Wolfgang Murnberger: Das komische Prinzip der Hässlichkeit
Zum vierten Mal bringt Wolfgang Murmberger den Privatdetektiv Brenner ins Kino
„Jetzt ist schon wieder was passiert“, hebt der Erzähler der Kriminalromane des Österreichers Wolf Haas jedes Mal an, bevor er zu seiner Suada aus Schmäh, Welterklärung und Ding anhebt. Ding kann dabei für so ziemlich alles stehen, was ihm gerade nicht einfällt, und am Ende des sechsten Romans, „Das ewige Leben“, als eine Kugel auf ihn zugeschossen kommt, ist auf einmal alles Ding und er ist hin. Auch dem neben dem Erzähler eigentlichen Helden dieser Romane, dem mürrischen Privatdetektiv Simon Brenner, geht es in dieser Geschichte ans Leben.
Nach dem winterlichen, schwarzhumorigen Schlachtfest „Der Knochenmann“ ist „Das ewige Leben“ nun die Vorlage für die vierte Brenner-Verfilmung des österreichischen Regisseurs Wolfgang Murnberger, der auch wieder mit Haas und Hauptdarsteller Josef Hader das Drehbuch geschrieben hat. Harte Arbeit, meint der 54-Jährige, der heute Migräne hat, was irgendwie ziemlich gut passt, wo doch der Brenner auch die ganze Zeit Kopfschmerzen hat im neuen Film. „Drei Köpfe und jeder hat gewisse Vorstellungen“, sagt Murnberger über das Drehbuchschreiben. Es sei immer ein langer Kampf, bis man sich geeinigt habe, was aus einem Roman man erzählen wolle. Je mehr man erzähle, so Murnberger, desto plakativer erzähle man auch. „Film ist ja immer Verdichtung von Wirklichkeit, und wenn man zu viel verdichtet, wird es unglaubwürdig, dann ist es ein Märchen, so wie viele amerikanische Blockbuster – was da in zwei Stunden alles passiert, das gibt’s ja gar nicht (lacht). Die Geschichte muss plausibel bleiben.“
Oft bleiben am Ende nur ein paar tragende Wände der Romanhandlung übrig – mehrere Figuren müssen zu einer zusammengelegt werden, und zugleich müssen neue Szenen geschrieben werden, um die im Roman so wundervoll geschilderten Milieus mit Leben zu füllen. Die Brenner-Romane sind ja keine plotgetriebenen Krimis, sondern Sprachkunstwerke, die vor allem von den stilistischen Besonderheiten des Autors leben. Haas selbst hat seinen Stil mal mit dem Verstärker für eine E-Gitarre verglichen, der auch die simpelsten Akkordfolgen bombastisch erklingen lässt. „Die Sprache in den Romanen zeichnet sich durch eine gewisse Schlampigkeit mit der Grammatik aus“, erklärt Murnberger. „Das habe ich formal in die Filmsprache übernommen. Wir erklären den Unstil sozusagen zum Stil: Auf der Filmakademie habe ich gelernt, dass Zoomen so ziemlich das Letzte ist, was man tun darf. Auch Riss-Schwenks, bei denen die Kamera reißt und gleichzeitig zoomt, waren nur mal kurz in den Siebzigern in Mode. Wir haben sie reaktiviert. Wir haben auch an einigen Stellen so getan, als wüsste die Kamera nicht, was die Figur tut. All diese hässlichen Dinge, die verpönt sind, haben wir bewusst verwendet.“
„Wir sind mit jedem Film näher an die Figuren herangegangen“
Die Schauspieler müssten bei dieser weitwinklingen, schlampigen Kameraführung mit Hang zu Untersicht und Nahaufnahme schon sehr uneitel sein und Mut zur Hässlichkeit mitbringen, so Murnberger. In „Das ewige Leben“ kommt erschwerend hinzu, dass es die meiste Zeit dunkel ist und regnet. „Ich hätte gerne noch mehr Regen gehabt, aber das haben wir uns nicht leisten können“, sagt Murnberger. „Regen ist sehr teuer im Film und wir hatten ein knappes Budget. Von der Stimmung her stand ,Seven‘ Pate, da gibt es noch viel mehr Regen.“ „Das ewige Leben“ ist also ein Film noir. Die natürlich trotz widriger Umstände betörend schöne und geheimnisvolle Nora von Waldstätten gibt die Femme fatale.
Der abgebrannte Brenner kehrt also in sein mittlerweile verfallenes Elternhaus im Grazer Stadtteil Puntigam zurück und bittet einen alten Freund, den zwielichtigen Antiquar Köck, seine Walter PPK von der Polizeischule zu verticken, um an Geld zu kommen. Doch die Waffe birgt ein Geheimnis: In den Siebzigern wurde sie bei einem Banküberfall verwendet, an dem neben Brenner und Köck u. a. auch der jetzige Polizeichef Aschenbrenner beteiligt war. Das Auftauchen von Brenner und vor allem der alten Knarre bringt also mit einem Mal alles durcheinander in der Provinzstadt, der von Tobias Moretti gespielte Polizeichef stattet ihm einen Besuch ab, Köck wird ermordet, die Falschen werden verdächtigt und umgelegt. Brenner schießt sich gleich selbst in den Kopf und verliert das Gedächtnis, und seine Therapeutin, Frau Dr. Irrsiegler (von Waldstätten), versucht ihn von der Wahnvorstellung zu befreien, auf ihn wäre geschossen worden. Aber auch Paranoide werden ja manchmal verfolgt.
„Ich hatte ein bisschen Angst, dass der Film zu wenig sensationell ist nach dem letzten“, sagt Murnberger. „Aber wir sind mit jedem Film einen Schritt näher an die Figuren heran. ,Komm, süßer Tod‘ war noch ein Tohuwabohu aus sich überschlagenden Ereignissen, und die Figuren waren schablonenhafter – wir haben im Verlauf dann Handlung reduziert und sind in Richtung Charakter und Emotion. ,Das ewige Leben‘ ist halt das größte Drama von allen Brenner-Romanen, und insofern sind wir bei der Tragikomödie gelandet.“
Den im Roman angelegten Tod des Erzählers, der sich im Film nur einmal aus dem Off meldet, hat Murnberger ausgelassen: „Das ist nicht erzählbar“, sagt er, „schon gar nicht weil wir uns entschlossen haben, dass dies sicher nicht der letzte Brenner-Film sein wird.“ Bis auf den ersten, „Auferstehung der Toten“, hält er alle Romane der Reihe für verfilmbar, und die Produktionsfirma drängelt schon. Vielleicht wird also bald schon wieder was passieren.