Wohlfühl-Krimi in Washington: „Scandal“
Mit „Scandal“ wagt sich "Grey's Anatomy"-Erfinderin Shonda Rhimes nach Washington - und nimmt ihre Drama-Klischees einfach mit.
Man könnte fast glauben, dass „Scandal“ (montags auf SuperRTL) eine moderne Drama/Krimi-Serie über den Polit-Betrieb und seine Auswüchse ist. Immerhin geht es um eine Krisenmanagerin in Washington D.C., die vor allem mit Politiker (ja, auch mit dem Präsidenten) zu tun hat. Sie soll ihre Sorgen beseitigen, bevor sie zum Skandal werden. Zwar ist Olivia Pope (Kerry Washington) Anwältin, vor Gericht will sie allerdings niemals ziehen – sie regelt ihre Angelegenheiten anders. Nun hat sich „Scandal“ aber ausgerechnet Shonda Rhimes ausgedacht – was bedeutet, dass die Serie so blankgeputzt wirkt wie die Wohlfühlräume in „Private Practice“ (oder das Wohlfühlgesicht von Patrick Dempsey in „Grey’s Anatomy“). Alle sind schick gekleidet und gut frisiert, und Rhimes hat sich das obligatorische Personal zusammengestellt, das ein solches Drama braucht:
– den smarten Anwalt, der sich für einen „Gladiator im Anzug“ hält (und bei aller Geschmeidigkeit auch ein Herz hat)
– das harmlose Hascherl, das Olivia mit offenem Mund bewundert (und von dem man sofort weiß, dass sie noch ein Geheimnis verbirgt)
– die toughe Ermittlerin, die sich nichts bieten lässt (und privat manche Fehlentscheidung trifft)
– den Hacker, der jeden Trick kennt (und eine dunkle Vergangenheit bei der CIA hat)
– und natürlich die Politiker, die sowieso alle Dreck am Stecken haben
Im Mittelpunkt steht freilich Olivia Pope, die „immer ihrer Intuition vertraut“, ungern auf ihre Mitarbeiter hört und wirklich scharf aussieht in ihren knappen Anzügen. Nur realistisch wirkt sie leider (noch) nicht – obwohl ihre Figur doch von George W. Bushs Pressesprecherin Judy Smith inspiriert wurde. Demnächst muss Pope garantiert einige persönliche Katastrophen erleiden, das ist bei Shonda Rhimes immer so – und es ist ja auch eher ungünstig, wenn man als Krisenmanagerin in Washington mal eine Affäre mit dem Präsidenten hatte. Das riecht nach Ärger (und Klischee).
Kerry Washington macht aus der etwas eindimensionalen Olivia Pope das Beste, nur ein Kollege ist noch stärker: Stephen Finch wird von Henry Ian Cusick gespielt – der Mann, der in „Lost“ als armer Desmond Hume so viel ertragen musste. Auch bei den weiteren Folgen kann man sich auf viele vertraute Gesichter einstellen. In den USA läuft inzwischen die dritte Staffel von „Scandal“. Dabei sind unter anderem Paul Adelstein (einst Cooper in „Private Practice“), Lisa Kudrow (einst die Nervige bei „Friends“) und Scott Foley, der in ungefähr jeder zweiten US-Serie mitspielt(e). Nichts Neues also bei „Scandal“ – und vor allem aber nichts, was „Leverage“ nicht liebevoller kann.