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Arne Willander schaut fernKolumne

Willander sieht fern: „aspekte“ wirkt einfach nur drollig

Das ZDF-Kulturmagazin "aspekte" hat jetzt Publikum und jüngere Menschen - und ist inzwischen längst eine Talkshow.

Wo ist Luzia Braun? Als sie an Freitagabenden das Kulturmagazin „Aspekte“ – oder, vielmehr, wie das ZDF im Manierismus der 60er-Jahre schreibt: „aspekte“ – moderierte, spürte man die Kultur. Sie war in ihrer Stimme. Sie war in ihrer Brille. Sie war in ihrem gesamten Ausdruck, der verströmte, dass Luzia Braun vielleicht Kunstgeschichte studiert hat oder Anglistik oder Archäologie, dass sie nur schöne Bücher liest und schöne Filme schaut und schöne Weine trinkt und ihren Urlaub in Lucca oder auf Ischia verbringt. Sie stieg zu dem greisen Playboy Rolf Eden in den Rolls-Royce und fuhr über den Ku’damm. Noch der drögeste Kulturreport wurde zum Ereignis, wenn er so anmutig, so mild und verständnisvoll von Luzia Braun angekündigt wurde.

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Auch ihr Komoderator Wolfgang Herles ist weg. Herles hat eine Karriere daraus gemacht, dass Helmut Kohl ihn einst beim ZDF angeschwärzt hatte. Herles ist ein Opfer. Er durfte nicht mehr über Politik berichten. Seit 2012 darf er auch nicht mehr „aspekte“ moderieren, doch schon vorher erfand er „Das blaue Sofa“, und seither wird das Sitzmöbel um die Welt und zu Literaturmessen getragen, und dann sitzen Schriftsteller darauf. Und Wolfgang Herles auch. „Das blaue Sofa“ ist jetzt eine richtige Sendung. In Pompeji, wo es sehr warm war, wenn auch nicht so warm wie bei dem Vulkanausbruch, befragte Herles den Erotikschriftsteller Bodo Kirchhoff zur Liebe: ob sie vorher schöner sei oder nachher, genossen oder ungenossen, aufgeschrieben oder erlebt. Kirchhoff erzählte von der Liebe, wie nur ein Schriftsteller von der Liebe erzählen kann, man wollte sofort sein Buch über die Liebe lesen. Herles trug ein hellblaues Hemd und feine Schuhe. Kirchhoff war barfuß. Der Vulkan war still.

Aufgekratzt wie bei einem Moderationsseminar

Luzia Braun sitzt manchmal bei Buchmessen auf Herles’ Sofa, aber sie steht nicht mehr im Studio. Da stehen Katty Salié und Tobias Schlegl, junge Leute, die nicht mehr ganz jung sind. Sie gehen im Studio herum, sie halten Karten. Es gibt Pu­blikum, das sitzt auf Würfeln und klatscht manchmal. Am Ende singt vielleicht jemand auf einer kleinen Bühne, der gerade in Berlin ist, Sophie Hunger oder Villagers. Salié und Schlegl wirken so aufgekratzt, als nähmen sie an einem Moderationsseminar teil, bei dem Kultur vermittelt werden soll. Im Herumstehen ist das nicht einfach, man muss auch in die Kamera schauen. Katty Salié hat Reisemagazine und Radiosendungen beim WDR moderiert, Tobias Schlegl war bei VIVA und im Internet und bei der Satiresendung „Extra 3“ beim NDR und heckte heitere Späße mit Yared Dibaba aus.

Ein Bericht über einen Dokumentarfilm über Hinterbliebene von Mordopfern, die mit den Mördern sprechen, wird gezeigt, aber die Hinterbliebenen sprechen darin nicht mit den Mördern. Tobias Schlegl spricht an einem großen Tisch mit Herta Däubler-Gmelin, die früher Justizministerin war. Eine Wand hinter ihnen besteht aus braunen Quadern, die wie große Schokoladenrippen aussehen, und eine andere sieht rostig aus, und über Herta Däubler-Gmelin steht groß „vergebung“. Frau Däubler-Gmelin weiß nicht, ob in Deutschland konkret Hinterbliebene von Mordopfern mit Mördern sprechen, aber sinnvoll sei es jedenfalls. Mit Räubern habe man schon gute Erfahrungen gemacht.

Katty Salié kündigt einen Film an, „eine Geschichte, wie fürs Kino gemacht“: „Die Frau in Gold“. Die Redaktion hat aufgeschrieben: „Helen Mirren spielt großartig. Mindestens so beeindruckend ist das Original Maria Altmann.“ Das Original ist tot, aber man sieht noch einmal die Frau, der Österreich das Gemälde „Adele Bloch-Bauer II“ geben musste. Dann übernimmt Schlegl: „Ein Film für die, die Helen Mirren mögen und Fans sind – die anderen dürfen natürlich auch reingehen.“

„aspekte“ ist jetzt eine Talkshow

Jetzt erklärt der Korrespondent Dirk Schümer an einem Strand, weshalb Flüchtlinge in ihren Heimatländern um Asyl bei Botschaften nachsuchen sollen, statt in Schlepperboote zu steigen. Schümers Stimme quäkt. Im Studio befragt Salié den Bayern Heribert Prantl, das sogenannte linke Gewissen der „Süddeutschen Zeitung“. Prantl beobachtet seit 25 Jahren, dass die Deutschen viele Flüchtlinge aufnehmen wollen. „Wenn der Kollege Schümer in einer Festung leben will, dann soll er in eine Raubritterburg ziehen“, hat er sich vorher überlegt und sagt es jetzt. Mit den Booten gibt es ein Problem, sagt Salié: Man kann nicht Boot von Boot unterscheiden. Das bestätigt Heribert Prantl.

Am Freitagabend läuft bei „aspekte“ jetzt also, was überall sonst läuft: eine Talkshow. Und Luzia Braun kann auf einem Sofa ein Glas Rotwein trinken. Aber nicht auf einem blauen.

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