Xavier hin, Zanki her: Die zwei besten deutschen Soul-Platten seit langer Zeit haben nun die Newcomer JOY DENALANE und J-LUV abgeliefert
Joy Denalane lehnt am Treppengeländer, gelassen. So breit wie das Lächeln der sprachlos machenden Schönheit, so zufrieden ist sie mit dem, was nach langwieriger Studioarbeit als erstes Solo-Album feststeht. „Mamani“, produziert von Max Herre, Freundeskreis-Kopf und Vater ihres Sohnes. Das Oeuvre, dessen Titel im südafrikanischen Xhosa „Mutter“ oder „Großmutter“ bedeutet, ist für die gebürtige Berlinerin Ahnenforschung revisited: Im Kopftuch, das sie auf dem Coverartwork trägt, ist ihre Familie von Bruder Ronny über Dad bis Tante Nancy aus Südafrika verewigt. Das wehmütige „Mathatha Agotlokamna“ widmet sie ihrer im letzten Jahr verstorbenen Mutter – typisch für das Album, wie sich Melancholie mit Optimismus vermischt „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter Dich“, zitiert Joy ein südafrikanisches Sprichwort, „das ist meine Maxime“.
In Südafrika liegen die Wurzeln der Sängerin, die zum ersten Mal 1999 mit dem Freundeskreis-Hit „Mit dir“ auf sich aufmerksam machte. Logisch, dass ihre Songs mehr nach dem Staub in den Straßen Sowetos klingen als nach den Teppichen in Mannheimer Gebrauchtwagen-Filialen. Überhaupt könnte dies der längst fällige Gegenentwurf zum sakralophilen deutschen Seicht-Soul sein: Nicht Edo Zanki oder Xavier N. sind hier die Koordinaten, sondern Nina Simone und Bilüe Holiday, ebenso wie die Mahotella Queens aus Südafrika oder auch Joys OnkeL der legendäre afrikanische Trompeter Hugh Masekela, der zwei Stücke des Albums veredelte: „Das ist ein echtes family thing. Ich traf ihn in Würzburg auf dem Afrikafestival und sagte: ,Onkel Hugh, you gotta do something for me‘, und er sagte sofort ja.“ Oftmals kommt der Flow von Joy Denalane etwas sperrig daher, aber letztendlich passt genau das zum Gestus der Platte. Nicht Rock am Ring, sondern Jazzfest. Eher Vinyl als CD.
Was nicht heißen soll, dass es im Sektor Hochglanz-Soul keine Lichtblicke gibt. Direkt aus Rödelheim, ausgerechnet, kommt der junge J-Luv mit dem Solo-Debüt „Kontraste“, einer mitternachtsblauen Produktion mit R&B-Beats, feinen Streichern und Pianos. J-Luv kann rappen und singen und beschäftigt sich mit Themen, die ziemlich von dieser Welt sind. Zum Beispiel mit intergeschlechdichem Stellungsspiel. Dabei hat der Sohn eines US-Soulsängers viel mit Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims gearbeitet. Er galt als Coming attraction beim 3p-Label, die Solo-Karriere hat nun Moses Pelhams Ex-Partner Thomas Hofmann initiiert. „Die einzige Masterkopie des Albums habe ich immer in der Tasche dabei. Finde ich romantisch“, sagt Hofmann. Es scheint ihm ernst zu sein.
Auch das ein family thing. 3p hat gelitten unter dem Aufruhr um Bobbele-Freundin Sabrina Setlur und der unsauberen Trennung von Naidoo. „Wir sind von einer Plattenfirma zu einer Anwaltskanzlei geworden“, erzählt Hofmann, der die Felle aus zehn Jahren Arbeit wegschwimmen sah, sich zurückzog und plötzlich zu schätzen lernte, dass manche Schwestern und Brüder Treue hielten. So wie J-Luv. Wenn das erste Produkt von Hofmanns Firma „Cream“ nicht Gold gehe, sei er „im Arsch“. Er sollte in die Sonne gucken.