Zehn Jahre U2 im Rückspiegel
The Fly taucht auf
„Das ist in New York, zur Zeit von ,Zoo TV‘. In den 80ern schleppten wir eine Menge moralischen Ballast mit. Wir konnten unerträgliche kleine Jesusse sein. Also kreierten wir einen Anti-Bono: the Fly. Ich habe immer gesagt: ,Achtung Baby‘ war das Geräusch von vier Männern, die den ,Joshua Tree‘ zu Kleinholz hacken.“
Spass als Spice Girls
„Anton versuchte permanent, uns zu verwandeln. Keine Ahnung, was hier passiert ist. Vielleicht sind das wir als die Spice Girls. Larry (Mullen, o.) ist Baby Spice. Adam (Clayton, I.) ist Posh Spice. Edge (r.) ist Sporty Spice. Und ich gebe die Liza Minelli. Edge hat aber auch was von Farrah Fawcett oder Derek Smalls von Spinal Tap. Es ging uns darum, mit dem megalomanischen Aspekt des Rockstar-Daseins Spaß zu haben: Es ist lächerlich – machen wir’s also lächerlich.“
Diese Fotos wecken so viele Erinnerungen an Dinge, die ich ganz vergessen hatte, weil alles Schlag auf Schlag ging. Fundamentalistische U2-Fans betrachten die 90er Jahre ja als unseren Irrweg – die Zeit, in der wir die „Message“ vergaßen. Aber diese Fotos und das neue Album („The Best Of 1990-2000“) zeigen uns in einer sehr elastischen Hochphase: eine Band, die keine Mauern kennt. Für viele Fotografen besteht ihre Kunst darin, zu entdecken, wer man ist. Anton Corbijn hält fest, was du sein könntest, dein Potenzial als Person. Kennen gelernt haben wir ihn beim einem Foto-Shooting 1982. Wir waren damals pleite, und Anton verblüffte alle, indem er uns Drinks spendierte. Da war klar: Mit dem wollen wir wieder arbeiten – möglichst oft!
Ein kleiner Rat von Frank Sinatra
„Da ist er. Der Pop-Urknall. Frank bot mir an, Präsident des ,Frank Sinatra Golf Classic‘ in Palm Springs zu werden. Aber in unserer Band ist Golf spielen verboten. Ich sagte trotzdem ja. Wie hätte ich ablehnen können? Wie erklärt man ihm die goldene Regel? Es heißt ja immer, er habe Rockstars grundsätzlich nicht leiden können. Ein paar Mal hat er auch böse auf meine Ohrringe gestarrt… Am Tag nach diesem Foto fuhren wir in einem Auto durch Palm Springs. Auf dem Beifahrersitz saß ein Kameramann, und wir trugen kleine Mikros. Irgendwann lehnte Sinatra sich zu mir rüber und flüsterte: .Kurbel das Fenster zwei Zentimeter runter.‘ Ich sagte: ,Was?‘ – ,Kurbel das Fenster runter.‘ Tat ich das also. Er sah mich an und sagte: ,Besser.‘ Er leuchtete mich für die Kamera aus! Alte Hollywood-Schule.“
Auch Pazifisten fangen klein an
„Das ist mein Sohn Elijah in Südfrankreich. Viele dachten ja, als Familienvater würde ich ruhiger werden. Weit gefehlt. Ich bin eher extremer geworden in meiner Sicht der Welt – und noch entschlossener, mit ihr klarzukommen. Man tut alles, um seine Kinder zu beschützen. Mein Pazifismus – in den 80ern mein Markenzeichen – wurde durch die Kinder herausgefordert. Ich versuche, das in Aktivismus umzuwandeln.“
Im Saustall mit Bill
„Das ist im Ritz-Carlton in Chicago ’92, am Tag nach unserem Treffen mit Bill Clinton. Als er aufkreuzte, waren Edge und ich die halbe Nacht wach gewesen und hatten einen Song namens ,Two Shots Of Happy, One Shot Of Sad‘ geschrieben. Das Zimmer war ein Saustall. Pizzaschachteln und Bierdosen überall, und ich im Bademantel. Da steht also der Typ, der fürs Amt des Präsidenten kandidiert, vor der Tür, und ich kann nur entweder aufräumen oder diesen Bademantel loswerden. Ich zog an, was mir als erstes in die Finger kam – den Samtanzug vom Vorabend. Als Clinton reinkam, erblickte er das reinste Rock’n’Roll-Babylon. Seine Begleiter dachten ganz offensichtlich: ,Was sollen wir denn hier mit ihm?‘ Aber Bill lachte nur schallend. Der fand das furchtbar lustig. Ich dachte damals sofort: Wenn irgendwer das Nordirland-Problem lösen kann, dann er.“
Nein, dies ist kein Bong. Nur eine Atemhilfe.
„Das sieht avantgardistischer aus, als es ist. Auf Tour singe ich jeden Abend zwei Stunden – auch Töne, die ich nicht wirklich erreiche, und das zehrt an den Stimmbändern. Darum darf ich tagsüber nicht reden. Und mit diesem Befeuchter halte ich mich fit. It’s a pain in the ass. Für mich zumindest – der Rest der Band findet’s super, wenn ich den ganzen Tag die Klappe halte. Ist wohl einer der Gründe, warum sie gern auf Tour gehen.“
Elvis ist schuld. Und wo bleibt das Aspirin?
„Das hier – am Ende geht das alles zurück auf Elvis, als er den blauen Eyeliner auftrug. Wenn Rock & Roll zu sehr macho wird, ist es kein Rock & Roll mehr. Aber so ganz genau weiß ich nicht mehr, wie das hier zustande kam. Da bin ich zu Hause in Dublin, direkt nach dem Ende der Zoo TV-Tour. Wir feierten das mit einer Party – und die hatte für mich, wie man sieht, wohl einfach kein Ende gefunden. Das Kleid gehörte einem Mädchen, das bei uns arbeitete, Suzanne Doyle. Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich in ihrem Abendkleid mache. Ich habe auch keine Ahnung, wen ich da eigentlich anrufe. Vielleicht meine Frau Ali, damit sie mir Aspirin bringt.“
Achtung Baby Blackwell am Drücker.
„Der mit der Kamera ist Chris Blackwell von Island Records. Wir schulden ihm viel. Vor ein paar Jahren bin ich mal Prince begegnet – ich glaube mindestens so sehr an Prince wie Prince selbst, und das heißt einiges -, und er hatte das Wort ,Slave‘ auf der Wange stehen. Ich fragte ihn, was das bedeutet. Er sagte: ,Meine Mastertapes gehören mir nicht, und meine Copyrights auch nicht.‘ Dann sagte er: ,Aber ihr besitzt eure Mastertapes und eure Copyrights. Wie habt ihr das bloß gemacht?‘ Ich erwiderte: ,Weniger Tantiemen.‘ Wir haben einen Manager (Paul McGuiness), der es für unser fundamentales Recht hielt, dass dieser Kram irgendwann wieder an uns zurückfällt. Und dieser Mann hier, Chris, ließ sich darauf ein. Das heißt zwar, dass wir uns bei großen Erfolgen wie ,The Joshua Tree‘ und ,Achtung Baby‘ mit weniger Prozenten bescheiden mussten. Aber ich werde Chris Blackwell ewig dankbar sein, dass er uns diese Rechte ließ. Denn ich bin kein Sklave.“