Willkommen in Wellville – von Alan Parker
Das unter sexuellen Kommunikationsstörungen leidende Ehepaar Will und Eleanor Lightbody macht an einem Ort, wo fleischliche Genüsse verboten sind, in Abwesenheit des anderen seltsame erotische Erfahrungen. Der gesundheitsfanatische Arzt Dr. John Harvey Kellogg schwört auf die Wirkung von Klistieren und ist stolz auf den Duft seines Stuhles. Sein Adoptivsohn George verzehrt sich nach väterlicher Liebe und greift deshalb – im wahrsten Sinne des Wortes – tief in die Scheiße. „Willkommen in Wellville“, wo die Absurditäten des Alltäglichen den Tagesablauf bestimmen und der ganz normale Wahnsinn niemanden verschont Erschaffen hat diese uns so bizarr und zugleich erschreckend vertraut erscheinende Welt der Amerikaner T. Coraghessan Boyle, der in seinen Büchern den Sarkasmus zum obersten Stilmittel erkoren hat, nach dem Motto: je böser, desto besser.
Alan Parker hatte mit seinem letzten Film „The Commitments“ erstmals den Sprung ins Komödienfach gewagt. Anscheinend angespornt von dessem Erfolg, wagte er sich jetzt als erster Regisseur an die Adaption eines Boyle-Buches heran. Dem Briten gelang, das Spleenige der literarischen Vorlage auf die Leinwand zu übertragen und dabei stets den boshaften Ton des Buches zu treffen. Sein „Willkommen In Wellville“ ist ein absurdes Vergnügen, bei dem vorübergehend die Grenzen des guten Geschmacks nicht existent sind.
Auch wenn die Geschichte zu Beginn dieses Jahrhunderts spielt, ist unverkennbar, daß sie als Allegorie auf den heutigen Gesundheitswahn dient. In Dr. Kelloggs Battle Creek Sanitarium wird den Patienten permanent der Darm gereinigt und mit Hilfe von Elektroschocks die Lust auf Sex genommen. Bei Will Lightbody (Matthew Broderick) haben Einlaufe jedoch eine erregende Wirkung, und selbst die schlimmsten körperlichen Torturen können ihn nicht davon abhalten, sexuell aktiv zu werden. Aber auch seine angeblich frigide Frau Eleanor (Bridget Fonda) bleibt nicht lange untätig. Die „Handhabungstheorie“ des Dr. Spitzvogel läßt sie bislang nicht gekannte Gefühle entdecken. In der nahegelegenen Stadt versucht unterdessen der Jungunternehmer Charles Ossining (John Cusack), Kelloggs Cornflakes Konkurrenz zu machen.
Nach langem Zureden hatte sich Anthony Hopkins bereit erklärt, den Part des exzentrischen Vegetariers Dr. Kellogg zu übernehmen. Alan Parker mußte ihm allerdings versprechen, daß er bei der Gestaltung der Rolle alle Freiheiten hat. Hopkins bedankte sich dafür mit der bizarrsten Performance seiner bisherigen Karriere. Die riesigen Hasenzähne verpaßte er sich übrigens aus gutem Grund: Das ist seine Hommage an einen der berühmtesten Vegetarier der Welt -Bugs Bunny.