Wie Portishead setzen auch Lamb die Spannung zwischen den Gegenpolen Mann/Frau, Technik/Gesang in Kreativ-Energie um
In der Welt von Lamb fugt sich alles irgendwie. Offene Enden werden verknüpft, aus Streit erwächst Produktivität, und alles macht irgendwann doch Sinn. Die lange Arbeitszeit am neuen Album etwa. Andy Barlow bastelte endlose Nächte lang am Computer, sein Gesicht und das von Sängerin Lou Rhodes wurden blasser und blasser – und zwischendurch fragten sie sich gar, wohin das alles fähren werde. Am Ende hatte die Arbeit an ,Fear of Fours“ genau neun Monate gedauert. Kurz zuvor hatte Lou Sohn Reuben geboren, worauf Andy kreative Arbeit mit Schwangerschaft verglich.
Bei schlechteren Bands könnte man solche Zahlenmystik ja belächeln. Bei Lamb jedoch sollte Nachsicht walten, denn Musik wie diese hat man lange nicht gehört, und „Fears of Fours“ sollte schon jetzt für die Jahres-Bestenlisten nominiert werden. Das Duo aus Manchester paßt, oberflächlich betrachtet, in ein vertrautes Raster: Mann/Frau, Technik/Gesang, kalt/warm – genau die Gegenpole, die bei Portishead für Spannung sorgten. Lamb aber treiben das, was Portishead vorgegeben haben, weiter, wenn auch in die gleiche Richtung. Um einen Vergleich aus der Filmwelt zu bemühen: Wenn Portishead Alfred Hitchcock sind, dann sind Lamb David Lynch.
Um noch kurz beim Kino zu bleiben: Wie sähe für Lou ein Film aus, zu dem Lambs Musik ab Soundtrack passen könnte? „Das müßten eher zehn sein“, sagt sie. „Und ein paar Horror Movies wären auf jeden Fall auch dabei“ Aber letztlich, so fugt sie hinzu, gehörten Horror- und Liebesfilme ja auch zusammen: so wie gut und böse, Licht und Schatten, Yin und Yang.
Bei Lou und Andy brauchte es allerdings geraume Zeit, bis die Charaktere sich „ergänzten“, Yin und Yang zueinanderfanden. Selbst als 1996 ihr Debüt „Lamb“ erschienen war, endeten Interviews mit den beiden noch regelmäßig im Chaos. „Wir hatten gewisse Differenzen“, so Lou. „Doch das neue Album ist schlußendlich auch Resultat unserer Annäherung.“
Obwohl Lou und Andy privat nicht das Paar sind, zu dem sie einige Journalisten machten, sind die beiden in den langen Studionächten dennoch zusammengewachsen. Hatte Lou nichts zu singen, sah sie Andy fasziniert bei der Arbeit zu. Denn seine wogenden, an traumatische Nächte erinnernden Klanggebilde entstehen auf unorthodoxe Weise: „Er lädt einfach alle möglichen Sounds und Samples in seinen Rechner“, erzählt Lou. „Zum Schluß sind es so viele, daß es wie Chaos pur klingt Doch dann löscht er die störenden Spuren und modelliert den Song aus all dem heraus – wie ein Bildhauer.“ – So entstehen auch diese Klangskulpturen scheinbar wie von selbst. Es gibt also noch Geisterhände in der Welt – zumindest in der von Lamb.