Willander sieht fern: ‚Stubbe‘ und ‚Stolberg‘ – alte Junggesellen
Betuliche Sommerloch-Krimis am Samstagabend: „Stubbe - Von Fall zu Fall“ und „Kommissar Stolberg“ im ZDF
Nach langer Abstinenz schaute ich am Samstag doch mal wieder zwei Kriminalpolizisten zu, die ich seit Jahren vernachlässige. Allzu oft ist mir das bestimmt nicht prunkvolle Programm auf anderen Sendern lieber, zur Not eine Dokumentation auf Arte oder 3sat, ein lärmendes Spiel in der ARD, eine Wiederholung im Dritten.
Auch die Krimis sind derzeit Sommerloch-Wiederholungen. Andererseits ist Wolfgang Stumph seit bald 20 Jahren eine gefühlte Wiederholung: Nur am Reifen seiner bezaubernden Tochter Stephanie kann man bemerken, dass für diesen gemütlichen Kommissar die Zeit vergeht. Wenn er seinen Ausweis vorzeigt, tut er das mit einer Verzagtheit, als handelte es sich eigentlich um einen Hundemarke. Stumpi, wie seine Verehrer ihn nennen, verkörpert seit 1990 den guten Osten, er hat nie gemault, ist bescheiden und besorgt, spricht goldene Worte des Ausgleichs und macht die Arbeit da, wo man ihn hinstellt. So spielt er den Sachsen in Hamburg, das freilich auch nicht Hamburg ist, weil meistens die Vororte gezeigt werden und nach einem Schnitt die Innenstadt oder das neue Hafenviertel – und wenn man (wie Kommissar Stubbe) Fahrrad fährt, dann liegen die Schauplätze oft eine Stunde voneinander entfernt.
„Stubbe“ ist das Paradox eines betulichen Großstadtkrimis – immerhin ein Hamburger Genre, denn die Leute vom „Großstadtrevier“ agieren noch bräsiger als Stumph und der Synchronsprecher Lutz Mackensy als harmloser Trottel. Diesmal gab es einen Quatsch um einen Versicherungsfuzzi, der qua Amt zahllose Anträge auf Kostenübernahme zurückweisen muss und dann, während eines Wellness-Wochenendes im Wald, verschwand. Hatte einen Hund. Im Puff wollte er meistens nur reden. So einer also! Die Kosten von Vadim Glowna wurden nicht übernommen, deshalb schneidet er jetzt grimmig die Büsche im Garten und lässt sich – typisch für Verdächtige in Krimis – nicht stören, als Stubbe ihn befragt. Und Stubbe wird immer ganz verlegen, wenn er kleinen Leuten und Ungerechtigkeit begegnet.
Wolfgang Stumph ist der mitfühlende Konservative im Polizeidienst, dessen Anstand für alle reicht. Seine mittlerweile erwachsene Tochter, die eine von einem Fotoreporter heftig umworbene Journalistin darstellt, spielt immer noch so wie damals, als sie zwölf Jahre alt war.
Fast so ungern wie Christian Berkel als „Der Kriminalist“ gucke ich Rudolf Kowalski als „Kommissar Stolberg“. Liegt es an den freudlosen, stoisch heruntergedrehten Fällen? Oder an Kowalskis Leichenbittermiene, seiner Beamtenhaftigkeit und trockenen Schleicherei? Am Samstag fasste sich dieser sonst wie narkotisiert wirkende Polizist ein Herz und stürmte in die Bäckerei, in der Peter Lohmeyer sich mit seiner Tochter verschanzte. Da waren sogar die Kollegen überrascht, und Lohmann musste gewärtigen, dass er immer nur wegläuft. Auch vor sich selbst! Und da wirkte die Knarre plötzlich so albern wie sein Amoklauf in die Backstube. Wieder ein überforderter Mann.
Für einen Moment überlegte ich, ob die Dänen, Schweden und Engländer, deren Kriminalfilme wir so gern schauen, diese deutschen Serien kaufen würden. Die langweiligste und deutscheste deutsche Serie von allen, „Derrick“, lief früher ja sehr gut im Ausland. Vielleicht ist Stumpi für die Engländer wie „Inspector Barnaby“ für uns, Stolberg der Wallander der Schweden? Aber dazu müsste man sich eine Minute für die Figuren interessieren, müssten sie ein Leben haben, eine Geschichte. In der dänischen Polizeiserie „Anna Pihl“ erzählt uns noch eine Nebenfigur etwas über das Land und die Polizeiarbeit. Wolfgang Stumph und Rudolf Kowalski sind Männer kurz vor der Pensionierung, denen die Einsamkeit ins Gesicht geschrieben steht. „Er sah aus wie der typische Junggeselle“, sagt die Puffmutter zu Stubbe. „Wie Sie übrigens auch.“