Wild Beasts – New York, Mercury Lounge
Wie vier exaltierte Briten in nur einer Woche New York City erobern.
„Today we take Manhattan“, hatte Tom Fleming im Internet angekündigt und jetzt machen die Wild Beasts ernst. In der düsteren Mercury Lounge in der Lower East Side übernehmen sie die Stadt. „This Is Our Lot“ heißt der Song, der die Show eröffnet. Die Dunkelheit beginnt zum zackigen New-Wave-Basslauf zu zucken, während Hayden Thorpe im Falsett bekennt: „I couldn’t be more ready!“
So exzentrisch-exaltiert sich ihre Musik in Posen wirft, so unscheinbar sind die vier Jungs auf der Bühne. Sie wirken eher wie Touristen, die die New Yorker Sehenswürdigkeiten abklappern – was sie auch tun: „Unsere Erwartungen sind hoch, keiner von uns ist jemals zuvor in New York gewesen“, hat Fleming, der sich mit Thorpe am Mikro, an der Gitarre und am Bass abwechselt, als Einleitung des New Yorker Internet-Tagebuchs der Wild Beasts geschrieben. Das war am Montag, als sie am Flughafen ankamen, um in New York drei Konzerte zu spielen, von einem Interview zum nächsten zu hetzen und in zig Radio- und Fernsehstudios aufzutreten, bevor sie Samstag wieder abreisen. Nebenbei bewältigen sie nicht nur das touristische Standardprogramm, sondern machen auch Williamsburg unsicher. Schließlich hat es sich bis ins britische Kendal herumgesprochen, dass sich in diesem Stadtteil Brooklyns „zurzeit das Epizentrum des internationalen Indierock befindet“, wie Fleming schreibt.
Nach ihrem nervösen New Yorker Debüt am Dienstag in Joe’s Pub im East Village vor lauter VIPs der US-Musikbranche („Wir haben uns wie unterm Mikroskop gefühlt“), treten die Wild Beasts nun am Donnerstag vor 250 Leuten in der Mercury Lounge auf. Zuvor hat die Band noch eine Radiosession auf einem Unicampus in der Bronx gespielt, zu viele Hände geschüttelt, ist in der Rush Hour hängen geblieben und hat dem „American Songwriter Magazine“ verraten, warum die beste Musik stets aus der Provinz kommt. „Manhattan ist anstrengend“, wird Fleming zwar später feststellen, doch von Erschöpfung ist nichts zu merken, als die Wild Beasts auf die Bühne kommen. Die fast unheimliche Stimmung in der Mercury Lounge behagt ihnen mehr als Joe’s Pub, der eher Restaurant als Rockclub ist. Songs wie das überdrehte „All The Kings’s Men“ spielen sie wie in Trance. Die Leute vor der Bühne versuchen vergeblich zappelnd mit den Wild Beasts mitzuhalten, die live mit derselben Perfektion wie auf Platte, aber mit einer höheren Intensität musizieren. „In der ,New York Times‘ ist heute eine Besprechung unseres ersten Konzerts“, verkündet Thorpe. Und Fleming ergänzt: „Ich hatte gedacht, unsere einzige Chance, dort aufzutauchen, besteht darin, ermordet zu werden.“ Dass die Eigenartigkeit der Band tatsächlich – wie die Zeitung behauptet für ein halbes Dutzend Bands reicht, bekommt man auch in der Mercury Lounge vorgeführt. Da wäre etwa „The Fun Powder Plot“, das sich zu einem hypnotischen Epos auftürmt, oder „Hooting & Howling“, der beste Song des Abends, der schon im perfiden Intro klar macht, dass diese Band den Hype unbedingt wert ist. Neben Material vom „Two Dancers“-Album kramen die Wild Beasts aber auch drei Stücke vom Debüt „Limbo, Panto“ hervor, von denen besonders „His Grinning Skull“ auffällt.
Während die New Yorker die spleenigen Inszenierungen der Wild Beasts sofort verstehen und ins Herz schließen, haben sie mit dem Dialekt dieser schrulligen Briten doch Probleme. Schlagzeuger Chris Talbot, der sich am Arm verletzt hat, muss ein Weilchen vor sich hinbluten, bis ein Engländer im Publikum Thorpe verrät, dass er, wenn er in den USA das Publikum um ein Pflaster bittet, nicht „plaster“, sondern „band-aid“ sagen muss.
Später bekommt Fleming hinter der Bühne eine Notiz überreicht, die angeblich von Antony Hegarty stammt, der sich dafür entschuldigt, dass er an diesem Abend nicht kommen konnte.