William Hurt: Der unheimlich Sensible
Nur seine Rollen sind kleiner geworden: Zum 65. Geburtstag des begnadeten Schauspielers William Hurt
Die Sensibiltät ist William Hurt so sehr ins Gesicht geschrieben, dass er sogar als Schurke wie ein feinsinniger Intellektueller wirkt. In David Cronenbergs „A History Of Violence“ (2005) gibt er eine dieser fast unbewegten Darstellungen, in denen er die Intelligenz leuchten lässt. Es gibt eine latente Brutalität , etwas Manisches in den Figuren von William Hurt: in dem entrückten Vietnam-Veteranen und Drogen-Dealer in „The Big Chill“ (1983), in dem Amerikaner in Moskau in „Gorky Park“ (1983), auch in dem unlustigen Reisebuch-Schreiber in „The Accidental Tourist“ (1988). In „Body Heat“ von Lawrence Kasdan (1981) verfällt er Kathleen Turner und begreift zu spät, dass sie ihn für ihre Zwecke ausnutzt – die Art, wie Hurt hier schwitziges Außer-sich-Sein zeigt, kontrastiert aufs Irrste mit der Anmutung des milchgesichtigen Introvertierten. Das Zerstreut-Somnambule macht William Hurt keiner nach.
Geboren wurde Hurt 1950 in Washington D.C.; sein Vater Alfred arbeitete für das State Department, weshalb die Familie zeitweise in Khartum und Mogadischu lebte. 1973 wurde William von der Juilliard School in New York neben Robin Williams und Christopher Reeve akzeptiert. Bei der Circle Repertory Company spielte er am Theater und gewann 1978 den Theatre World Award; 1979 gab er bereits den Hamlet. Kuriositätensammler wissen um seinen Auftritt in zwei Episoden von „Kojak“ 1977: In der Serien-Routine wirkt seine Intensität irritierend. Die erste Filmrolle hatte Hurt 1980 in „Altered States“ – und wurde als „New Star Of The Year“ für den Globen Globe nominiert. Für die spektakuläre Rolle in „Kiss Of The Spider Woman“ (1985) war der Oscar dann fast obligatorisch, und Hurt gewann auch beinahe jeden anderen Darsteller-Pries, etwa beim Filmfestival von Cannes. Drei weitere Oscar-Nominierungen folgten bisher – Hurt ist ein Mindestens-sechs-Oscar-Nominierungen-Mann.
Zwar war er in den 90er-Jahren und später so viel beschäftigt wie kaum ein anderer Filmschauspieler, aber sein Fach wurde zunächst die zweite Haupt-, dann die erste Nebenrolle. Hurt war nicht zu eitel, um in der albernen Engels-Komödie „Michael“ neben John Travolta, in dem hanebüchenen Thriller „Mr. Brooks“ neben Kevin Costner und in „The Incredible Hulk“ neben Hulk aufzutreten, 2010 sogar in Ridley Scotts „Robin Hood“. Es ist nicht so, dass Wiliam Hurt nicht mehr so groß ist – es sind die Rollen, die kleiner wurden. Der Schriftsteller, der Vater, der Arzt und der Wissenschaftler sind die Figuren, die seinem Temperament und seiner Präsenz am meisten entsprechen: In „Smoke“ (1995) erzählt er als weltabgewandter Autor seine ganz eigene Geschichte neben der von Harvey Keitel, und die Annäherung an einen schwarzen Jungen ist das eigentliche Bravourstück unter so vielen großartigen Leistungen. Hurt ist ein Leading Man, der kein Leading Man sein kann – in der Abteilung „Charakterdarsteller“ bleibt er ein Star, der jedem Film mindestens die Bedeutung seiner enigmatischen Erscheinung verleiht. Noch da, wo vielleicht gar kein Geheimnis ist, vermittelt Hurt die Ahnung von etwas Abgründigem, etwas Transzendentem jenseits unseres Horizonts.
Sein Privatleben, wie man so sagt, nährt die Neugier nach dem Mann hinter dem stillen Habitus: In den 70er-Jahren war er mit der Schauspielerin Mary Beth Hurt verheiratet, später drei Jahre mit Marlee Matlin – seiner Partnerin in „Children Of A Lesser God“ (1986) – liiert, die ihm in ihrer Autobiografie Drogenkonsum und Gewalttätigkeit vorwarf (worauf er graziös entgegnete: „Ich denke, wir haben uns beide entschuldigt“). Sandra Jennings verklagte Hurt nach der Trennung, obwohl sie nur nach dem Gesetz von South Carolina verheiratet waren. Mit der Schauspielerin Sandrine Bonnaire hat Hurt ein Kind.
Dass dieser schneidend bedächtige Filou ein leidenschaftlicher Flieger ist, passt in das bizarre Bild vom brütend-unheimlichen Außenseiter. Sein Privatflugzeug heißt übrigens Beechcraft Bonanza.