„Witz“ oder „große Genugtuung“? Auf einen Blick: Kritik und Lob für Bob Dylans Literaturnobelpreis
Vor allem in der Musikwelt wird der Literaturnobelpreis für Dylan gefeiert. In der Schriftsteller-Szene überwiegen Zweifel am Sinn der Entscheidung.
Bob Dylan ist der diesjährige Literaturnobelpreisträger. In der Musikwelt und unter seinen Fans wurde die Entscheidung des schwedischen Nobelpreis-Kommitees, den Songwriter mit der wichtigsten literarischen Auszeichnung zu ehren, mit Freude aufgenommen. Auch deshalb, weil viele der Ansicht sind, dass zwischen Songtexten und Literatur keine echte Grenze existiere.
Kritische Stimmen finden sich vor allem in der Literaturwelt, unter Schriftstellern wie Buch-Rezensenten. Überwiegende Haltung: Lyrics in Liedern sind einfach nicht dasselbe wie Sätze in einem Buch.
Wir fassen die positiven und negativen Reaktionen zusammen.
Lob
Salman Rushdie, Schriftsteller: „Dylan ist der brillante Erbe einer Barden-Tradition. Großartige Wahl.“
Bruce Springsteen, Musiker: „Bob Dylan ist der Vater meines Landes. Highway 61 Revisited und Bringing It All Back Home sind nicht nur großartige Alben, es ist auch das erste Mal, dass ich mich daran erinnern kann, einer wahrheitsgetreuen Vision des Ortes in dem ich lebe, ausgesetzt gewesen zu sein. […] Er pflanzte eine Flagge, schrieb die Songs, sang die Wörter, die zu der damaligen Zeit für das emotionale und spirituelle Überleben von so vielen jungen Amerikanern zu diesem Zeitpunkt wichtig waren.“
Heinz Rudolf Kunze, Musiker: „Ich finde es gut, wenn auch obskure Autoren den Preis bekommen, aber es war höchste Zeit, dass mal wieder jemand den Preis bekommt, der Millionen Menschen erreicht hat. Seit meiner Studentenzeit war er für mich eine Messlatte und ein Trost. Er hat mir gezeigt, dass es sich lohnt, komplexe Texte mit Musik zu verbinden – man kann damit Menschen erreichen.“
Tom Waits, Musiker: „Es ist ein großartiger Tag für Literatur und für Bob, wenn ein Meister in seiner originalen Form gefeiert wird. Noch bevor epische Geschichten und Gedichte niedergeschrieben wurden, wurden sie vom Wind der menschlichen Stimme weitergetragen. Und keine Stimme ist großartiger als die von Dylan.“
BAP, Band (auf ihrer Facebook-Seite): „Noh all dänne Johre…..endlich: Bob Dylan bekommt den Literaturnobelpreis. Ich freue mich riesig!“
Rolf Budde (Deutscher Musikverleger-Verband): „Damit werden endlich auch in der sogenannten Hochkultur die Leistungen der Autoren aus dem Musikbereich gewürdigt und Songs und Liedtexte herkömmlicher Literaturgattungen gleichgestellt.“
Sigmar Gabriel, Politiker (SPD): „Glückwunsch! ‚Blowing in the wind‘ habe ich als 13-jähriger auf Konfirmandenfreizeit auf Ameland gelernt. Und: ich kann es noch singen.“
Peter Maffay, Musiker: „Don’t think twice it’s all right.“ (Dylan-Song-Zitat)
Tadel
Denis Scheck, Literaturkritiker: „Gelegentlich erlaubt sich die Akademie ein ‚Späßken‘. Die Auszeichnung von Bob Dylan ist genauso ein Witz, wie es die von Dario Fo war. Am besten, man lacht mit.“
Irvine Welsh, Schriftsteller: „Ich bin ein Dylan-Fan, aber dies ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis, herausgerissen aus den ranzigen Prostatas seniler, sabbernder Hippies.“
Sigrid Löffler, Literaturkritikerin: „Selbstverständlich sind Liedtexte, gerade die von Bob Dylan, natürlich wunderbar. Nur: Diese Texte sind keine eigenständige Lyrik, denn sie funktionieren nur, wenn sie gesungen sind.“