Zart wie Stahl

Wie der Metal-Labelchef Markus Staiger versucht, mit der Mädchenband Indica seinen ersten echten Pop-Hit zu landen

Das allererste Gebot: Auch wenn die anderen es cooler fänden – sei nicht zu relaxt, wenn dir etwas wichtig ist! „Jetzt fängt die Endphase an“, stöhnt Markus Staiger, „da muss ich noch mal einige Leute kräftig in den Hintern treten.“ Könnte heißen: Radioredakteure belabern, mit TV-Typen ein ernstes Wörtchen reden, öfter mal im Vertrieb anrufen. Denn das, was hier kommt, darf nie und nimmer schiefgehen. Am 25. Juni veröffentlicht Staiger über seine Plattenfirma Nuclear Blast das erste englischsprachige Album der Band Indica, „A Way Away“. Fünf hübsche Finninnen, haarfarbenmäßig gut gemischt, optisch zwischen Mittelaltermarkt, Vampirkalender und Opernmystik, die mit ihrem Dramapop – wie das ja immer so ist – in ihrer Heimat zu den ganz Großen zählen.

Diese Band will Staiger nun auch im Rest der Welt etablieren. Und die Anhänger seines Labels müssten sie ihm eigentlich um die Ohren hauen. Nuclear Blast zählt nämlich mit Gruppen wie Hammerfall, Dimmu Borgir oder Nightwish und rund 30 Millionen Euro Jahresumsatz zu den bedeutendsten Heavy-Metal-Firmen der Welt.

Der Schwabe Staiger – der Nuclear Blast 1987 in Donzdorf bei Stuttgart gründete und heute schon weltweit 130 Leute beschäftigt – steckt mit seinem neuesten Herz- und Nierenprojekt also in einem aufregenden Dilemma: Für die langschenkligen Newcomerinnen brennt er mit der gleichen Unerbittlichkeit, mit der er sein Metal-Empire in die gleichgültige Welt hineinsetzte. Andererseits verletzt er mit dieser romantischen, radiofähigen Musik eindeutig die Grenzen des Reichs.

„Klar mache ich Nuclear Blast für die Fans“, seufzt er als Antwort auf die oft gestellte Frage, „aber eben auch für mich selbst. Und ich finde, dass Indica super zu uns passen. Die ersten Reaktionen auf YouTube sind positiv, auch von Metal-Hörern.“ Dort schreiben trotzdem manche, dass Indica wie „die Spice Girls mit Instrumenten“ klingen und auf dem Label nichts zu suchen hätten, aber hater gibt es ja immer.

Seit 2004 haben Indica in Finnland vier Alben veröffentlicht, Platin und Gold erreicht, als Vorgruppe der Superstars Nightwish Europa bereist. Doch natürlich haben die Mädchen ihrem neuen Mentor Staiger bereits attestiert, dass sie einem derart Wahnsinnigen im Musikbetrieb noch nie begegnet seien. Das hört er gerne: Seit einem halben Jahr hat er fast kein anderes Thema, die halbe Million, die er ins Marketing gesteckt hat, wird sogar im Presserundbrief genannt.

„Manchmal finde ich es schade, dass ich praktisch dazu gezwungen bin, überall anzuklopfen“, meint Staiger. Während er sich im Metalbereich auf Augenhöhe mit bekehrten Fans bewegt, die sich eh nichts vorgaukeln lassen, tritt er mit Indica gegen die ganze fremde Welt des Pop an. Mit allen Mitteln. Ein Sender sagte ihm die Kampagne ab, weil man schon Casting-Gewinner Menowin dafür verpflichtet hatte. „Würden Indica bei, DSDS‘ auftreten, könnten sie sicher dreimal so viel verkaufen wie der“, grummelt er. Eine Mischung aus Begeisterung und Geschäftssinn, wie man sie zuletzt bei den Music Men der nicht börsennotierten Plattenfirmen in den 60ern und 70ern erlebt hat.

Demnächst, wenn wirklich alles getan ist und er Indica dem Rock’n’Roll-Schicksal überlassen muss, will Markus Staiger tatsächlich mal für fünf Tage nach Mallorca fliegen. Und wenn es dann doch nicht mit dem Top-Ten-Einstieg klappt? „Dann ertränke ich mich im Meer!“ Aber das war ein Witz. Klang jedenfalls so. joachim hentschel

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