Young Man: Kein Fänger im Roggen

Colin Caulfield ist 23 und schreibt mit seiner Band Young Man Alben über die Jugend. Dabei entdeckte er unverhofft den Pop. Wir haben ihn zum Interview getroffen und "Vol. 1", das am 25. Mai erscheint, bereits exklusiv im Stream.

Colin Caulfield ist Songwriter und Kopf des Projekts Young Man, mit dem er am 25. Mai das Album „Vol. 1“ veröffentlicht. Es ist das zweite Album einer Trilogie, die sich konzeptionell mit der Jugend als solcher befasst. Mit diesem Lebensabschnitt, der sich wie kein anderer „von selbst mit so vielen Ereignissen, Ängsten und Hoffnungen, Höhen und Tiefen vollsaugt“.

Holden Caulfield ist der „Fänger im Roggen“, Protagonist des gleichnamigen Romans von J. D. Salinger, 16 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Erzählung in psychiatrischer Behandlung. Das Buch erzählt von der Abscheu und der Angst vor der Erwachsenenwelt, von dem Traum einfach wegzulaufen, und die Schwelle dahin nie zu übertreten.

„Ich mag das Buch nicht sonderlich“, erklärt Colin Caulfield, wenn man ihn nach seinem Fast-Namensvetter fragt. „Ich habe es einmal gelesen als ich noch sehr jung war und es wieder vergessen. Und dann während des Studiums wieder. Aber wahrscheinlich liegt es auch einfach daran, dass mich jeder drauf anspricht. Vielleicht sollte ich es einfach nochmal lesen.“ Bedingt durch Namens- und Themenverwandtschaft wird sich Colin Caulfield auf jeden Fall darauf einstellen müssen, noch häufiger auf den 16-jährigen Holden angesprochen zu werden – „was ja auch ok ist. Irgendwo kann ich mich auch mit ihm identifizieren. Ich denke jeder kann das.“

Aber auch wenn der Name und die Perspektive der Erzählung die beiden zu verbinden scheint, ist Colin Caulfields Blick auf diesen Lebensabschnitt ein anderer: Während Holden der Welt mit trotziger Schnodderigkeit begegnet, zeigt sich Colin sehr bedacht – im Songwriting und im Gespräch gleichermaßen. Er prescht nicht drauf los, verzweifelt nicht lautstark, sondern wählt sorgfältig Worte und Melodien, während er sich unbestimmt zwischen dem Wollen, Sollen und Können dieser Welt bewegt und über diese Dinge sinniert, die einem bevorzugt durch den Kopf streifen, wenn man mit Blick auf die Zimmerdecke rücklings auf dem Boden liegt. „I just don’t know what life is / What to do / I want to know what life is / I just don’t know where life is good.“ In oft mantrahafter Dauerschleife dreht er sich zu seinem Gitarrenspiel um die berühmten W-Fragen, stellt immer wieder fest „I’ve been thinking – too much“ und versinkt doch nie völlig in seinen Gedanken – trotz seiner 23 Jahre.

„Vol. 1“ ist aber nicht einfach nur das zweite Album der Trilogie, die im übrigen schon komplett fertig geschrieben ist, sondern auch so etwas wie ein Neuanfang in der Mitte. Deshalb auch die ungewöhnliche Titelgebung: „Zwar ist es auch als kleiner Seitenhieb auf all diese Kraut- und Progessivebands gemeint, die ihre Alben alle irgendwie so nennen“, aber vor allem soll es auch darauf hinweisen, „dass sich bei dem Projekt Young Man einiges geändert hat“. Inzwischen sind sie mehr vom Projekt zur Band geworden. Vorherige Konzepte wurden im Studio noch einmal über den Haufen geworfen und am Ende eine neue Marschrichtung gewählt.

„Es ist wirklich schwer zu sagen, was vor dem Gang ins Studio mein Plan von dem Album war, inzwischen weiß ich es eigentlich nicht mehr richtig. Aber es sollte alles ganz anders klingen.“ Vor allem mit Mainstream-Pop und klassischen Songstrukturen wollte Caulfield wirklich nichts zu tun haben. Doch dann drückte ihm John McEntire, der die Band als Produzent unterstützte und sich durch die Zusammenarbeit mit beispielsweise den Bright Eyes oder Broken Social Scene einen Namen machte, das Buch „The Art Of Songwriting“ von Jimmy Webb in die Hand. „Ich weiß nicht, ob man in hierzulande kennt, aber bei uns ist er ein wirklich berühmter Komponist. Erst durch ihn habe ich begriffen, was es heißt Songs zu schreiben, die in den Top 40 landen. Auch wenn das nicht das ist, was ich tun möchte, ist es etwas, das ich jetzt respektiere. Ich meine, ich würde niemals tun was Lady Gaga macht. Aber ich betrachte das jetzt mit anderen Augen.“ War es bei dem letzten Young Man Album „Ideas Of Distance“ noch Zielsetzung, vor allem an klassischen Songstrukturen vorbeizukomponieren, Songs zu schreiben, in denen „einzelne Teile mal auftauchen und wieder verschwinden“, hat Caulfield nun vermehrt darauf gesetzt, Ideen auf Songlänge auszuarbeiten, eingängige Melodien nicht grundsätzlich auszuschließen und seine leichtfüßigen Hooklines immer wieder einzustreuen – bestes Beispiel dafür ist die erste Single „Fate“.

Eine Entwicklung, die man auch in gewisser Hinsicht als Erwachsenwerden bezeichnen könnte, oder? Pop plötzlich nicht mehr zu hassen, sondern gar als eine Kunstform zu begreifen und zu nutzen? „Ja genau. Als ich jünger war habe ich Popmusik verabscheut. Jetzt sehe ich das nicht mehr so einfältig. Ich denke es gibt eigentlich in jeder Musik etwas Gutes. Mal ausgenommen Countrymusik, die kann ich wirklich nicht leiden.“

Young Man live – präsentiert von uns:

02.06.12 Berlin, Roter Salon (+ Kill All Hipsters Party)

03.06.12 Köln, Studio 672

04.06.12 Frankfurt, Ponyhof

Albumstream:

Young Man – „Vol. 1“ by Rolling Stone Magazin

Young Man – „Fate“:

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