„You Don’t Know Jack“ ist das beste Quiz der Welt
Mit knallharten Fragen und witzigen Kommentaren war „You Don't Know Jack“ ein Stern am Quiz-Firmament. Das Computerspiel muss unbedingt neu aufgelegt werden.
„Das ganze Leben ist ein Quiz/und wir sind nur die Kandidaten/Das ganze Leben ist nur ein Quiz/ja, und wir raten, raten, raten“, sang Hape Kerkeling einmal und ahnte damals in seiner gespielten Naivität nicht, wie viele Quizsendungen irgendwann einmal im Fernsehen laufen und wie viele Menschen auf ihrem Smartphone eine App namens Quizduell spielen würden.
Deutschland überprüft sein Wissen am laufenden Meter. Vielleicht, weil der Deutsche schlicht immer wieder Bestätigung braucht für das, was er tut. Oder weil er der romantischen Schwermut verfallen will, dass das Wissen eben unendlich ist und man nie genug dazulernen kann.
Warum sind die meisten Quizze nur so witzlos?
All die Quizze haben aber einen Nachteil: Sie sind in der Regel gähnend langweilig. Im Fernsehen werden sie mit allerhand Seichtigkeiten aufgepumpt, in den öffentlich-rechtlichen Sendern raten fast nur albern gestimmte Prominente für den guten Zweck und bei „Wer wird Millionär“ geht es schon lange eher darum, welche spannende Geschichte der Kandidat auf dem Stuhl vorzuweisen hat – wenn er überhaupt allein kommt und nicht im Gespann mit seinem Nachbarn, Zwilling, Saufkumpan.
Es gab einmal ein Quiz, das kannte keine Langeweile und richtete sich an Knobelfüchse genauso wie an Freizeitkabarettisten: „You Don’t Know Jack“, zunächst als PC-Spiel erschienen, später auch für Spielekonsolen adaptiert und (in englischer Originalsprache) als Internetprogramm modifiziert, war ein Ratespiel „zwischen Wissen und Wahnwitz“. Noch bevor das Internet mit seinem Stumpfsinn und allerhand Emojis die Konzentrationsfähigkeit der Menschen immer mehr herabsenkte, wurden hier schon die Fährten gelegt für den Zusammenprall zwischen Populär- und Hochkultur.
Sie wurden genagelt!
In insgesamt vier Versionen erschien die von Jellyvision entwickelte Quizreihe hierzulande – und das Spiel blieb stets auf eine bestimmte Weise ähnlich: ein bis drei Spieler konkurrierten gegeneinander und mussten wahnwitzige Fragen beantworten und kleine Spielchen durchleiden, bei denen es imaginäres Geld zu gewinnen gab. Moderiert wurde das ganze von einem (unsichtbaren) Typen namens Jack, der nicht nur die Fragen vorlas, sondern auch mit abstrusen Einleitungen das Thema erklärte und schließlich – bei falschen Antworten – verbal gnadenlos auf die Rätselnden eindrosch.
Die Fragen lasen sich in etwa so:
„Angenommen einige Talkmaster wurden wegen ihrer Verdienste um die Unterhaltung des deutschen Volkes geadelt. Wer hat den höchsten Titel verliehen bekommen? A) Harald Graf von Schmidt B) Margarete Herzogin von Schreinemarkers C) Arabella Freifrau von Kiesbauer D) Fürst Thomas von Gottschalk“
Genial an dem Spiel war allerdings nicht nur die wundervoll ironische Reflexion des gesamten Quiz-Genres (und die Parodie auf das TV-Format – sogar mit Blödelwerbung ergänzt), sondern auch die deutsche Übersetzung. Während das Original in den USA, das nach wie vor in unterschiedlichen Varianten existiert, dröge aufbereitet war und allenfalls mit etwas Wortwitz zum Querdenken herausforderte, ging es in der deutschen Fassung zur Sache.
Ab Teil zwei fungierte Kai Taschner (bekannt als Killerstimme aus der „Scream“-Filmreihe) als Synchronsprecher von Jack und machte eine Raterunde mit seiner elektronisch verfremdeten Knödelstimme zum Gagfeuerwerk. Wenn man die Antwort nicht wusste, konnte man den Mitspieler „nageln“, das heißt, er musste die Fragen dann beantworten. Ganz konkret wurde das in dem Computerspiel mit einem Nagel symbolisiert, der sich in die karge Darstellung des Spieler-Avatars bohrte.
„Wasch es, dann küss ich es vielleicht“
Der Höhepunkt von „You Don’t Know Jack“, bei dem man zwischenzeitlich Spiele wie „Sekt oder Selters“, „Schnickschnackfrage“, „Flotter Dreier und abschließend die so genannte „Jack Attack“ zu absolvieren hatte, ist aber der dritte Teil mit dem Untertitel „Abwärts“. Hier diente ein imaginärer Fahrstuhl als Aufhänger für Quizspiele, die mit einem Umfang von mehreren Runden zu bestimmten Themen Fragen anbot.
Der schräge Humor mit Kategorien wie „Wasch es, dann küss ich es vielleicht“, viele unter die Gürtellinie zielende Fragen und überhaupt eine schier atemberaubende Rasanz bei der Präsentation der absurden Themen, kannte hier keine Grenzen. Richtig umwerfend wurde es noch, wenn „Gaststars“ wie William Shakespeare auftraten und ihren Senf dazu gaben.
Zwar gibt es „You Don’t Know Jack“ noch als Rumpf- und Partyversion, doch der Spielspaß will sich hier nicht mehr so recht einstellen. Während das „Quizduell“ vor allem die Menschen dazu bringt, möglichst viel zu spielen, um viele Punkte zu sammeln (und so im landesweiten Ranking besser dazustehen), ging es bei diesem herrlich eigensinnigen Computergame, das Nerds genauso ansprach wie Feuilletonleser, vor allem darum, die Raterei fernab jeder narzisstischen Besserwisserei zu genießen und sich von den bunten Querverbindungen zwischen Popkultur, Wissenschaft und verstaubtem Schulkanon faszinieren zu lassen.
Diese Leichtigkeit, mit Wissen umzugehen, ist in einer Zeit, da alle nur verbissen versuchen, sich selbst und ihre intellektuellen Softskills zu managen und im Netz zu präsentieren, verloren gegangen. Deshalb braucht es unbedingt Jack zurück, der den Schmarrn klar benennt, den manche Personen so verzapfen: „Richtig, Sie gehen jetzt auf ihr Zimmer und schreiben hundert Mal auf: ‘Ich werde nie mehr solchen Schwachsinn von mir geben.‘“