„Über Musik zu schreiben ist wie über Architektur zu tanzen“ – wer hat es wirklich gesagt?

Immer wieder wird das wohl bekannteste Bonmot der jüngeren Popkultur wahlweise Elvis Costello oder Frank Zappa in den Mund gelegt. Vielleicht hat es aber auch ein Komiker „verbrochen“.

Musikjournalismus steht seit jeher unter dem Verdacht, eine schöne Sache mit kleinteiligen Gedanken und allzu subjektiven Kritiken kaputt zu machen. Das sehen wir natürlich anders und schreiben leidenschaftlich weiter. Dennoch gibt es ein Bonmot, das diese grundsätzliche Vorhaltung gegenüber dem Schreiben und Sprechen über Musik in Worte packt: „Über Musik schreiben ist wie über Architektur tanzen – eine ziemlich dumme Idee.“

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Erst am Samstag (24. August) war es wieder öfter zu lesen, in einigen Memes zum 65. Geburtstag von Elvis Costello.

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Tatsächlich wird immer wieder behauptet, dass Elvis Costello diesen Satz 1983 in einem Interview gesagt haben soll. Konkret: “Writing about music is like dancing about architecture – it’s a really stupid thing to want to do.” Da der Songwriter eine ehrliche Haut ist, stellte er später klar, dass er auf jeden Fall nicht der Urheber dieses geflügelten Worts ist. Stattdessen brachte er den Komiker Martin Mull ins Spiel. Der wurde als Stand-Up-Comedian in den USA bekannt, veralberte Seifenopern und war unter anderem in „Roseanne“ zu sehen. Weltbekannt wurde er aber nie. Und so könnte es sein, dass sein Wortspiel schnell anderen zugesprochen wurde, weil es eben passte.

So etwa Frank Zappa, der schon in frühen Jahren seiner unvergleichlichen Karriere sehr schlecht auf Musikjournalisten zu sprechen war. Das ist allerdings fast noch positiv ausgedrückt. Er stänkerte einst noch viel deftiger gegen das Schreiben über (Rock-)Musik: „Rock journalism is people who can’t write interviewing people who can’t talk in order to provide articles for people who can’t read.“

Miles Davis oder Thelonious Monk – Hauptsache Jazz-Musiker

In den 80ern schienen tatsächlich viele Musiker Lust zu haben, den Spruch anzuwenden, um sich gegen voreingenommene Meinungen aus der Pop-Presse zu wehren. Sogar Laurie Anderson schüttelte ihn aus dem Ärmel. Aber sie behauptete später, das Bonmot von Steve Martin gestohlen zu haben. Vielleicht ein Fehler, der sich wie beim Stille-Post-Spiel eingeschlichen hat. Hat Steve Martin den Satz je gesagt oder zitiert? Oder wurde aus „Komiker“ und „Martin“ (Mull) am Ende aus Verlegenheit, weil man es nicht besser wusste, Steve Martin?

Fakt ist, dass das Zitat „Über Musik schreiben ist wie über Architektur tanzen“ vor allem Jazz-Musikern wie Miles Davis und Thelonious Monk zugesprochen wurde. Wohl auch deswegen, weil das Sprachspiel ein abstraktes Bild als Analogie verwendet. Wer derart Kluges sagt, der kann kein gewöhnlicher Musiker sein, so scheint der Verlauf der Zitatverschiebung zu funktionieren.

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Licht ins Dunkel wollte schließlich der amerikanische Pop-Erforscher Allan P. Scott bringen. Heute würde man ihn einen Blogger nennen. Er vergrub sich Monate lang in Zeitungsartikel, durchkämmte Archive und besorgte Videomaterial. Alles im Netz dokumentiert. Aber mit Sicherheit konnte er das Bonmot keinem Musiker oder Künstler zuordnen. Auch wenn sein Favorit Martin Mull blieb.

Und dann bleibt da auch noch die Frage, ob es wirklich „Writing about music“ und nicht vielmehr „Talking about music“ hieß. Aber das ist Stoff für eine anderen Mythos.

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