Yello geben nicht nur das sprichwörtliche odd coulple ab – sie haben mit ihrer Musik mehr vollbracht, als in den 80ern auffiel
Der Wind weht, wohin er will, und es ist einer von der Sorte, die man nicht versteht als Fremder in Hamburg: Der Himmel blau gefegt, die Luft lau, und doch bläst ein gefühlter Orkan durch alle Ritzen. Im Innenhof des Hotel Atlantic ist es windstill, stattdessen rauscht Wasser über den Rand eines verschnörkelten Brunnens. An ihm sitzen zur Nachmittagszeit ein paar ältere Damen, die verzweifelt Teatime spielen, während die Mehrheit der Freiluftschnapper um sie herum Milchkaffee säuft.
Was immer Dieter Meier und Boris Blank ins Atlantic geführt hat, einen besseren Platz für Yello gäbe es nicht,jedenfalls nicht für Meier. Mehr noch als früher scheint er angekommen im Weltmännischen, mit dem Selbstverständnis eines Mannes, der sich seltsame Marotten leisten kann. Zum Beispiel ein kurzärmliges Polo-Shirt über dem langärmligen Oberhemd. Als der Kragen von Meiers Polo sich nach Ausziehen des Sakkos hochstellt, nestelt Boris Blank – mit aufrichtiger Fürsorge im Blick – ihn wieder zurecht. Eine seltsam rührende Szene.
Die wie gerufen kommt für die unvermeidlich klischeehafte Beobachtung, dass sich Gegensätze nun mal magisch anzuziehen scheinen. Einerseits ist da der aus bescheidenen Verhältnissen stammende, vor langer Zeit schon zum klangsüchtigen Musikstudiobewohner mutierte Boris Blank, der nicht allzu gern öffentlich redet, keine Noten lesen kann und nach der immergleichen Schichtmethode Sample auf Sample schiebt und eine Songcollage nach der anderen fertigt, daheim in Zürich. Andererseits ist da Dieter Meier, der Reisende, Bonvivant und Geschäftsmann mit seltsamen Business-Abenteuern rund um den Globus, der die Welt mit Worten zumalen kann und der für ein paar Tage bloß zur Aufnahme einer Platte ins Studio geht, sich von Blank die über Jahre entstandene Musik vorstellen lässt und ein paar schnell hingeworfene Textskizzen aufnimmt, Assoziationen von ferner Liebe zumeist.
Jung schienen sie nie, auch nicht vor bald 25Jahren, als alles anfing mit Yello. Mit dem Abstand der Jahre lässt sich nun besser als früher ihre eigentliche Leistung betrachten. Zum Beispiel die, die Struktur des Pop songs mehr geprägt zu haben, als einem in den achtziger Jahren aufgefallen ist – die typische kurze Synthesizer-Fanfarenmelodie wurde in dieser Zeit schon durch Yello ein charakteristisches Element, nicht erst dutich die in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Pet Shop Boys. Und an Yellos neuem, im Vergleich zu früheren Sample-Orgien sehr viel sparsamer und auch deshalb modern klingendem Album „The Eye“ lässt sich nun noch mal ablesen, wie wesentlich Blanks Vorliebe für südamerikanische Rhythmen technisch und ästhetisch dem Vorgriff, was heute Lounge-Musik heißt.
Meier schlüpft wieder ins Sakko, er schwadroniert noch ein wenig darüber, wie kleinbürgerlich die Idee einer Avantgarde in der Kunst sei und wie verheerend der Niedergang der Fluglinie Swiss, während Blank gerade für den nächsten Tag einen Abendflug nach Zürich zu organisieren versucht. „Und was machen wir bis dahin?“, fragt er. „Die Welt Ist offen“, sagt Meier. Und grinst sein Weltmanngrinsen.