Wie es den Beach Boys nach Brian Wilsons Scheitern gelang zurückzukehren
Die Beach Boys feiern mit Tour und Album ihr 50. Jubiläum - Anfang August sind sie in Deutschland. Ein guter Anlass für uns, die großen Fragen zu klären, was verschiedene Autoren in unserer aktuellen Ausgabe getan haben. Wir werden die zehn Texte bis zu ihrem Tourstopp bei uns auch auf rollingstone.de veröffentlichen.
In den Jahren nach „Smile“ war Carl Wilson vom niedlich-pummeligen Nesthäkchen zur wichtigsten Solostimme der Beach Boys herangewachsen. Und er brachte in seinen ersten spektakulären Performances wie „Darlin’“ und „I Can Hear Music“ einen neuen Ton mit, einen deepen weißen Westcoast-Soul, der nicht nur im deutlichen Kontrast zu Mike Loves eher ruppiges Halbstarken-Timbre oder Brians kindlicher Traurigkeit stand, sondern auch im Einklang mit dem Zeitgeist Kaliforniens zu jener Zeit, in der die Hippieträume in harten Drogen und Gewalt crashten, und Rückzug ins Private, innere Einkehr und Eskapismus die Folge waren.
Nach dem „Sunflower“-Album, das vor allem gut für die Bandchemie war, weil sich jeder einbringen konnte, hieß es auf dem Nachfolgealbum „Surf’s Up“ erneut: „Produced by The Beach Boys“. Das war jedoch nicht ganz korrekt, denn „Surf’s Up“ war in erster Linie Carls Werk. Nicht nur, dass er sich mit „Long Promised Road“ und dem magischen „Feel Flows“ zum ersten Mal als Songwriter profilieren konnte; es gelang ihm, einen neuen modernen Bandsound zu kreieren, der die Konzepte Brians weiterentwickelte, weg von den großorchestralen Entwürfen, hin zu einer eher unaufgeregten Schlichtheit, die von allerlei Keyboards, E-Pianos, Orgeln und Moogs dominiert wurde. Auch inhaltlich war das Album mit seinem Ökologie-Thema brandaktuell – und naheliegend für eine Surfer-Gang: „Toothpaste and soap will make our oceans a bubble bath“, beklagen sich Mike Love und Al Jardine im Eröffnungstrack „Don’t Go Near The Water“ und warnen: „The poison floating out to sea/ Now threatens life on land.“
„Surf’s Up“ profitiert aber auch von einem Geniestreich Bruce Johnstons, der sehnsüchtig-süßen Ode an den Eskapismus „Disney Girls (1957)“, und davon, dass Brian unerwartet aus seinem Ruhestand zurückkehrte und der Gruppe mit der finster-verzweifelten Depressionshymne „’Til I Die“ sein bis dato letztes Meisterstück schenkte. Auf Carl wiederum geht die Idee zurück, Brians fünf Jahre alte Komposition „Surf’s Up“ aus dem Archiv hervorzukramen und zu finalisieren. Da Brian von der Idee nicht begeistert war, übernahm Carl selbst den Lead-Gesangspart im ersten Teil des Songs, während für den zweiten Teil ein „Smile“-Take mit Brian solo verwendet wurde.
Das Erscheinen von „Surf’s Up“ fiel in den Beginn eines zweiten Frühlings für die Beach Boys. Nach einem legendären Auftritt beim Big-Sur-Festival im Oktober 1970, einem von Fans organisierten Konzert in der New Yorker Carnegie Hall im Februar 1971 sowie dem Adelsschlag durch die Hippiewelt in Form eines gemeinsamen Auftritts mit den Grateful Dead in San Franciscos Hippie-Tempel Fillmore West im April ’71 galten die Beach Boys nicht mehr als Vertreter eines überkommen-verlogenen 50er-Jahre-Spießertums, sondern als cool, ernstzunehmen und satisfaktionsfähig. „Sie waren brillant, ihre Qualität an diesem Abend übertraf jede Rock-Performance, die ich gesehen habe“, schrieb das Magazin „Crawdaddy“ über die Fillmore-Show. Und „Surf’s Up“ veranlasste den US-Rolling Stone zu der Feststellung: „Die Beach Boys sind wieder da.“
The Beach Boys live: „Celebration – The Beach Boys‘ 50“
03.08. Berlin, o2 World
04.08. Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle
05.08. Mönchengladbach, HockeyPark
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In unserer aktuellen Ausgabe können Sie bereits alle zehn Texte inklusive eines aktuellen Interviews mit Mike Love lesen.
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