Wolfgang Niedecken: über Reisen, das Älterwerden und die Generationsfolge
Das neue BAP-Opus gibt's gleich in zwei Versionen - plugged wie auch unplugged. Und Lieder von Bob Dylan sind auch wieder dabei.
Es gibt mindestens zwei Themen auf dem neuen Album von BAP, „Radio Pandora“: Reisen und älter werden. Wolfgang Niedecken, der ja schon immer mit offenen Augen durch die Welt gelaufen ist und sich viele Dinge aus nächster Nähe angesehen hat, war in den letzten vier Jahren viel unterwegs und hat Geschichten gesammelt. Und das mit dem Alter, das passiert ja von selbst. „Die Einschläge kommen näher“, sagt Niedecken schmunzelnd – und denkt auf seiner Platte mehrfach über Leben und Tod nach. Auch Bob Dylan, für Niedecken immer eine gute Adresse für Wahrheit und Lebensweisheit, kommt zu Wort — in Form von kölschen Versionen von „Senor“, „Every Grain Of Sand“ und — „Forever Young“. „So ein Lied spielt man nur nach, wenn es wirklich etwas mit dir zu tun hat“, sagt Niedecken, „das Ganze kam, als ich mit meinem Sohn bei einem Dylan-Konzert war. Das hat natürlich schon so eine Gedankenkette ausgelöst.“
Herr Niedecken, kann man für Rock’n’Roll zu alt sein?
Dass Rock’n’Roll nichts mit Jungsein zu tun hat, müsste ja mittlerweile auch dem letzten Blöden klar geworden sein. Aber natürlich ändern sich die Themen. Auf der Platte gibt es ein Lied von einem Typen, der spät abends ins Schlafzimmer kommt, seine Frau schläft schon längst — er hat vorm Fernseher gesessen und sich von einem Programm zum anderen, aber auch von einem Gedanken zum anderen gezappt und dabei sein Leben Revue passieren lassen. Das bin schon auch ich.
Sie haben auch ein Lied über Kerouacs „On The Road“ geschrieben. Anno 2008 eher ein ungewöhnliches Thema.
Es gehört auch in diesen Kontext des Älterwerdens. Ich habe das Buch schon relativ früh gelesen und es dann ungefähr alle zehn Jahre wieder vorgeholt. Es ist faszinierend, wie sich meine Perspektive im Lauf der Zeit ändert – ich lese jetzt viel mitfühlender mit den beiden Typen in dem Buch, die ja ungefähr so alt sind wie meine Söhne jetzt. Natürlich mach ich mir gleichzeitig auch väterliche Sorgen und schlage die Hände über dem Kopf zusammen – ich weiß ja nur zu genau, was Jungs in dem Alter so anstellen können.
Diverse Songs auf dem Album klingen wie Reiseberichte. War das so geplant?
Erst am Ende ist mir aufgefallen, dass viele Texte aus Erlebnissen in anderen Ländern entstanden sind. Wenn du zum Beispiel in Argentinien unterwegs bist, ganz unten in einer gottverlassenen Gegend, und stehst plötzlich vor einem pompösen Denkmal, mit dem diese armen Schweine geehrt werden sollen, die im Falkland-Krieg elendig verreckt sind, schwillt dir halt der Kamm. Ich bin dann auf diese Geschichte von dem Leuchtturmwärter gestoßen, der die britischen Invasoren an Land kommen sieht – total durchnässt und durchgefroren -, und ihnen erst mal einen Kaffee kocht. Das musste ich aufschreiben.
„Radio Pandora“ wird als Plugged und Unplugged-Version zu haben sein. Warum?
Es war viel gutes Material da, und wir wollten uns nicht beschränken. Es ist ja nicht ganz dasselbe auf den Alben, und außerdem sind das für mich schon zwei verschiedene Welten. Während auf der Plugged-Platte alles stattfindet, was die Jungs sich zu Hause ausgedacht hatten, wurde auf der Unplugged-Platte einfach musiziert. Da ist mir regelmäßig das Herz aufgegangen.
Klingt, als hatten Sie inzwischen etwas Distanz zu der großen Rock-Version.
Vielleicht ist Distanz das richtige Wort. Ich trage das dann mit und versuche, die Musik mit meinen Mitteln zu optimieren. Aber mir kommt die andere Arbeitsweise — einfach in einem Raum sitzen und Musik machen — mehr entgegen. Dass bei BAP wieder beides möglich ist und keiner stur auf seinen Sichtweisen verharrt — ich kann nicht genug betonen, wie wichtig ich das finde.
Das haben Sie doch jetzt schon seit fast zehn Jahren…
Aber es kommt mir immer noch sehr neu vor. Neben mir haben ja noch zwei andere Musiker der Band die Demokratur-Phase erlebt, und wir alle wissen, was wir jetzt an uns haben.
Sie haben vor einiger Zeit Dylans „Chronicles“ gelesen – erst für ein Hörbuch, dann auf einer Lesereise. Ein Vergnügen?
Ich wollte erst nicht — wenn ich meinen Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen habe, war ich immer der erste, der gegähnt hat. Deshalb habe ich auf der Lesereise immer ein Stück gelesen und dann den Song dazu gespielt, sodass die Lesungen immer eine Art von langer Anmoderation für die Songs wurden. Das hat unglaublichen Spaß gemacht, weil ich an solchen Abenden komplett hinter Dylan zurücktrete — bei einem BAP-Konzert bin ich der Gastgeber, ich begrüße die Leute an der Tür und habe ständig im Blick, was der Abend braucht. Bei den Lesungen kann ich entspannen und über die Lieder nachdenken, während ich sie singe.
Ist es Ihnen nicht manchmal selbst zu viel mit Ihnen und Dylan?
Diese Rolle des Botschafters passt mir nicht, weil ich mich nicht so sehe. Mein Verhältnis ist doch eher ein dankbares. Ich gebe sehr gern meine Quellen preis – das ist geistiges Eigentum, das man da benutzt, und das soll man auch zugeben. Insgesamt ist das doch so eine Art Staffellauf, man übernimmt etwas und tut ein bisschen was dazu. Keith Richards hat kürzlich bei einem Gespräch im ROLLING STONE zu Jack White gesagt, auf seinem Grabstein solle stehen „He passed it on“. Das ist ein gutes Motto.