Wo der wahre Witz wohnt
Daß der Miedersachse zum Lachen nicht mehr in den Keller geht, daran ist das Frühstyxradio schuld. Jetzt wollen dessen Macher die ganze Republik erobern
Einige Jahre lang leistete sich ein privater Radiosender im Norden unserer Republik einen Humor-Mikrokosmos, von dem die ARD-Anstalten auch heute noch kollektiv nur träumen können. Bei Radio FFN im idyllischen Isernhagen wurde bis zum März dieses Jahres allsonntäglich mit dem „Frühstyxradio“ einsame und unerreichte Humorgeschichte geschrieben, obwohl (oder weil’s) in Schröders Plattland-Idylle war, von der aus Hühnerbarone der Nation die possierlichen Salmonellen nahebrachten, wo biedere Landmänner der Ozonschicht mit gigantischen Güllewolken zuleibe rückten, und wo außerhalb der Kapitale Hannover das Licht noch immer traditionell mit dem Hammer ausgemacht wurde.
Da nun auf einen groben Klotz bekanntlich ein grober Keil gehört, waren auch die Akteure des „Frühstyxradios“ aus besonders derbem Holz geschnitzt. Günther, der Treckerfahrer, etwa, der auf seinem Lanz-Oldtimer durchs Emsland tuckerte, von der Ferkelkastration schwärmte, über die Ursprünge der menschlichen Kopulation philosophierte und kraft seiner immensen Menschenkenntnis den gemeinen Proll vom Minipli über den Aldi-Ballonseide-Trainingsanzug bis hin zum Turnschuh-Kawenzmann zu enttarnen wußte, die obligate Billigbierknolle in der Faust nicht zu vergessen.
Gegen ihn war „Der kleine Tierfreund“ schon fast ein Feingeist. Der eher etwas schüchtern daherkommende Zeitgenosse knatterte, stets in einen Kleppermantel gewandet und den Halbschalenhelm auf dem Haupt, mit seinem Kreidler-Moped durch die niedersächsische Botanik und geißelte mit strengen Worten das ausschweifende Liebesleben der dort hausenden Zwei- und Vierbeiner. Wobei unser Fauna-Laie hin und wieder Entdeckungen machte, die selbst in der Neu-Auflage von „Brehms Tierleben“ nicht zu finden sind.
Highlight und Publikumslieblinge waren aber „Die Arschkrampen“: Kurt, ein dröhnender Vulgär-Philosoph, der allen und jedem die Ohren wegflexen oder mit dem Prengel den Brägen einschlagen wollte (Zitat: „Wenn der Prengel sprechen will, dann will der Prengel sprechen!“), und sein Kumpan Gürgen, ein Arschkriecher vor dem Herrn, der Kurt nur als williger Stichwortgeber und Claqueur diente. Tagein, tagaus hockten diese beiden Ritter von der traurigen Gestalt in der Gertrud (einer Kaschemme), tranken Runde für Runde 18 Bier mit Zaziki (Kurt) und ein kleines Pils mit Erdbeerjoghurt (Gürgen), schwadronierten von Negerüberfallen bei Stromausfall am Tresen („Der Neger kommt am liebsten im Dustern, denn da kann man ihn ja nich sehen. Weil, der Neger is ja nich bescheuert.“), von GEZ-Fahndern, den Tomatenköppen und von Brettermeier, der „Pottsau“, der die Weltherrschaft anstrebte. Was aber Kurt mit so Aktionen wie „einfach mit dem Tieflader drübermangeln“
oder „18 Badezimmeramaturen volles Rohr hinten reinballern“ zu verhindern gedachte.
Daß Kurts Tresenkosmos obendrein noch von göbelnden Leguanen, willigen Schnitten, dem Gammel, der einst alle mit der Hilti (ein Bohrhammer) in sein Reich holen will, und allerlei Außerirdischen bevölkert wurde, machte die Konversation der beiden nur noch runder.
Hinter den Machern von „Der größte Kulturmagazin der Welt“, so der Untertitel des „Frühstyxradios“, nun eine Horde völlig losgelöster Kleinbürger zu vermuten, wäre so falsch wie ein echtes Dreimarkstück. Dietmar Wischmeyer, der der Welt den treckerfahrenden Günther, den kleinen Tierfreund, die Arschkrampe Kurt und noch andere Mutanten schenkte, ist studierter Germanist und Philosoph. Sein Partner Oliver Kalkofe, der als Gürgen nichts zu lachen hatte, als Unterhemdmonster „Onkel Hotte“ schwindelerregend fiese Märchen erzählte und bei Premiere mit der Sendung „Mattscheibe“ den TV-Lieblingen regelmäßig mit Genuß auf die Finger klopft, durfte für sein Tun gar den „Adolf Grimme Preis“ in Empfang nehmen. Und Sabine Bulthaupt, die als Wirtin Gertrud das Gelalle der Arschkrampen zu ertragen hatte und zusammen mit Wischmeyer das kaffeeschlürfende Meckertanten-Gespann „Frieda und Anneliese“ bildete, nennt ein Staatsexamen als Gymnasiallehrerin ihr eigen.
Warum aber machte dieser schräge Verein, der pro Sendung mehr als
550 000 aufmerksame Hörer hatte, urplötzlich Schluß mit lustig? Nun, man befand lakonisch, daß 754 Jahre genug seien. Was aber nicht heißen soll, daß sich die Humor-Sachverwalter aufs Altenteil verzogen haben. Nein, ganz im Gegenteil! Die Spaßvögel sind aktiver denn je. Mal abgesehen davon, daß große Teile ihres Schaffens auf CD zu haben sind (Kalkofe veröffentlichte unlängst mit Partner Welke die Doppel-CD „Kalk & Welk“, die Arschkrampen wollen noch diesen Monat ihr sechstes Werk auf den Markt werfen), ist man weiterhin – allerdings auf anderen Sendeplätzen bei Radio FFN aktiv, bei ORB/Fritz bundesweit via Satellit zu empfangen, und man geht vom 22. August bis zum 29. September unter dem Motto „Die Dröhnung – Live“ auf eine 30tägige Deutschland-Tournee. Mit von der Partie sind u. a. Der kleine Tierfreund, Frieda und Anneliese, Günther, der Treckerfahrer, Onkel Hotte, Die Arschkrampen, Erwin Höhnefeld, Kalkofes Mattscheibe, Uschi, Wirtin Gertrud und Willi Deutschmann.
Seine Bühnenfestigkeit hat das Frühstyxradio-Team übrigens schon Ende März unter Beweis gestellt, als man bei einem Heimspiel in der ausverkauften „Music Hall Hannover“ rund 5000 Fans zu Lachsalven und Begeisterungsstürmen hinreißen konnte.
Nun aber ist nach der norddeutschen Tiefebene endlich auch die humoristische Diaspora (sprich: der Rest der Nation) dran. Und sollte man dort wider allen Erwartens nicht alle im Handstreich zu Frühstyxradio-Fans umfunktionieren können, dann wird sich zumindest Endzeit-Philosoph Kurt in der geliebten Gertrud wieder gelassen die Ballerbrühe in den Brägen dröhnen und sein obligatorisches „Is mir doch egal“ knurren.