Wie die Beatles in Manila auftraten und dort um ihr Leben rannten
Die Fab Four spielten 1966 auf den Philippinen und lösten einen Eklat aus, bei dem Blut und Lösegeld floss.
Wenn die größte Band aller Zeiten müde ist, dann ist sie müde. Am 3. Juli 1966 erreichten die Beatles Manila, die Hauptstadt der Philippinen, mit einem Jetlag. Höflich informierten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr, dass sie für den Empfang der First Lady Imelda Marcos am kommenden Tag unpässlich seien. Sie wollten sich auf die beiden Konzerte im Rahmen ihrer Asientournee vorbereiten, anstatt im Präsidentenpalast stundenlang hochoffiziell mit 200 Leuten Häppchen zu essen. Dummerweise akzeptierte die Herrschaftsfamilie um Ferdinand Marcos, seines Zeichens unbarmherziger Diktator und Kleptokrat, kein „Nein“. Madame Marcos zürnte wie eine Furie: Eine Party ohne die Beatles!
Zu diesem Zeitpunkt dachten die vier noch, dass das Marihuana in ihren Reisetaschen ihr größtes Problem werden könnte.
Am nächsten Morgen wurden sie von Klopfen und Poltern geweckt. In den Hotelfluren herrschte Unruhe. Zwei Offiziere traten ein und sagten kühl: „Ihr solltet im Palast sein. Dies ist keine Bitte. Wir haben unsere Befehle.“ Schlaftrunken antworteten die Bandmitglieder: „Wovon reden Sie? Wir gehen in keinen Palast.“
Starr und Lennon knurrte der Magen. Sie schlappten aus ihren Betten und wollten sich über den Zimmerservice Frühstück liefern lassen. Doch am anderen Ende der Leitung war nur ominöse Stille. Also schalteten sie zum Zeitvertreib den Fernseher an. Die Bilder zeigten wartende Menschenmassen vor dem Präsidentenpalast. Kinder steckten in ihrem feinsten Zwirn. Der Kommentator sprach mit Empörung: „Und sie sind noch immer nicht hier. Die Beatles sollten hier sein!“ Den Fab Four dämmerte es. Die Band hatte offenbar die Majestät von Manila beleidigt.
Entschuldigung im Fernsehen
Manager Brian Epstein, inzwischen beunruhigt, beschloss, eine Entschuldigung im Staatsfernsehen ausstrahlen zu lassen. Denn offenbar hielt die Präsidentenfamilie die Absage der Band für eine absichtliche Abfuhr. Als am frühen Abend die formelle Erklärung gesendet werden sollte, schaltete sich der Ton von Kanal 5 durch eine höhere Macht aus. Kein Signal. Alles, was das philippinische Volk zu sehen bekam, war schwarze Stille. Pünktlich zum Ende von Epsteins Entschuldigungsrede war die technische Störung vorüber. Das Abendprogramm zeigte eine zeternde First Lady und in Tränen aufgelöste Kindergesichter.
Die Chauffeure, die die Beatles zum ersten Konzert in das Rizal Memorium Fußballstadion bringen sollten, fuhren zunächst in die falsche Richtung. Mit Ach und Krach erreichten sie ihr Ziel. Die Beatles spielten zwei umjubelte Konzerte vor 30.000 und 50.000 Besuchern. Es sollte die größte Anzahl an Menschen bleiben, vor denen die Musiker jemals innerhalb eines Tages auftraten. Die Gruppe wunderte sich über die versiffte Umkleidekabine und das Brechreiz-Essen, von dem sie einzig die Cornflakes mit verdorbener, klumpiger Milch als Nahrung identifizieren konnten. Sie ahnten noch nicht, was sie am nächsten Tag erwarteten würde.
Auf der Flucht vor einem wütenden Mob
Am Morgen des 5. Juli trudelte die Tageszeitung ein mit der Schlagzeile „Beatles brüskieren die Präsidentin“. McCartney, Lennon, Harrison und Starr fühlten sich immer unbehaglicher. Hastig packten sie ihre Siebensachen zusammen und baten, zum Flughafen gefahren zu werden. In der Hotelhalle wurden sie auf Spanisch und Englisch beschimpft. Sowohl die motorisierte Eskorte als auch die Polizeibegleitung, mit der sie bei ihrer Ankunft empfangen wurden, waren verschwunden.
In einem Auto und einem billigen Motorrad gurkten sie zum Manila International Airport. Anstelle jubelnder Fans erwartete sie ein wütender Mob, mit Knüppeln bewaffnet, gewaltbereit wie eine Horde Hooligans. In der Luft ertönten Schüsse. In einem Spießrutenlauf jagten Randalierer die Beatles und ihre Begleiter durch die Hallen, schlugen, traten und bespuckten sie.
„Sagt Lil, dass ich sie liebe“
Das Flughafenpersonal war keine Hilfe. „Wir behandeln Sie wie gewöhnliche Reisende. Gewöhnliche Reisende!“, so die emotionslose Information. Gott sei Dank gibt es Geistliche. Lennon und Starr retteten sich hinter eine Gruppe katholischer Nonnen, George suchte Zuflucht bei einem buddhistischen Mönch. Im Handgemenge fiel Starr infolge eines Kinnhakens zu Boden. Als er wegkrabbelte, wurde er getreten. Irgendjemand schlug Brian Epstein ins Gesicht. In dem Gedränge verstauchte er sich den Knöchel.
„Als wir die Maschine erreichten, haben wir die Sitze geküsst“
Blutend und mit blauen Flecken übersät, erreichten die Flüchtenden die Rolltreppe. Sie hofften, so den Angreifern schneller entkommen zu können, da sie vom Schleppen der Instrumente und Verstärker entkräftet waren. Doch durch einen „Zufall“ war die Rolltreppe außer Betrieb. Sie eilten zum Ausgang und rannten zum Flugzeug. „Als wir die Maschine erreichten, haben wir die Sitze geküsst“, sagte McCartney. „Es fühlte sich an wie eine Zufluchtsstätte.“
Doch kaum schienen sie in Sicherheit, ertönte über die Sprechanlage eine Durchsage: Das Management wurde nach draußen geordert. Der Assistent Mal Evans fürchtete eine Verurteilung oder gar das Gefängnis. Als er aus dem Flugzeug stieg, ließ er an seine Frau ausrichten: „Sagt Lil, dass ich sie liebe“.
Draußen wurden sie gezwungen, eine „Gebühr zum Verlassen des Flughafens“ auszuhändigen: 74.450 Philippinische Pesos, umgerechnet schätzungsweise 18.000 Dollar. Dieser Betrag stimmte genau mit jener Summe überein, die die Fab Four bei ihren Konzerten auf Manila verdient hatten. Die Maschine startete mit einer Verspätung, die 44 Minuten dauerte.
Nie wieder Manila
Ringo Starr, eigentlich sonst von nichts aus der Ruhe zu bringen, erinnerte sich später an die Reise nach Manila als „die furchtbarste Erfahrung meines Lebens“. John Lennon sagte: „Über diesen Ort würde ich nicht mal mehr drüberfliegen.“ Auch der friedliebende George Harrison konnte nicht an sich halten: „Der einzige Grund, an diesen Ort zurückzukommen, wäre, um eine Bombe darüber abzuwerfen.“
Die Beatles legten nach ihrer Reise einen Schwur ab, niemals wieder nach Manila zurückzukehren.