WM-Blog: Deutschland wird Weltmeister!
Everyone seems to know the score … Am Mittag davor: wie wird das WM-Finale und warum - WM-Blog, Folge 25
Der Filmjournalist, Kritiker und ROLLING-STONE-Autor Rüdiger Suchsland schreibt hier über die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien.
Deutschland wird Weltmeister!
„Schluß mit der Heuchelei. Ich will gewinnen, egal wie.“
Andy Möller
„Der Fußball steht unter Erfolgszwang. Das mag man bedauern, aber es ist so.“
Gerhard Mayer-Vorfelder
„Der einzige Patriotismus, der uns dem Westen nicht entfremdet, ist ein Verfassungspatriotismus.“
Jürgen Habermas
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Die beste Defensivmannschaft des Turniers spielt heute gegen den besten Angriff. Mit dem zusätzlichen Charme, dass die Mannschaft mit dem besten Angriff auch den besten Torhüter hat, und das beste Defensivteam den besten Offensivspieler.
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„Offense wins game, defense wins championship“. Diese Weisheit stammt zwar aus dem American Football, aber sie stimmt auch beim Fußball oft genug. Wenn heute Abend Deutschland gegen Argentinien im WM-Finale um den Titel spielt, muss man aber sagen, dass sie wenig weiterhilft. Denn zwar war es gegen Brasilien eindeutig die deutsche Offensive, die das Spiel entschied, und die brasilianische, die in den ersten zehn Minuzen zwei Chancen nicht nutzen konnten; aber im Gegensatz zu früheren Turnieren war diesmal die Abwehr die Stütze des deutschen Erfolgs, namentlich Hummels und Neuer. Als Hummels einmal fehlte, standen die Deutschen gegen Algerien prompt vor dem Aus.
Die argentinische Abwehr ist aber nicht schlechter. Sie hat weniger Tore zugelassen als die Deutschen und steht sicher. Auch arbeitet das Mittelfeld viel mehr bei der Defensive mit. Argentiniens Abwehr hat aber einen klareren Schwachpunkt: Demichelis. Ihn werden die Deutschen attackieren (müssen). Allerdings fehlt Deutschland gerade links die Durchschlagskraft früherer Turniere. Podolkski wäre hier eine Alternative, sogar der schwäche Götze. Da aber Löw an der Formation der letzten Spiele festhalten dürfte, kann man hoffen, dass Özil einen guten Tag erwischt.
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Auch Offensive und Mittelfeld sind etwa gleich stark. Einen Messi hat Deutschland nicht, aber Özil und Kroos gleichen das gemeinsam aus. Higuain macht Klose wett, aber nur annähernd. Kloses Effektivität im entscheidenden Moment scheint mir überlegen.
Entschieden werden dürfte das Spiel im Mittelfeld. Wenn Di Maria mitspielt und in Form ist, und wenn Lavezzi einen ähnlich guten Tag erwischt wie gegen die Niederlande, ist Argentinien auf den Außenpositionen besser besetzt als Deutschland, trotz Müller. Mascherano und Garay sind aus der Abwehr heraus individuell stärker als Lahm, Schweinsteiger, Khedira, Hummels, aber dafür sind Rojo und Perez sowohl nach vorn wie nach hinten schwächer. Die deutsche Mannschaft ist als Team stärker und kann individuelle Schwächen besser ausgleichen, wie die ausgeglichene Mannschaft Argentiniens.
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Die spielentscheidenden Schlüsselduelle finden im Mittelfeld statt, es sind die von Kroos, Khedira und Müller auf deutscher Seite. Was wird ihnen erlaubt, wieviel Freiraum werden sie haben, vor allem wieviel Offensivaktionen. Und was wird es für Auswirkungen aufs deutsche Spiel haben, wenn ihre Offensivkraft spürbar beschränkt wird, und umgekehrt mehr Druck auf der Abwehr liegt? Für Argentinien: Wie offensiv kann Argentiniens Abwehr werden, wieviel Platz hat Messi, wieviel haben Lavezzi und Di Maria. Beide können auf beiden Seiten gefährlich agieren, sie werden öfters die Flügel wechseln. darin ist Argentinien so gut, wie sonst nur Spanien mit Barcelonas Pedro. Trost für die Deutschen: Sie machen meist zu wenig daraus.
Direkte Schlüsselduelle: Marcos Rojo gegen Thomas Müller, Sami Khedira gegen Javier Mascherano; und dann Messi gegen Schweinsteiger und Höwedes.
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Spielentscheidend ist für diesen Clash der Stile auch, ob es den Deutschen gelingt, früh zu stören und anzugreifen. Ob Argentinien den Ball halten und die Deutschen laufen lassen kann. Wenn die Deutschen den Ball oft in der eigenen Hälfte erobern müssen, werden sie es schwer haben. Und wohin wird Messi ausweichen, falls es in der Mitte zu dicht wird? Eher nach rechts, auf die schwache deutsche Abwehrseite. Funktioniert das?
Wird es auch funktionieren, wenn Argentinien versucht bei deutschem Ballverlust schnelle Gegenangriffe zu starten? Gegen Algerien zeigten die Deutschen da die meisten Schwächen. Sie standen zu hoch, die defensiven Mittelfeldspieler fehlten hinten.
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Binsenweisheit: Ein frühes Tor kann das alles über den Haufen werfen. Wenn Deutschland eine schnelle Führung gelingt, dürfte das Spiel entschieden sein. Argentinien musste in diesem Turnier noch nie einem Rückstand hinterher laufen. Wie sie sich dann verhalten würden, ob das Team dann womöglich zusammenbricht, ist die große Unbekannte des Spiels. Umgekehrt: Wie geht Deutschland mit einem Rückstand um? Ihnen ist zuzutrauen, auf frühen Rückstand stark zu reagieren. Was aber wenn sich Nervosität einschleicht? Das Deja Vu der Partien gegen Spanien und Italien seit 2006.
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Was für Argentinien spricht:
– Der Papst ist Argentinier
– Die Bilanz gegeneinander: Argentinien führt 9:6 bei fünf Unentschieden.
– Messi, Lavezzi, Mascherano, di Maria
– Sie vermeiden jedes Risiko.
– Sie wissen, was auf sie zukommt
– Löw baut schon vor. Er lobt die deutsche Stärke, „selbst wenn wir nicht Weltmeister“ werden, lobt Abwesende. In der Sache richtig, aber zum falschen Zeitpunkt.
– Deutschland ist zu viel Bayern, zu wenig Dortmund.
– Die deutsche Spielanlage ist zu konservativ
Was für Deutschland spricht:
– Der emeritierte Papst ist Deutscher.
– Von fünf WM-Spielen gegeneinander gewann Deutschland vier.
– Neuer
– Kroos, Hummels, Khedira, Müller, Schweinsteiger
– Viele Spieler sind in vier Jahren zu alt. Sie wissen: Ihre einzige große Titelchance ist heute.
– Sie haben den Mut zum Risiko.
– Sie sind einfach stärker
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So kann man bilanzieren. Wenn Deutschland etwas aus den Niederlagen gegen Spanien und Italien gelernt hat, dann ist heute der Tag dafür, diese Lehren gegen ein Argentinien, das einige der besten Eigenschaften beider Länder verbindet, anzuwenden. Viel spricht dafür, dass den Deutschen das heute gelingt. Viel spricht dafür, dass die DFB-Elf heute zum vierten Mal Weltmeister wird. Aber: Hic Rhodos, hic salta!