Winnetou: Kulturelle Aneignung? Rassismus? Verlag zieht nach Shitstorm Begleitmedien zurück
Die Schöpfung des Dresdner Volks-Romanciers Karl May steht heftig im Sperrfeuer. Aneignung oder harmlose Kinder-Unterhaltung? Ravensburger Verlag zieht jedenfalls Begleit-Medien zurück
Helle Aufregung im Oberschwäbischen. Der dort ansässige Ravensburger Verlag zieht zwei Begleitmedien zurück, die er zum Start des Kino-Jugendfilms „Der junge Häuptling Winnetou“ auf dem erweiterten Buchmarkt gebracht hatte. Grund dafür sind heftige Social-Media-Attacken. Dort werden dem (weiterentwickelten) Originalstoff von Karl-May „kolonialistische“ und „rassistische“ Passagen unterstellt. Das Ganze sei zudem eine schlimme „kulturelle Aneignung“.
Im Fahrwasser der Bücher aus Ravensburg, steht auch der seit Anfang August laufende Mainstream-Kinofilm unter Verdacht. Die für Kinder- und Jugendthemen zuständige Organisation Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) ist in den eigenen Gremien gespalten. Die BW vergibt Prädikate wie „besonders wertvoll“, auch als Lotse für unsichere Eltern.
Auf der FBW-Website ist dazu zu lesen: „Nach Sichtung des Films zeigte sich in der sehr langen Diskussion, dass in der Gesamtbewertung des Films die Jury absolut gespalten war – zwischen vehementer Ablehnung einerseits und großer Zustimmung andererseits. Dies zeigt sich dann auch in der Abstimmung für oder gegen die Erteilung eines Prädikates.“
Der Förderungs-Institution „FilmFernsehFonds Bayern“ hatte die Produktion des rührigen Apachen-Stoffes mit einer Höchstsumme von 950.000 Euro unterstützt. „Der Abenteuerfilm ‚Der junge Häuptling Winnetou‘ ist die Adaption des Musiktheaterstücks ‚Kleiner Häuptling Winnetou“, heißt es mit Verweis auf die erfolgreiche Bühnentradition des Stoffes in der Begründung. Im Kino ist der angefeindete Film weiterhin zu sehen.
In der Buchauswertung dagegen hat die schwelende Kontroverse erste Konsequenz nach sich gezogen. Die Titel werden im Rahmen einer Rückrufaktion vertriebstechnisch gestoppt oder aus den Regalen der Buchhandlungen genommen. Per Instagram teilten die Ravensburger in eigener Sache mit:
„Wir haben heute entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen und sie aus dem Programm zu nehmen. Wir danken Euch für Eure Kritik. Euer Feedback hat uns deutlich gezeigt, dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben. Das war nie unsere Absicht und das ist auch nicht mit unseren Ravensburger Werten zu vereinbaren. Wir entschuldigen uns dafür ausdrücklich.“
Es geht dabei um ein Sticker-Buch für junge Winnetou-Fans und ein Puzzle; seit langem die Königsdisziplin des Verlagshauses. Ungewohnt selbstkritisch geht man nun mit dem „native american“-Sujet um. „Wir haben zum damaligen Zeitpunkt einen Fehler gemacht und wir können euch versichern: Wir lernen daraus!“, heißt es weiterhin.
In einem auch von regionalen und überregionalen Titeln geführten Grabenkampf geht es um „rassistische Stereoptype“ und die „Romantisierung von Völkermord“.
Twitter-Kommentare ergingen sich in Beschimpfungen und Blödeleien über den „Woke Wahnsinn“, auch die „Bild“ mischte im Kampf um Winnetou munter mit.
„Man fragt sich, wo unsere Generation alles Probleme nicht gesehen hat. Die Aufmerksamkeit heute – oder sollte ich lächerliche, kleinliche, pingelige, empfindliche Idiotie sagen – ist bemerkenswert“, meinte eine Twitter-Stimme. Auch Boykott-Forderungen gegenüber dem Ravensburger Verlag wurden laut. Das bislang letzte Wort hatte ein eher besonnener Vater: „(Heutige) Erwachsene sollten ihren Kindern nicht von den Märchen ihrer Kindheit erzählen, die sie als Kind gut fanden oder welche Kostüme sie im Karneval trugen – es könnte herauskommen, dass es rassistisch war.“