Yellow Submarine, so George Harrison, sei auch ob der gesellschaftlichen Allegorien relevanter denn je
Sinister bildet Robert De Niro von den Kinoplakaten im Londoner Westend hinunter – die Augen verkniffen, die Knarre auf jeden gerichtet, der „Ronin“ in die Quere kommen könnte. Wie auf nichtsahnende Passanten à la George Harrison zum Beispiel.
Harrison, der die letzten Jahre eremitenhaft in den Rosengärten seines viktorianischen Anwesens in den Chiltern Hills verbracht bat, mußte zuletzt mehrfach (und für seine Begriffe viel zu oft) nach London, um seine Rückkehr in die Öffentlichkeit vorzubereiten. Und ist prompt schockiert von der nihilistischen Gewalt, die sich außerhalb seines Privat-Biotops breitgemacht hat. Aber da er noch immer fest davon überzeugt ist, daß Musik die Menschheit retten könne vor „all den schrecklichen Dinge, die wir uns selbst und anderen zufügen“, befindet sich der Ex-Beatle auch deshalb auf einer Mission: Nach einer langen Phase gesellschaftlicher wie musikalischer Zurückgezogenheit plant Harrison ein Comeback aus dem Rosengarten. Da ist zuerst einmal der von ihm angeregte Release des generalüberholten „Yellow Submarine“-Soundtracks, der zusammen mit einer reanimierten Version des allegorischen Beatles-Cartoons im September auf den Markt kommen soll Im Unterschied zu der im Januar ’69 veröffentlichten Originalversion, die lediglich die sechs damals neuen, im Film zu hörenden Beatles-Titel enthielt (plus von George Martin orchestriertes Material), werden auf „Yellow Submarine: A Songtrack“ sämtliche Songs der Fab Four sein, die auch im Film vorkommen – unter anderem „Sgt Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, „Eleanor Rigby“ und „All You Need ls Love“. Video, DVD und CD wurden im sogenannten „wraparound sound“ abgemischt, einem Verfahren, von dem Harrison schwärmt, als sei sein Yellow Submarine soeben links an George Lucas‘ „Phantom Menace“-U-Booten vorbeigezogen – zumindest akustisch. „Bekanntlich wurden die Beatles-Sessions ja auf 4-Spur-Maschinen aufgenommen. Wobei wir die klanglichen Limitierungen dadurch zu umgehen versuchten, indem wir die ersten drei Spuren zusammenmischten, auf die vierte Spur packten – und so wieder drei freie Spuren für weitere Aufnahmen hatten. Was bei der ‚Anthology‘ bereits ansatzweise praktiziert wurde, ist nun erstmals konsequent realisiert worden: Der Pre-Mix wurde in seine Bestandteile zerlegt, so daß man danach die ursprünglichen Baß-, Gitarren- und Schlagzeug-Tracks erstmals neu mischen konnte. Als ich dann das Resultat im, wraparound sound‘ hörte, war ich schon beeindruckt.“ In den Kinos soll das gelbe Sub allerdings nicht erneut aufkreuzen: Apple-Chef Neu Aspinall plant einige Shows in ausgesuchten Filmhäusern, will sich aber darüber hinaus auf die Video-Veröffentlichung beschränken. Außerdem sollen Ausschnitte des Streifens auf einer neuen, offiziellen Beatles-Web-Site zu sehen sein. Und als Appetizer wird die Weltpremiere eines „verlorenen“ Fab Four-Videos vorbereitet, das 1968 bei den Aufnahmen zu „Yellow Submarine“ in den Abbey Road Studios mitgeschnitten wurde. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie John die verfremdeten Stimmen einer U-Boot-Besatzung imitierte, die sich durch Sprachrohre verständigt. (Lacht) Und auf dem letzten Track hört man sogar an dem Gelächter und den Geräuschen, daß im Studio eine kleine Party gefeiert wurde. Vielleicht ist ja jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, eine größere zu feiern.“ In jedem Fall sei es an der Zeit, das betagte U-Boot noch einmal aus dem Trockendock zu holen. Denn das von Illustrator Heinz Edelmann kreierte Szenario, in dem die Guten gegen die Bösen kämpfen und die Welt von einem erdrückenden Alptraum befreien, sei durchaus aktuell. „Was wir heute an gesellschaftlichen und politischen Mißständen sehen, erinnert mich durchaus an die Zeit von,Yellow Submarine‘. Mit dem einen Unterschied vielleicht, daß die Bitte Meanies den Planeten heute weit mehr im Würgegriff haben als 1967. Und es hat auch nicht den Anschein, als würde am Horizont eine Band auftauchen, die den großen, grauen Schleier zerreißen würde. Im Gegenteil: Die gesamte Musikindustrie ist grau geworden und wird selbst von Blue Meanies kontrolliert.“ Irgendwann nach dem erneuten Abtauchen des „Yellow Submarine“: Harrisons neues Solo-Album. Aufgenommen in der Abgeschiedenheit seiner Friar Park Studios, sehr persönlich,sehr intim, näher am George im Harrison dran als jeder seiner vorangegangenen Einzelgänge und das Beatles-Œuvre sowieso. Mit Seeleneinblicken wie dem programmatischen „Brainwashed“ beispielsweise – einer Hymne über die private Desillusionierung in einer Welt, die langsam vor die Hunde geht Oder „Pisces Fish“, in dem Harrison vom Bemühen singt, in einem Fluß zu schwimmen und ihm gleichzeitig beim Vorbeifließen zuzuschauen. Dabei geht es ihm nicht schlecht, wirklich nicht, ziemlich glücklich sei er, sagt Harrison, zufrieden mit dem selbsterwählten Exil draußen auf seinem Landsitz und dem Stutzen der Ränder seines Oxfordshire-Rasens. Der Gedanke, demnächst aus der heilen Hecken-Welt hinaus in die Öffentlichkeit katapultiert zu werden (in der er zum letzten Mal während des Medien-Rummels um die „Beatles-Anthology“ stand), ist ihm notwendiger Graus, und selbst spartanische Tourneen wie in den 70ern und 80ern kann er sich heute nicht mehr vorstellen; die Welt da draußen ist nicht mehr länger die seine. „Aber ich will mit ihr musikalisch in Kontakt bleiben! Ich bin überzeugt davon, daß all diese furchtbare Musik die Menschen negativ beeinflußt Ich mache Rap nicht unmittelbar für Gewalt und Zynismus verantwortlich aber diese erschreckende Chemie in der Gesellschaft wird mit Sicherheit von ihr beeinflußt Wer ständig dem Overkill von musikalischem Müll und Mordorgien im Kino ausgesetzt ist, muß doch abstumpfen. Oder diesen bescheuerten ,Ronin‘-Plakaten, mit denen unlängst ganz London zugepflastert war! Neulich hat mein eigener Sohn zu mir gesagt: Who gives ashit about bombing Bosnia? So weit sind wir gekommen.“ Derart motiviert, will George Harrison also demnächst gegen den weltumspannenden Zynismus, Robert De Niro und alles übrige Böse auf dieser Welt zu Felde ziehen. Und mit Gottvertrauen sowie einer Zeile aus „Brainwashed“: „God, God, God, won’t you lead us through this mess?“