Wilco-Abganger JAY BENNETT hat mit einem alten Klampf-Kumpel längst sein Konkurrenz-Produkt fertig – besser fürs Radio, aber kaum so ambitioniert wie einst
Der Streit geht weiter: Am 23. April, wenn Wilcos „Yankee Hotel Foxtrot“ in den USA erscheint, kommt in direkter Konkurrenz auch „The Palace At 4 AM (Part 1)“ in die Läden, das erste Post-Split-Album des in Unirieden geschiedenen Keyboarders, Gitarristen, Akkordeon-, Bouzoukiund Tambourinspielers Jay Bennett. Keine Solo-Platte, Bennett hat mit dem Singer-Songwriter Edward Burch ein Duo gegründet, in dem die Parteien ohne Gleichmacherei erkennbar bleiben sollen. Jay Bennetts Name steht vorn.
„Mein Weggang von Wilco war so freundschaftlich, wie man sich einen solchen Abschied nur vorstellen kann“, hat Jay Bennett zur Album-Veröffentlichung dem amerikanischen ROLLING STONE erzählt, „und das bedeutet auch, dass immer ungeklärte Sachen zurückbleiben. Wenn man einen Job kündigt, sich von der Freundin trennt oder eine Band verlässt, gibt es immer ein paar Angelegenheiten, die man in Frage stellt, Sachen, die man gerne anders gemacht hätte oder von denen man es sich wünscht, die anderen hätten sie anders gemacht. Ärger, Angst und Bedauern spielen da immer mit. Im Fall Wilco werden die meisten dieser negativen Gefühle allerdings davon überlagert, dass ich die Jungs immer noch gern habe und ihnen nur das Beste wünsche. Mit dem, was ich jetzt mache, bin ich uneingeschränkt glücklich. So gesehen bin ich dankbar, dass alles so gekommen ist.“
Das Album mit Burch hat Bennett angeblich schon seit Jahren im Hirn, erst jetzt hat er die freien Kapazitäten. Die zwei lernten sich in Champaign/Illinois kennen, als Jay Bennett noch bei der Power-Pop-Band Titanic Love Affair spielte. „Wir wollten auf möglichst produktive Art zusammen Zeit totschlagen“, kommentiert Burch, der seinerseits für Platten des Alt.Country-Boys Steve Pride (zu dessen Band auch Jay Bennett gehört hatte) und des Pedal-Steel-Gitarristen Bob Egan (der für Freakwater und Wilco spielte) vereinzelte Gesangsspuren beigesteuert hat. Die Kreuzverweise gehen noch weiter: Zu Edward Burchs derzeitigen Nebenbeschäftigungen (unter anderem gelegentliche Live-Aushilfen bei der Handsome Family) zählt auch ein Duo-Projekt mit dem aktuellen Wilco-Keyboarder Leroy Bach.
Den Hörproben nach hat „The Palace At 4 AM“(das beim Indie-Label Undertow erscheint und in Europa erstmal nur als Import zu bekommen ist) mit den musikalischen Abenteuern der unter Bennetts Mitwirkung gefertigten Wilco-Alben nichts zu tun. Das Duo spielt, in kompletter Band-Instrumentierung, sehr gefälligen, dicht produzierten Sixties-Paisley-Pop, vereinzelt mit rustikalem Hauch, meistens in harmonischen Radio-Farben. 14 Stücke, die Burch und Bennett zusammen geschrieben haben, plus eine neue Version von „My Darlin'“ vom Wilco-Album „Summerteeth“ – stellt man sich „Yankee Hotel Foxtrot“ (von dessen Masterbändern Jeff Tweedy und Mit-Produzent Jim O’Rourke am Ende offenbar mehrere Instrumental-Spuren Bennetts gelöscht haben) in diesem Sound-Stil vor, erklärt sich der Disput zwischen den Wilco-Köpfen. In seinen Engagements als Session-Musiker und Produzent hatte Jay Bennett sich ohnehin immer mehr zur middle of the road hin orientiert: Sheryl Crow, Jellyfish, Allison Moorer. „Als wir das Album in unseren Köpfen organisiert haben“, erklärt er zur Duo-Platte, „haben wir drei Sektionen abgesteckt: Pop im Stil von Elvis Costello und Nick Löwe, Balladen ä la John Lennon und einige sehr dunkle Sachen in Moll. Wir haben das so eingeteilt, damit alle wichtigen Aspekte repräsentiert sind.“
Längst im Schrank haben Wilco-Komplettisten die zwei Alben des Alt.Country-Allstars-Orchesters Golden Smog, auf denen Jeff Tweedy – teils unter Pseudonym – neben Gary Louris von den Jayhawks und Noah Levy von den Honeydogs spielt. Bei Sony ist eben eine Uncle Tupelo-Retrospektive mit einigen unveröffentlichten Songs erschienen (inklusive einer Cover-Version von Iggy Pops „I Wanna Be Your Dog“), und dann ist da noch der Soundtrack, den Jeff Tweedy für das New-York-Epsiodendrama „Chelsea Walls“ von Ethan Hawke geschrieben hat. Der Film, mit Mimen wie Kris Kristofferson und Uma Thurman, ist bei den amerikanischen Kritikern im vergangenen Jahr bereits abgetropft, die zugehörige Platte kommt erst jetzt. Am 23. April übrigens.