereinstimmende und somit annähernd empirisch gesicherte Erfahrung mehrerer weiblicher Schwedenbesucher in meinem Bekanntenkreis). Aber dort gibt es nicht weniger Sex! Eher mehr! Tout Schweden ist eine Dampfsauna mit Darkroom. Neid!
Ganz im Gegensatz zu den USA, dem Land, das Livesendungen zeitversetzt ausstrahlt, seit Janet Jackson beim Superbowl eine halbe Brust mit Pastie drauf gezeigt hat; und dass das Cover der tollen neuen Nick-Cave-CD, auf der eine nackte Frau (seine Ehefrau Susie Bick!) durch einen sonnendurchfluteten Raum schreitet, vorsichtshalber um die Scham herum pixelt und erst dann bei iTunes reinstellt, damit bloß kein Nick-Cave-Fan im Kindergartenalter ohnmächtig wird. Im findigen Vaterland von Sexismus, Prüderie und Selbsthilfegruppen gibt es bestimmt schon „sexism support groups“, in denen man sich darüber austauscht, wie schwer es ist, eine (un)anständige Zote zu reißen, ohne dass das Cowgirl neben einem sauer wird.
Hier in Deutschland scheint es, wie eingangs erwähnt, dagegen noch zu klappen mit dem Zotentanz. Trotz Quoten- und anderer Diskussionen, die schon lange vor Brüderle geführt wurden, und trotz der viel beachteten Petition gegen Sexismus in der Außenwerbung (und nicht etwa gegen Nackte!). Passend dazu hat eine aktuelle Studie von female:pressure – einem Netzwerk von Musikerinnen, DJs, Labelmacherinnen und Künstlerinnen – Zahlen zu Labels, Festivals und Radiosendern wissenschaftlich ausgewertet, Weiblein und Männlein gezählt, und trauert zu Recht um die nicht vorhandene Präsenz von Frauen: Meist eine allein auf weiter Bühne, und die kriegt gleich den Stirnaufkleber „Quotenfrau“, das Synonym für „kann nichts“. Vielleicht müsste man zunächst diesen doofen Begriff positiv umdeuten: Quotenfrau und stolz darauf! Denn was Quotenfrauen können, können nur Quotenfrauen.
Im nächsten Monat kommt der Typewriter wieder von Uwe Kopf.