Wie Klaus Beyer uns und seiner Mutter die Beatles nahebringt
Seit über zehn Jahren widmet sich Klaus Beyer der epochalen Aufgabe, sämtliche Songs der Beatles ins Deutsche zu übersetzen und obendrein noch zu verfilmen. Für diese Sisyphusarbeit (er ist Kameramann, Hauptdarsteller und Regisseur in Personalunion) wird er von der Subkultur vergöttert und von den Journalisten gejagt. Erst unlängst rief Friedrich Küppersbusch an. Er wollte Klaus Beyer in „ZAK“ präsentieren. „Sendung ist Mittwoch abend“, meinte er nur. Klaus Beyer wäre sicher sein erster Gast gewesen, der am nächsten Tag wieder hätte arbeiten müssen. Daher handelte sich Küppersbusch eine Absage ein – und war völlig perplex. „Wie?“ schnaubte er. „Was soll das heißen, daß das nicht geht, wenn der Herr Beyer offiziell von der ARD eingeladen wird?“ Schließlich handelte der Moderator dann so, wie man’s von ihm im TV gewohnt ist. Er schickte einfach einen Ü-Wagen los und ließ eine Live-Schaltung ins Studio herstellen. Das Resultat wird im Frühsommer ausgestrahlt, und wir dürfen dann erleben, wie Klaus Beyer eine seiner Lennon/McCartney-Übersetzungen vorträgt: IIW S (Siiinelhing) „Etwas an ihr ist so toll/ So wie sie lacht, so lacht sonst niemand/ Etwas macht mein Leben so voll/ Ich glaub, ich verlaß sie nie/ Denn ich denk genau wie sie. Klaus Beyer wurde anno ’80 erstmals von der Muse geküßt. Damals drehte er zunächst nur Super-8-Filme. Und da ihm die Beatles als Akteure aber leider nicht zur Verfügung standen, agierte halt er. Fortan war er – wie das in Super-8-Kreisen so Usus ist – stets Kameramann, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion. Bis auf ein paar Außenaufnahmen auf dem Balkon wurde grundsätzlich nur daheim im Wohnzimmer gedreht. Und daher ist in den meisten seiner Filme auch immer derselbe Hintergrund zu sehen: eine braun-gelbe 60er-Jahre-Tapete und ein rosa- hellblauer Blumenvorhang – beides groß gemustert. „Das ist meine Gardine. Meine Original-Gardine von meinem Wohnzimmerfenster. Die hab ich einfach genommen. Da hab ich noch gar nicht so viel gehabt. Da war alles noch ganz einfach. Aber die Gardine ist ziemlich legendär geworden.“ Klaus Beyer lebte damals noch in Berlin und verdiente seine Brötchen als Kerzenwachszieher in einer Fabrik. Bis jetzt ist er in den meisten Stories ja einfach zum Kerzenzieher gemacht worden. Aber Kerzen müssen nicht mehr gezogen werden. Sie sind schon gezogen. Was gezogen werden muß, das ist das Wachs. Klaus Beyer lacht Er findet solche journalistischen Fehltritte nicht weiter schlimm, eher ziemlich lustig. So wie viele Leute seine Filme lustig finden, nur weil da ein paar Versprecher drin vorkommen oder der Hauptdarsteller hin und wieder nur halb im Bild zu sehen ist und daher zur Kamera gehen muß, um den Ausschalter zu betätigen. Solche Sachen macht Klaus Beyer natürlich nicht absichtlich. Er findet sie halt nur nicht so tragisch. Hauptsache ist, der Film ist gut. Da ist er sein eigener, unerbittlicher Kritiker. Doch wahrscheinlich wird Beyer nieim Leben eine Einladung zum Bundeswettbewerb der Schmalfilmer ins Haus flattern. Seinen Filmen haften eben ein paar Eigenheiten an, die dort überhaupt nicht gefragt sind. Beyers Streifen sollen keine Professionalität vorspiegeln. Sie sind keine kleinen Filme, die eigentlich große Filme sein sollen. Dafür aber haben sie viel mit seinen ganz persönlichen Vorlieben zu tun – etwa wenn er als Cowboy kostümiert auf einer Gitarre mit Holzfurnier-Look aus De-Ce-Fix-Folie spielt. Oder wenn er in einem seiner Beatles-Filme auf einer Couchgarnitur neben Kindern, hutzeligen Omis und dicken Männern sitzt und „Bungalow Bill“ vorträgt. Klaus Beyer mag die Tremeloes, die Troggs, die Shadows und Dave Dee äi Co. Aber die Beatles waren und sind seine absolute Lieblingsband. Wenn er früher durch die Wohnung ging, hatte er stets irgendeinen Song vom „Wliite Album“ oder von ,yellowSubmarine“aui den Lippen. „Ich habe die immer so rauf und runter gesungen, die Beatles-Lieder. Und die Mutter, die hat eben nichts verstanden. Sie mag die Beatles eigentlich ganz gern, aber sie konnte und kann ja auch noch immer kein Englisch. Und daher hab ich dann die Beatles-Texte auf deutsch übersetzt.“ Klaus Beyer hatte Englisch in der Schule. Außerdem hat er ein paar Jahre langjede Woche im Radio eine Sendung gehört, in der Beat-Musik-Texte übersetzt wurde. Bei der Sendung hat er besonders viel gelernt. Den Rest entnimmt er dem Anhang seines Beatles-Songbooks. Da aber die Texte nur in Hinsicht auf ihre Bedeutung übersetzt sind, ist es nun an ihm, daraus richtige Texte machen: l.l.l>lill(tl./(N..r „Ich kannt einst ein Girl/ besser gesagt, sie kannte mich/ Sie zeigte ihr Haus/ Und war sehr stolz, alles war Holz“. Die vier oder fünf ersten englischen Vokabeln, die damals im deutschen Sprachgebrauch benutzt wurden, waren für die Carpendales, Kiesewetters und ähnliche Beatles-, Jnterpreten“ nur Mittel zum Zweck, „sophisticated“ zu klingen. Daher wäre Martin Mann garantiert nie auf die Idee gekommen, in seiner Version des Problem-Songs „MaxwelTs Silverhammer“ das Wort „Rauschgift“ auch nur anzudeuten. In den Texten von Klaus Beyer gibt es hingegen die irrsten Verbindungen. Selbst die Titel werden konsequent exakt so übersetzt, wie er es sich denkt oder wie er es im Wörterbuch findet: „You’ve Got To Hide Ybur Love Away“ wird dann zu „Du hast die Liebe weggestellt“, „Yellow Submarine“ zu „Gelbes Unterwasserboot“, „We Can Work It Out“ zu „Doch, wir kommen aus“, „While My Guitar Gently Weeps“ zu „Weil die Gitarre sanft weint“, „Mother Nature’s Son“ zu „Mutter Natur Sohn“ und „Your Mother Should Know“ schließlich zu „Die Mutter sie kennt’s“. Solch ein Deutsch wird sonst nirgendwo geschrieben oder gesungen. Und vor allem hat Klaus Beyer ganz besonders darauf geachtet, daß die Silben auch ja richtig übereinstimmen. So kann sich jeder Mensch, der in den sechziger Jahren mit halbwegs offenen Ohren herumgelaufen ist, eine beliebige Beatles-Platte schnappen und auf der Stelle einen Text von Klaus Beyer dazu singen. Das klappt sofort und macht auch ziemlich viel Spaß: HIN II VRIKK T-U; (A Hard Dav’s Night) „Es war ein harter Tag/ Ich hab geschuftet wie ein Hund/ Es war ein harter Tag/ Ich müßte schlafen so gesund.«“ Klaus Beyer hätte seiner Mutter ebensogut Blumen pflücken oder Bilder malen können, aber er wollte ihr lieber solch schöne Lieder vorsingen. Und nicht nur zu so besonderen Anlässen wie Weihnachten oder Muttertag, nein, Tag für Tag, zu jeder Zeit. Und so hat er dann in zehn Jahren mehr als 100 Songs übersetzt. Als passionierter Schmalfilmer fragte er sich natürlich irgendwann dann auch, wie so ein Text wohl als Film aussehen könnte. „Bei .Sergeant Pepper‘ hab ich einfach als Hintergrund so Silberfolie, dann das .Sergeant Pepper‘-Kostüm – selbstgebastelt, muß ich dazu sagen. Ich war zwar mal bei einem Kostümverleih und hab nach einem »Sergeant Pepper‘-Kostüm gefragt. Aber die hatten so was nicht. Und dann hab ich mir einen Kittel gekauft und dann diese feinen Sachen, Schulterblätter und so was alles einlach so drangeklebt, daß es möglichst original aussieht.“ Das Drumherum mag bei Klaus Beyer manchmal vielleicht ein bißchen einfach aussehen, aber dafür ist bei ihm überall drin, was draufsteht. Wenn etwa auf einem selbstgemalten Schild „Hauptmann Peppers Einsamer Herzen Club“ zu lesen ist, dann kann der Hintergrund aussehen wie er will: man ist eindeutig in „Hauptmann Peppers Einsamem Herzen Club“. Wenn Klaus Beyer auf der Leinwand mit einer Fellmütze zu sehen ist, dann startet man gleich nicht etwa aus Miami mit BOAC, sondern ist natürlich längst wieder „Back In The USSR“. Und wenn er als salutierender Matrose vor einem riesigen Packpapier-Hintergrund steht, auf den mit Plakafarbe ein gelbes U-Boot gemalt ist, dann steht man logischerweise vor dem „Gelben Unterwasserboot“. „Die Kulisse von ,Yellow Submarine‘, die hab ich also selber gemalt. Da hab ich also original aus der LP ,Yellow Submarine‘ das Bild ausgeschnitten, dann abfotografiert auf ein Dia. Und das Dia hab ich dann auf ein großes Papier auf die Wand produziert und das dann auf ein großes Blatt nachgezeichnet.“ Nicht viel anders entsteht auch Klaus Beyers Filmmusik. Er hat zwei schon etwas ältere Tonband-Maschinen der Marke Grundig. Mit denen „komponiert“ er dann so: Ybn der einen Band-Maschine überspielt er einen Beatles-Song auf die andere, aber immer nur die Passagen, auf denen gerade niemand singt. Und das tut er so oft, bis wieder ein riditiges Stück dabei herauskommt. Meist sogar mit Strophe, Refrain und allem, was dazugehört. Manchmal erinnert das zwar eher an die Schrägheiten der „genialen Dilettanten“, gelegentlich aber kommt auch ein geniales Stück Popmusik raus. Wie etwa Jede Kleinigkeit“. Da ist wirklich alles dran und drauf- mit Pauken und Trompeten: .li:ill; M.rilNN.krTI (Every Linie Thing) „Doch in eins bin ich sicher/ ich hab sie lieb für immer/ Ich weiß, Liebe stirbt niemals aus…“ „Aber manchmal gibt es auch Stücke, wo der Takt nur halb drauf ist und dann fangen sie schon wieder zu singen an. Wie zum Beispiel bei ,Help‘. Das hab ich bis jetzt noch nicht hingekriegt.“ Es ist zu befürchten, daß er das auch in nächster Zeit nicht hinkriegen wird. Denn seit Klaus Beyer vor zwei Jahren mit der Firma ans mittelgroße Meer gezogen ist, hat er nicht mehr gedreht, als ein paar Ergänzungen zu im großen und ganzen schon fertigen Filmen. Obendrein steht seine ganze Ausrüstung noch in Berlin. Und er beteuert zwar hartnäckig, daß er überhaupt kein Heimweh habe, aber wann immer ein Arbeitskollege Richtung Berlin fährt, ist Klaus Beyer mit von der Partie. In der alten Heimat ist alles vertrauter und besser – selbst das Abendbrot: WAL UN ZISAMMKN (All Togeiher Now) .«Schwarz, weiß, grün, rot/ kommst du mit zum Abendbrot/ Rosa, braun, gelb, orange und blau/ hab mich lieb…“ Mittlerweile ist Klaus Beyer 43 und stolz darauf, daß seine Mutter jetzt die Beatles versteht und manche ihrer Stücke sogar mitsingt. Obendrein noch mit seinen Texten. Die Mutter ist ebenfalls stolz. Auch wenn sie – wie’s wohl alle Mütter tun – den Sohn mit gemischten Gefühlen in die große weite Welt ziehen ließ. Andererseits muß ein Sohn tun, was er tut. Nicht nur für seine Mutter, sondern auch für sich selbst. Klaus Beyer findet, daß sein Hobby ein prima Ausgleich zu seiner Arbeit ist. Und in letzter Zeit erlebt er natürlich auch eine ganze Menge. Heute ist er fast jedes Wochenende mit seinem Manager unterwegs, um seine Filme zu zeigen, seine Texte zu singen oder aus seinem Buch vorzulesen. Die entscheidende Frage ist allerdings die, ob die Leute auch wirklich zu schätzen wissen, was Klaus Beyer da für sie tut Anfangs hatte er immer schlimmes Lampenfieber. Aber das hat er inzwischen überwunden. Das heißt, er hat es nur dann noch, wenn er mal ein Lied singt, das er vorher noch nie gesungen hat Dafür lachen die Leute aber immer noch regelmäßig bei den Stellen, die nun gar nicht lustig gemeint sind. – Das ist manchmal ziemlich deprimierend: SU, Mll! S DI SINKT (Teil Me What You See) „Groß und Schwarz die Wolken sind/ Zeit vergeht so schnell/ Wenn du mir vertraust, mein Kind/ Sind die Tage helL“ Leider gibt es Zeitgenossen, die Klaus Beyer mit einem billigen Schlager-Recycler der Sorte Dieter Thomas Kuhn verwechseln. Aber die haben nichts kapiert, denn Klaus Beyer macht sich nicht lustig. Weder über die Stücke, noch über die Epoche, in der sie entstanden. Und schon gar nicht macht er sich lustig über die Leute oder sich selbst. Das, was er tut, das tut er mitnichten, um den Leuten irgend etwas zu verkaufen. Nein, er tut es, weil er es schlicht und ergreifend gerne tut. Und mit diesem Tun erreicht er die Qualitäten eines Schwitters‘, eines Bunuel oder einer schönen Erstklässler-FibeL Manchmal merken das die Leute auch, und dann schauen sie so seelig drein wie Kinder unter dem Tannenbaum. Was wahrscheinlich auch der wesentliche Grund dafür ist, warum derart viele Vertreter der Subkultur Klaus Beyer in ihre Herzen geschlossen haben. Sie sind nicht etwa aus Gründen politischer Korrektheit erschienen, sondern weil sie einen Menschen erleben wollen, der etwas hat, was ihnen verloren gegangen ist. Sie haben begriffen, daß zwischendurch mal ein Abend bei Klaus Beyer ganz gut tun kann. J3